Ukraine-Krieg: Russisches MilitÀr vor Durchbruch in Awdijiwka
Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj in Awdijiwka. Foto vom 30. Dezember 2023: BĂŒro des ukrainisches PrĂ€sidenten / CC0 1.0 Deed
Russische GelĂ€ndegewinne auf dem Schlachtfeld, Machtkampf in der ukrainischen FĂŒhrung und ein demografisches Problem. Eine EinschĂ€tzung der Lage.
Nachdem die russischen StreitkrĂ€fte erst vor zwei Wochen einen Durchbruch durch die sĂŒdlichen Verteidigungsstellungen [1] in Awdijiwka vermelden konnten, ist ihnen jetzt ein weiterer Durchbruch sĂŒdlich der Kokerei AKHZ gelungen.
Die gesamte Stadt mit Ausnahme der Kokerei steht damit vor der erzwungenen Aufgabe durch die ukrainischen Verteidiger. Auf Suriyakmaps [2] kann man den jĂŒngsten Fortschritt gut erkennen.
Kritischer Durchbruch der russischen Truppen
In den ersten Monaten des russischen Angriffs auf Awdijiwka schienen die russischen StreitkrĂ€fte zu versuchen, die O0542, die einzige leistungsfĂ€hige StraĂe in die befestigte Stadt, ĂŒber die Flanken zu erobern, doch nun scheint das Ziel des Angriffs darin zu bestehen, diese StraĂe sĂŒdlich der Kokerei abzuschneiden.
Zu Beginn des Angriffs auf Awdijiwka unternahm das russische MilitĂ€r Anstrengung, nördlich der riesigen Kokerei AKHZ bei Stepove [3] durchzubrechen. Im SĂŒden der ukrainischen Festungsstadt wurde auf Ă€hnliche Weise versucht, die NachschubstraĂe O0542 ĂŒber die Einnahme des Dorfes Sjeverne [4] abzuschneiden.
Beide Versuche misslangen bisher, nur die HĂ€lfte von Stepove [5] konnte bisher erobert werden, die StraĂe O0542 blieb bisher unbehelligt.
Doch jetzt stehen russische Truppen anscheinend nur noch knapp 880 Meter von der fĂŒr die Festung Awdijiwka ĂŒberlebenswichtige StraĂe entfernt. Laut des Osint-Analysten Weeb-Union [6] konnte das russische MilitĂ€r sogar schon die Bahnlinie sĂŒdlich der Kokerei [7] erreichen, und zwar an der EisenbahnbrĂŒcke [8].
Dies wird auch von der ukrainischen Quelle DeepState [9]bestÀtigt.
Nachschub in Gefahr: Awdijiwkas entscheidende Verbindung bedroht
Nur noch die Datschen-Siedlung, die sich sĂŒdlich der Schlackehalde [10] befindet, kann von den ukrainischen Truppen noch östlich der Bahnlinie auf Höhe der Kokerei gehalten werden. Fallen die Datschen in russische HĂ€nde, so ist der Bahndamm auf der gesamten LĂ€nge der Kokerei unter russischer Kontrolle.
Von der eroberten Stellung am Bahndamm trennen russische Truppen eine weitere Datschensiedlung [11] vom ukrainischen Nachschubweg O0542 sowie ein kleines Gewerbegebiet [12], das unmittelbar sĂŒdlich an die Kokerei anschlieĂt.
Sollte es den russischen StreitkrĂ€ften tatsĂ€chlich gelingen, die NachschubstraĂe fĂŒr die ukrainischen Truppen abzuschneiden, so wĂ€re die Stadt fĂŒr die ukrainischen Verteidiger nicht lĂ€nger zu halten. Es ist die einzig verbliebene befestigte StraĂe in die belagerte Stadt hinein.
