Ukraine im Kriegs-Taumel: Selenskyj scheitert mit Entlassung von Oberbefehlshaber Saluschnyj

Seite 2: Distanzierungen in den USA

Zeitgleich verliert der ukrainische Präsident auf der internationalen Bühne seine Überzeugungskraft, je länger der Krieg sich hinzieht und die Erfolge ausbleiben, während die Zeit gegen die ukrainischen Truppen läuft. Vor allem, was die Rekrutierung von neuen Soldaten betrifft.

In der US-Presse hat man längst die Sichtweise Saluschnyjs übernommen, dass sich der Krieg in einem Patt befindet, während die Sorgen zunehmend geäußert werden, ob die Ukraine überhaupt die Fähigkeit besitzt, das Ruder in der Zukunft herumreißen zu können.

Das drückt sich dann auch aus in realer Unterstützung, bzw. im Ausbleiben derselben. So sind die wichtigen US-Hilfen für die Ukraine ausgelaufen. Biden versucht bereits seit Oktober letzten Jahres neue Gelder in Höhe von rund 60 Milliarden Dollar im US-Kongress genehmigt zu bekommen, aber das ist bisher nicht gelungen.

Zwei leitende Vertreter der Biden-Regierung sagten letzte Woche im Kongress, dass Russland den Krieg in absehbarer Zeit gewinnen könnte, wenn die Hilfen nicht freigegeben würden.

Der 10-Punkte-Friedensplan des Präsidenten

Beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos warb Selenskyj erneut eindringlich für seinen 10-Punkt-Friedensplan. Darin wird u.a. der Rückzug der russischen Truppen, Reparationen, ein Tribunal gegen russische Kriegsverbrecher und die Sicherung der ukrainischen Souveränität in den Grenzen vor 2014 gefordert.

Aber es wird immer mehr angezweifelt, dass die Ukraine, selbst mit weiterer westlicher Hilfe, eine realistische Chance besitzt, Russland zu schlagen und einen Frieden nach ukrainischen Bedingungen aufzuzwingen – ohne irgendwelche Kompromisse an Moskau.

Selenskyj wirkt zudem mit seinen Forderungen auf der Weltbühne, jenseits westlichen Beifallsklatschens, mehr und mehr vereinsamt. Er weiß, dass die Ukraine auch die Länder des Globalen Südens braucht, um Russland zu isolieren und voranzukommen. Doch China zeigte ihm in Davos die kalte Schulter und lehnte nach einem Bericht von Politico jedes Treffen mit ihm ab.

Selenskyj zunehmend geschwächt

Und nun auch noch der interne Machtkampf, der Selenskyj weiter schwächt.

In der Ukraine kursieren schon seit einiger Zeit Gerüchte, dass Saluschnyj Selenskyj sogar als Präsident herausfordern könnte – wenn es denn zu Wahlen in Kriegszeiten kommen würde. Der Amtsinhaber hatte seine Generäle aber bereits vorsorglich im November gewarnt, dass es ein "großer Fehler" sei, in die Politik einzusteigen.

Umfragen, die der Zeitung Kyiv Independent im Dezember zugespielt wurden, zeigen, dass Saluschnyj bei einer Stichwahl nur knapp, mit zwei Prozentpunkten Abstand, hinter Selenskyj liegen würde.

Es sieht so aus, als ob es für den ukrainischen Präsidenten und die Ukraine insgesamt, neben den Kämpfen und den vielfältigen Zerstörungen auf dem Schlachtfeld, ein unruhiges Jahr werden wird.