Umfrage: Mehrheit der Deutschen für Überwachung der AfD
57 Prozent der Befragten sind dafür, dass die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Innenminister Seehofer ist anderer Auffassung
"Erfahre, was Deutschland denkt", heißt das Versprechen auf der Webseite des Meinungsforschungsinstituts Civey. Das wollten zuletzt auch Leitartikel in Le Monde und eine ganze Serie von Artikeln der New York Times (What Does It Mean to Be German? aufgrund der Ereignisse in Chemnitz wissen.
Für beide ausländische Publikationen zeigt sich in Chemnitz, wie stark die Rechtsaußen- Kräfte in Deutschland geworden sind. In der Le Monde wird das gleich unter der Überschrift mit der AfD in Verbindung gebracht: "Die Schubkraft der Partei AfD destabilisiert die demokratischen Institutionen, indem sie dazu aufruft, dass die Stärke das Recht übertrumpft."
Die Mobilisierer sind ohne Gegner?
Im Kommentartext, der keinen Autor nennt, sondern für die ganze Zeitung sprechen soll - "Editorial du «Monde»" - heißt es dazu, dass es keine politische Figur in Deutschland zu geben scheint, die das Format habe, sich gegen die AfD durchzusetzen - wörtlich: "aucune figure ne semble aujourd’hui en mesure de s’imposer".
Dem voran geht die Kurzcharakterisierung, die bereits in der Überschrift angedeutet wurde: Ein Erfolgsschub hat demnach die Partei in den Bundestag gebracht. Dessen ungeachtet würde die Partei aber nicht zögern, demokratische Institutionen zu destabilisieren, indem sie dazu aufruft, dass die Leute auf die Straßen gehen, "damit die Stärke über das Recht triumphiert". Es finde sich niemand, der dem Paroli bieten könne, so die Beobachtung aus Paris. Merkel würde das Gegenteil bewirken.
Dennoch, so die Aufforderung der französischen Zeitung, müsse die deutsche Regierung nun schnell reagieren, um zu zeigen, wer das Heft in der Hand habe. Aber wie?
Umfrage: Im Westen sind zwei Drittel für die Überwachung
Geht es nach dem oben genannten Meinungsforschungsinstitut, so hat es im Auftrag von Medien der Funke-Gruppe ermittelt, dass die Mehrheit von repräsentativ ausgewählten Deutschen der Meinung ist, dass die AfD unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestellt werden sollte.
Mehr als 57 Prozent der Befragten sind demnach dafür, wie die Tagesschau berichtet. 42,7 Prozent gaben an, dass die AfD "auf jeden Fall" vom Verfassungsschutzes überwacht werden soll. 14,5 Prozent waren für das verhaltenere "eher ja".
Mit insgesamt 36 Prozent sprach sich etwas mehr als ein Drittel gegen eine Überwachung aus, 23,7 mit "auf keinen Fall". Sieben Prozent waren unentschieden. Es gab Unterschiede zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen. Im Osten war nur eine, wenn auch knappe Minderheit - 48 Prozent - für eine Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Im Westen waren zwei Drittel dafür (66 Prozent).
Innenminister Seehofer äußerte sich dagegen. Er sehe "derzeit keinen Grund für eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz". Man müsse zwar bei bestimmten Äußerungen Einzelner genau hinschauen, ob es sich um eine Parteilinie handle, was der Verfassungsschutz auch tue, aber Voraussetzungen für eine Beobachtung der Partei "als Ganzes" lägen für ihn derzeit nicht vor.
Grünes Vertrauen in den Verfassungsschutz
Laut Medienberichten kam vom CDU-Innenexperten Armin Schuster die Aufforderung, dass Verfassungsschutzbehörden der Länder die AfD genauer unter die Lupe nehmen. Die AfD werde "immer mehr ein Fall für den Verfassungsschutz".
Auch Cem Özdemir von den Grünen, die sich immer deutlicher als Gegenkraft zur AfD positionieren, ist für eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Die AfD bewerbe sich geradezu darum, wird er zitiert. Zudem ist er neugierig, auf "zuverlässige Informationen darüber, welche Netzwerke die Partei pflegt und wie sie sich finanziert".
Ob man vom Verfassungsschutz verlässliche Informationen bekommt, ist allerdings die andere große Frage. Bislang ist dessen Arbeit eher Anlass zu allergrößter Skepsis, wie sich zuletzt im NSU-Verfahren gezeigt hat. Wer auf die Hilfe dieses Verfassungsschutzes angewiesen ist, bestätigt somit eher, was Le Monde aus der Ferne diagnostiziert: Dass es Deutschland an politischen Gegnern der AfD mit Format fehlt.