Die militÀrische Entwicklung im Ukraine-Krieg (0 Bilder) [13]
Zwar wĂŒrde es auch von Lastochkyne [15] einen Weg in die Stadt geben, allerdings handelt es sich hierbei eher um einen Feldweg, die kleine StraĂe ist nicht befestigt. In der im FrĂŒhjahr beginnenden Schlammperiode Rasputiza [16] ist der Weg nicht befahrbar.
Der ukrainische Nachschub in die belagerte Stadt wĂŒrde gröĂtenteils zu einem Stillstand kommen. Das wĂŒrde unweigerlich das Ende der ukrainischen VerteidigungsbemĂŒhungen darstellen.
Trotz Abwehrerfolge: "Kurz vor dem Zusammenbruch"
Einen weiteren, bedeutenden GelÀndegewinn konnten die StreitkrÀfte Russlands nördlich des Pisochnyy Kar'yer Sees [17] erzielen. Hier gelang es, die ukrainischen Verteidigungstruppen von allen noch gehaltenen Abschnitten nördlich des Sees zu verdrÀngen, das gesamte Nordufer des Sees ist jetzt unter russischer Kontrolle.
Zudem konnten russische Truppen nördlich des Industriegebietes um die Filtrierstation [18] die Autobahn ĂŒberschreiten. Dagegen waren die ukrainischen Verteidiger in der Lage, fast die HĂ€lfte der ehemaligen Luftverteidigungsstellung [19] im SĂŒden der Stadt wieder zurĂŒckzuerobern.
Doch trotz kleiner Abwehrerfolge: Seit Monaten kĂ€mpfen sich russische Truppen Meter fĂŒr Meter in die ukrainische Festung vor.
Juri Butusow, unabhĂ€ngiger Kriegsberichterstatter und Betreiber von Censor.net, einer der meistgelesenen Informationsplattformen in der Ukraine, erklĂ€rte in einem persönlichen Blogeintrag vom 4. Februar, dass die ukrainischen Linien um Awdijiwka kurz vor dem Zusammenbruch stĂŒnden.
Artillerie-Dominanz und Truppen: Vorteile der russischen Armee
Als Grund gibt er eine russische Ăberlegenheit sowohl an Artillerie als auch an Soldaten an. ZusĂ€tzlich sei die russische LuftĂŒberlegenheit vollkommen. Nach wochenlangen Angriffen seien die russischen Truppen schlieĂlich in die ersten Stadtteile eingedrungen, und die stark bedrĂ€ngten ukrainischen Einheiten wĂŒrden aufgrund schwerer Verluste und geringer VerstĂ€rkung immer schwĂ€cher, so Butusow, zitiert nach Kyivpost [20].
Auch der MilitÀrkorrespondent Andriy Tsaplienko des Fernsehsenders 1+1, berichtete am Sonntag in einem Telegrammpost von einer sich rapide verschlechternden Situation in Awdijiwka:
Meinen Quellen in Awdijiwka zufolge ist die Lage in der Stadt heute kritisch geworden. Russische Angreifer, die das trĂŒbe Wetter und die fehlende Möglichkeit einer umfassenden LuftaufklĂ€rung ausnutzten, drangen von Nordosten, von der Seite des Baggersees von Awdijiwka, in die Stadt ein, um es relativ auszudrĂŒcken.
Sie umgingen die ukrainischen MilitÀreinheiten und verschanzten sich in den GebÀuden. Das bedeutet, dass sie nun nur noch wenige hundert Meter von der logistischen Hauptschlagader der ukrainischen Verteidiger entfernt sind.
Andriy Tsaplienko [21]
An anderen Frontabschnitten gelang den russischen KrĂ€ften ebenfalls in den vergangenen Wochen ein EindrĂŒcken der Front: Unter anderem bei Tabaivka in der NĂ€he von Kupjansk konnte mit knapp fĂŒnf Kilometern GelĂ€ndegewinn der gröĂte Erfolg verbucht werden, in Richtung Terny bei Lyman waren es ein Kilometer, in Robotyne und Werbowe bei Saporischschja jeweils 500 Meter.
Möglich sind die russischen Erfolge auch aufgrund der mittlerweile drĂŒckenden Artillerie-Ăberlegenheit der russischen StreitkrĂ€fte. Anders als noch im vorigen Jahr traut sich die MilitĂ€rfĂŒhrung [22] wieder eine Massierung von ArtilleriekrĂ€ften, um ukrainische Befestigungen mit konzentrieren Artilleriefeuer zu bekĂ€mpfen.
Innenpolitischer Konflikt: Kiews FĂŒhrung in Turbulenzen
Innenpolitisch erlebt die Ukraine mit dem Machtkampf zwischen dem nicht mehr durch demokratische Wahlen legitimierten PrÀsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem populÀren Oberbefehlshaber der StreitkrÀfte, Walerie Saluschnyj, eine schwere Krise [23].
Der General genieĂt groĂe Zustimmung und AutoritĂ€t in den StreitkrĂ€ften der Ukraine, Selenskyj will ihn loswerden. Doch nicht nur Saluschnyi soll seines Amtes enthoben werden, der ukrainische PrĂ€sident plant angeblich [24] eine Entmachtung vieler Saluschnyj treuer FĂŒhrungsoffiziere.
Wahlrecht versus Kriegsrecht: Demokratie unter Druck
Erst gestern beschloss der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine, dass es in diesem FrĂŒhjahr keine Wahlen geben wird. Und zwar so lange, bis das Kriegsrecht aufgehoben werde [25]. Damit kann der PrĂ€sident der Ukraine dann ohne Wahlen durchregieren.
"Wahlen können abgehalten werden, wenn das Kriegsrecht aufgehoben wird. Dazu mĂŒssen wir aber gewinnen. Und wir werden sie auf jeden Fall gewinnen", sagte der SekretĂ€r des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Oleksiy Danilov, in einem Kommentar gegenĂŒber dem TV-Sender Channel 24.
In die deutschen Medien schafft es diese Meldung augenscheinlich nicht â trotz der Milliarden deutscher Steuergelder zur "Verteidigung der Demokratie" in der Ukraine?
Demografie: Ukraines unsichere Zukunft
FĂŒr die Ukraine sieht es insgesamt dĂŒster aus, besonders, wenn man sich die demografischen Kennziffern anschaut. Die Geburtenrate in der Ukraine ist dramatisch gesunken. Sie ist die niedrigste der Welt mit einem Durchschnitt von 0,7 Kindern pro Frau im gebĂ€rfĂ€higen Alter. ZusĂ€tzlich ist die Lebenserwartung durch die schweren Verluste an der Front auf nur 57 Jahre gesunken, das ist der fĂŒnftniedrigste Wert weltweit:
"Die mĂ€nnliche Lebenserwartung ist nach SchĂ€tzungen unserer Experten von 66 bis 67 Jahren vor dem Krieg auf 57-58 Jahre gesunken", sagt Ella Libanowa, Direktorin des Instituts fĂŒr Demografie und Sozialstudien an der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine der Londoner Times [26]. Nur der Tschad (54), Nigeria (54), Lesotho (55) und die Zentralafrikanische Republik (55) haben eine niedrigere Lebenserwartung.
Es ist schwer abzuschĂ€tzen, wie lange die Regierung in Kiew noch durchhalten kann. Der nicht mehr durch ein Wahlvotum gestĂŒtzte PrĂ€sident wird sowohl innenpolitisch durch Korruption und machtpolitische RĂ€nkespiele als auch durch anhaltenden militĂ€rischen Misserfolge geschwĂ€cht.
Selbst wenn die von den USA angefĂŒhrten westlichen UnterstĂŒtzer der Ukraine jetzt noch ihre Arsenale durchgehen und neuerlich Waffen in die Ukraine liefern, die einen schweren Stand im Krieg hat: Die demografische Lage ist dermaĂen katastrophal, die MobilisierungsbemĂŒhungen derart verzweifelt, dass ein Sieg oder auch nur ein militĂ€risches Patt in weite Ferne gerĂŒckt ist.
