Ukraine-Krieg: Planen die USA und die Nato den Einstieg in den Krieg?

Tschechien, 2022: Übung zur Geiselbefreiung in Nato-Kontext. Bild: C-S, Shutterstock.com

US-Verteidigungsexperte: Nato-Kampftruppen bereits in der Ukraine. Parallele zum Vietnam-Krieg. Für die Konfliktparteien ist die Zeit bis zur US-Wahl wichtig.

Je stärker die ukrainischen Truppen im Kampf gegen die russischen Invasoren in die Defensive geraten, desto entschiedener und offener engagiert sich die Nato. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang berichtet, dass auch Soldaten westlicher Armeen an Kampfhandlungen beteiligt sind. Dafür gibt es immer neue Indizien.

Als Anfang März ein Telefonat teils hochrangiger deutscher Militärs von russischer Seite abgehört und der Mitschnitt publiziert wurde, spielte die Anwesenheit westlicher Militärs im ukrainischen Kampfgebiet auch eine Rolle. Die Authentizität der Aufnahmen steht außer Frage, der Inhalt kann also als verlässlich gelten. Im O-Ton hieß es:

Wir wissen ja auch, dass da viele Leute mit amerikanischem Akzent in Zivilklamotten herumlaufen.

Und:

Wenn es zum Beispiel darum geht, die Missionsplanung zu machen: Ich weiß, wie es die Engländer machen. Die machen es ja komplett im Reachback. Die wir haben auch paar Leute vor Ort, das machen sie, die Franzosen nicht. Also, sie (supporten) auch die Ukrainer beim Beladen des Skalp, weil sie sagen, Storm Shadow und Skalp ist aus der reinen technischen Perspektive relativ ähnlich. Da haben sie mir schon gesagt: Ja, Herrgott, sie würden auch den Ukrainer beim Taurus-Loading über die Schulter gucken.

Nun sollen Nato-Mitgliedsstaaten begonnen haben, Kampftruppen in die Ukraine zu entsenden. Soldaten aus Polen, Frankreich, Großbritannien, Finnland und anderen Nato-Mitgliedstaaten würden in größerer Zahl im Kriegsland eintreffen. Dies berichtet der ehemalige US-Verteidigungspolitiker Stephen Bryen auf der Plattform Substack und in der Asian Times.

Keine Söldner, sondern reguläre Truppen

Entgegen russischen Behauptungen, es handle sich um über 3.100 Söldner, seien die neu ankommenden Truppen reguläre Soldaten, behauptet Bryen. Sie würden Uniformen und Insignien ihrer Heimatländer tragen. Und: Sie seien hauptsächlich im westlichen Teil des Landes stationiert, obwohl einige von ihnen sich nahe den Kämpfen im Osten befänden.

Die Nato betone, dass diese Soldaten nicht zum Kampfeinsatz in der Ukraine seien, sondern zur Bedienung westlichen militärischen Geräts. Bryen argumentiert jedoch, dass, wenn sie auf die Russen schießen, ihre Anwesenheit als aktive Beteiligung am Krieg interpretiert werden muss.

In diesem Zusammenhang zieht er Parallelen zum Vorgehen der USA während des Vietnam-Krieges (1955-1975). Auch damals seien Militärs offiziell als "Berater" entsandt wurden. Tatsächlich hab es sich um Spezialeinheiten gehandelt, die gezielt an Kämpfen teilgenommen hätten.

Die Biden-Regierung, der Krieg und die US-Wahl

Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden hat mehrfach betont, sie sei gegen die Entsendung von Nato-Soldaten in die Ukraine. In seinem Beitrag spekuliert Bryen jedoch, dass Biden auf seine Wiederwahl warten könnte, bevor er den Befehl gibt, US-Soldaten in die Ukraine zu entsenden.

Nach einer Wiederwahl hätte er dafür freie Hand, so Bryen. Die kürzliche Verabschiedung eines 60-Milliarden-US-Dollar-Paketes für die Ukraine deutet darauf hin, dass der US-Kongress wahrscheinlich jede Maßnahme der Biden-Regierung zur "Bekämpfung der Russen" unterstützen würde.

Russland stärker, Nato schwächer?

Laut Bryen fürchten Sicherheitsexperten in den USA einen russischen Sieg in der Ukraine. Dies wäre ein schwerer Rückschlag für die US-Sicherheitsstrategie und könnte sogar das Ende der Nato in ihrer jetzigen Form bedeuten.

