Umpolung im nächsten Jahrtausend
Magnetische Polarität der Erde destabilisiert sich drastisch
Gauthier Hulot, Céline Eymin, Benoit Langlais und Mioara Mandea vom Institut de Physique du Globe de Paris sowie Nils Olson vom Danish Space Research Center in Kopenhagen haben Daten der NASA-Mission MAGSAT von 1979/80 und der aktuellen dänischen Satelliten-Mission ØRSTED analysiert, um Variationen im magnetischen Feld der Erde im Verlauf der letzten 20 Jahre festzustellen. Ihre Ergebnisse, vorgestellt in Nature, zeigen, dass sich die Polarität des Magnetfelds unseres Planeten zunehmend verändert hat und dass wahrscheinlich eine Umpolung im nächsten Jahrtausend bevor steht.
Der Erdmagnetismus, bzw. das Magnetfeld der Erde, beschäftigen die Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten. Erst kürzlich wurden die Analysen der Satelliten-Daten über das magnetischen Feldes des Jupiters veröffentlicht, die Rückschlüsse auf die Erde zulassen (Vgl. Rendezvous am Jupiter).
Die Funktionsweise des Geodynamos der Erde wird bisher nicht vollständig verstanden. Die Geowissenschaftler gehen davon aus, dass das Erdinnere wie ein überdimensionaler natürlicher Generator funktioniert, das heißt der flüssige metallische Kern und die Erddrehung sorgen durch mechanische Energie für die Erzeugung des Magnetfeldes. Die elektrische Leitfähigkeit des geschmolzenen Eisens im Erdinnern ist hoch. Magnetische Felder entstehen durch elektrische Ströme und die elektrischen Ströme sind von magnetischen Feldern umgeben. Das vom Erddynamo erzeugte Magnetfeld ist in sich nicht gleichförmig und nicht stabil. Das Hauptfeld besteht aus einem symmetrischen Teil, dem Dipolfeld, dazu kommen in weit geringerem Umfang, sozusagen als Inseln, unsymmetrische Anteile, die von entsprechenden Stromsystemen herrühren. Das Erdmagnetfeld ist heute nach Süden ausgerichtet, die Kompassnadel zeigt demnach nach Norden.
Die Funktion des irdischen Magnetfelds ist die eines Schutzschirms. Energiereiche kosmische Strahlung wird abgelenkt und dadurch daran gehindert, auf die Erdoberfläche zu prallen.
Die neue, sehr präzise Auswertung der Daten von MAGSAT und ØRSTED beweist, dass gewisse Gebiete der Erde einen umgekehrten magnetischen Fluss aufweisen und dass die Instabilität des Feldes insgesamt zugenommen hat. Eine große und wachsende Zone der umgekehrten Polarität liegt unterhalb der Südspitze Afrikas, dort ist das Magnetfeld auf den Erdmittelpunkt ausgerichtet. Auch in der Nähe des Nordpols entdeckte die Forschergruppe eine Konzentration von Gebieten mit umgepoltem Magnetfeld. Die Größenzunahme der Zonen magnetischer Flussumkehrung und ihre Wanderung zu den Polen könnten die in den letzten 150 Jahren beobachtete Schwankung in der Stärke des Dipolfelds fast vollständig erklären. Die Ergebnisse des Teams um Hulot weisen auf eine weitere Zunahme der Instabilität hin und unterstützen erneut die Prognose, dass unser Planet sich auf dem Weg zu einer Umpolung befindet.
In seinem begleitenden News and Views-Artikel in der gleichen Ausgabe von Nature stellt Peter Olson von der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland fest, dass die neuen Erkenntnisse weitgehend die herkömmliche Dynamo-Theorie bestätigen. Wenn die Rate des künftigen Zerfalls der Polarität im Magnetfeld derjenigen der letzten 150 Jahre entspricht, könnte eine Umpolung bereits zu Anfang des nächsten Jahrtausends passieren. Wichtig bleiben weitere Forschungen, speziell der Abgleich der Ergebnisse diverser Untersuchungen zum Magnetfeld der Erde. Olson meint dazu:
Durch die Vernetzung der Messdaten von Satellitenflügen mit paläomagnetischen Feldmessungen in Lava- und Sedimentgestein könnten wir unser Bild vom Geodynamo bis zu Tausenden, sogar Millionen von Jahren in die Vergangenheit erweitern.
Ende vergangenen Jahres konnte ein niederländisches paläomagnetisches Projekt durch die Analyse der Eisenteilchen in Sedimenten nachweisen, dass sich das elektromagnetische Feld der Erde tatsächlich vor 10 Millionen Jahren umgekehrt hat (Vgl. Umpolung des Erdmagnetfelds nachgewiesen).
Die vom speziell dafür ausgelegten deutschen Satelliten CHAMP (CHAllenging Minisatellite Payload), gesammelten Werte zeigten ebenfalls die Abschwächung der klassischen Polarität. Die Struktur wird immer unordentlicher, zunächst werden vermutlich in der Zukunft verschiedene Pole entstehen, bevor dann die komplette Feldumkehr einsetzt, durch die der Südpol magnetisch zum Nordpol wird. Für den Menschen ist dieser Vorgang voraussichtlich nicht lebensbedrohlich. Probleme bekommen wahrscheinlich Tiere, die sich in ihrer Orientierung nach dem Magnetfeld ausrichten. Die Lufthülle der Erde bietet den Lebewesen einen Schutz gegen kosmische Teilchen, die dann verstärkt auf die Atmosphäre einprasseln würden. Die Forscher gehen für diese Epoche davon aus, dass es bei Flugreisen eine höhere Gesundheitsbelastung geben wird und zudem Störungen in der Kommunikation via Satelliten (Vgl. "Planet Erde: Gefährliche Polwanderung" in GEO).
Der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist das Thema ein Schwerpunktprogramm wert. Seit dem Jahr 2000 läuft "Erdmagnetische Variationen: Raumzeitliche Struktur, Prozesse und Wirkungen auf das System Erde". Dabei soll in diesem Schwerpunkt die Forschung vernetzt und zusammenführt werden: "Ziel des Programmes ist es, ein umfassenderes Verständnis der raum-zeitlichen Struktur erdmagnetischer Variationen insbesondere während der Umpolung des Erdmagnetfeldes zu entwickeln, zu erdmagnetischen Variationen Anlass gebende geodynamische Prozesse zu identifizieren, geodynamische Prozesse zwecks Interpretation der Beobachtungen raum-zeitlicher Strukturen numerisch zu modellieren und mögliche Auswirkungen auf das System Erde zu untersuchen." (Mehr dazu auf der Homepage Erdmagnetische Variationen)