Das Absinken der Lebenserwartung auf den Wert eines Hungerstaates zeigt die immensen Verluste, die das ukrainische MilitÀr erleiden musste.
FĂŒr Verhandlungen scheint die Zeit bereits abgelaufen. Auch wenn verschiedentlich darĂŒber berichtet wird, dass Russland verhandlungsbereit sei â Moskau wird sich wahrscheinlich mit nicht weniger als einer bedingungslosen Kapitulation der Ukraine zufriedengeben. Zu groĂ wĂ€re aus der Sicht Russlands ansonsten die Gefahr einer neuerlichen Einmischung der USA in die ehemalige Sowjet-Teilrepublik Ukraine.
Die hier zusammengestellten Informationen speisen sich aus folgenden OSINT-Quellen: Weeb Union, Military Summary Channel, Suriyakmap, Deepstatemap, Remilind23, HistoryLegends, simplicius76, Militaryland, Red Fish Bubble 2.1 (geschlossene Gruppe).
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[1] https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Russischer-Durchbruch-in-Awdijiwka-Verteidigung-vor-dem-Kollaps-9605416.html
[2] https://t.me/Suriyak_maps/2129
[3] https://maps.app.goo.gl/mom2Qyp7FsY6KGw86
[4] https://maps.app.goo.gl/GFMJkmB7Y812NraZ6
[5] https://maps.app.goo.gl/VLstpy7wQ2UMPEwb6
[6] https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer?mid=1Iq3OLZYhIJ3WN5Lrn8jlkCjpY8Cd9uY&ll=48.16924253277149%2C37.73113014980515&z=14&entry=yt
[7] https://maps.app.goo.gl/LxTcaAdLVw47aYYp7
[8] https://maps.app.goo.gl/qEQfvfjXkFi7ypNdA
[9] https://t.me/DeepStateUA/18781
[10] https://maps.app.goo.gl/m7Ui9tfEA41LzBoH6
[11] https://maps.app.goo.gl/bd99iqMhu95GhBP49
[12] https://maps.app.goo.gl/aGkBDdQJAV8mY2sc8
[13] https://www.heise.de/bilderstrecke/3533042.html?back=9620389;back=9620389
[14] https://www.heise.de/bilderstrecke/3533042.html?back=9620389;back=9620389
[15] https://maps.app.goo.gl/nS6aVt5nyLRR9j1G8
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Rasputiza
[17] https://maps.app.goo.gl/Vy2nmyFiPLg2eryc6
[18] https://maps.app.goo.gl/1LmLsWr748VHRdtr6
[19] https://maps.app.goo.gl/o8brHivAJaVWFb299
[20] https://www.kyivpost.com/post/27639
[21] https://t.me/Tsaplienko/47758
[22] https://www.forbes.com/sites/davidaxe/2024/02/02/russian-artillery-gunners-are-getting-cocky-as-ukraine-runs-out-of-ammo-russian-guns-gather-for-devastating-salvos/?utm_source=substack&utm_medium=email&sh=4ed0c6c46eb3
[23] https://meduza.io/en/news/2024/02/05/zelensky-confirms-considering-afu-commander-in-chief-valerii-zaluzhnyi-s-dismissal
[24] https://simplicius76.substack.com/p/avdeevka-defenses-continue-to-crumble?utm_source=post-email-title&publication_id=1351274&post_id=141410288&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=2bfzkl&utm_medium=email
[25] https://patrioty.org.ua/politic/nam-treba-peremoha-danilov-vidpoviv-koly-v-ukraini-mozhna-bude-provesty-vybory-501878.htm
[26] https://www.thetimes.co.uk/article/ukraines-birth-rates-are-plummeting-the-next-generation-needs-a-plan-jhf3lf0km
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