Berichten zufolge ist die russische Armee seit Beginn des Ukraine-Krieges um 15 Prozent gewachsen und hat Erfahrungen im Umgang mit hochmodernen US-Systemen gesammelt. Die Nato hingegen hinkt Russland in Bezug auf Waffen, Personal und militärischen Produktionskapazitäten hinterher. Zudem sind die Waffenlager aufgrund von Lieferungen an die Ukraine leer.

Ukraine verliert den Krieg

Im US-Sicherheitsapparat herrscht die Meinung vor, dass die Ukraine ihren Krieg gegen Russland verliert und möglicherweise vor dem Zusammenbruch ihrer Armee steht. Es gibt bereits Berichte, dass einige Brigaden der ukrainischen Streitkräfte Befehle ihrer Kommandanten verweigert haben. Die Russen seien sich dieser Situation bewusst und nähmen zunehmend ausländische Truppen ins Visier, während sie gleichzeitig ukrainische Kampfeinheiten dezimierten.

Ukraine sucht verzweifelt nach neuen Rekruten

Die Ukraine ist verzweifelt auf der Suche nach neuen Rekruten und erhält dabei Unterstützung von Ländern, in denen ukrainische wehrpflichtige Flüchtlinge Unterschlupf gefunden haben. Sowohl Litauen als auch Polen planen, diese Männer in die Ukraine zurückzuschicken. In Deutschland hatte Justizminister Marco Buschmann (FDP) im Dezember versichert, die Bundesregierung werde keine hier lebenden Ukrainer zwingen, in die Ukraine zurückzukehren, um an den Kämpfen teilzunehmen.

Ein Bericht über die Ausbildung ukrainischer F-16-Piloten wirft weitere Fragen auf. Westliche Offiziere, die mit den Ukrainern arbeiten, berichten, dass der Lernprozess aufgrund von Sprachbarrieren und Unkenntnis westlicher Systeme und Kampftaktiken nur langsam voranschreitet. Gerüchten zufolge könnten die F-16s, die im Sommer in der Ukraine eintreffen sollen, von "pensionierten" Piloten europäischer Luftstreitkräfte geflogen werden, so Bryen.

Droht ein größerer Krieg in Europa?

Dem US-Experten zufolge scheint der Nato-Plan zur Abwendung einer Niedelage darin zu bestehen, Lücken in den ukrainischen Streitkräften durch "Berater" zu schließen und auf ein Eingreifen der US-Armee nach den Wahlen im November zu warten.

Die Russen seien sich dessen bewusst. Sie versuchten daher, die ukrainische Armee zum Zusammenbruch zu bringen, bevor Biden womöglich in eine weitere Amtszeit geht.

"Wenn die Russen erfolgreich sind, wird ein größerer Krieg in Europa vermieden", schreibt Bryen: "Wenn nicht, wird Europa mit dem Einmarsch der US-Streitkräfte in den Dritten Weltkrieg gezogen werden."

Harsche Wortwahl von deutschem General

Bei dem Beitrag des ehemaligen US-Verteidigungspolitikers handelt es sich um ein Meinungsstück. Gleichwohl ist es die Einschätzung eines Experten, der die Dynamik solcher Konflikte einzuschätzen weiß.

Auch deckt sich seine Argumentation mit Indizien, die auf eine bestehende und womöglich wachsende Präsenz westlicher Militärs in der Ukraine hinweisen. Der erwähnte Mitschnitt des Telefonats deutscher Militärs ist einer dieser Hinweise.

Unlängst hatte diesem Zusammenhang der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer in der Bundespressekonferenz über das größte Nato-Manöver an der Ostflanke des Militärpaktes seit 1989 referiert. Breuer sagte:

Wir müssen üben wie im Ernstfall, wir müssen üben wie im Krieg, wir müssen üben, schnell und wirksam zu reagieren. Alarmierung, Verlegung von Kräften und auch der Einsatz von Kräften.

Konkret, wir verlegen aus dem gesamten Nato-Gebiet, auch aus Nordamerika, an die Ostflanke. Wir verlegen Personal und Material und wir führen sie zusammen als schlagkräftige militärische Verbände.

Es hat mir noch mal gezeigt, dass Kriegstüchtigkeit deutlich angekommen ist, dass man deutliche Schritte in Richtung Kriegstüchtigkeit gemacht hat.

General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr