Umsatzsteuer und Sales Tax: Wenn Europa und Amerika anders rechnen
Europa und die USA gehen bei Besteuerung von Waren getrennte Wege. Während die EU auf Mehrwertsteuer setzt, gilt in den USA die Sales Tax. Doch ein System ist deutlich transparenter.
Die Begriffe Umsatz- und Mehrwertsteuer werden von den meisten Verbrauchern in Deutschland synonym genutzt, sind jedoch nicht identisch, weil es nur für die Umsatzsteuer eine gesetzliche Grundlage gibt. Aus Unternehmersicht und per Gesetz gibt es nur die Umsatz- und die Vorsteuer. Mehrwertsteuer ist eine deutsche Übertragung des englischen Begriffs VAT für Value Added Tax.
Vor etwas mehr als 100 Jahren trat in Deutschland das erste Umsatzsteuergesetz in Kraft. Es folgte dem 1916 etablierten Reichsstempelsteuergesetz auf Warenlieferungen. Damals wurde eine sogenannte Stempelsteuer von 0,1 Prozent erhoben.
Noch vor Ende des Kriegs kam es dann im August 1918 zur Einführung des Umsatzsteuergesetzes (UStG), der ersten allgemeinen Besteuerung von Umsätzen, sowohl im Waren- als auch im Dienstleistungsverkehr.
Damit war dieses Gesetz ein Vorläufer der in der Reichsabgabenordnung von 1919 gipfelnden Neuordnung des Steuerrechts im Deutschen Reich auf dem Weg zu einer weitgehend einheitlichen Besteuerung im gesamten Staatsgebiet.
Die Umsatzsteuer war damals eingeführt worden, um den nicht zuletzt infolge des Ersten Weltkriegs ständig steigenden Finanzbedarf des Deutschen Reichs zu befriedigen. Sie wurde als Allphasen-Bruttoumsatzsteuer erhoben und hatte in dieser Form nahezu 50 Jahre Bestand.
Der anfängliche Steuersatz von 0,5 Prozent reichte bald nicht mehr zur Bedarfsdeckung aus. Nach mehreren Steigerungen, zuletzt im Jahr 1951, betrug der Steuersatz vier Prozent. Allerdings wurden damals, in Ermangelung der Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs, auch Steuern auf Steuern erhoben. Damit stieg die Steuerlast mit jeder Handelsstufe.
Da bei der Allphasen-Bruttoumsatzsteuer die Umsatzsteuer auf alle Phasen der Wertschöpfungskette erhoben wird und die Umsatzsteuer, die in dem von einem Unternehmer an seinen Lieferanten gezahlten Preis bereits enthalten ist, dann als Teil der Bemessungsgrundlage für die von ihm selbst abzuführende Umsatzsteuer behandelt wird, führt dies zur Kumulation der in der Wertschöpfungskette anfallenden Umsatzsteuer, sodass sich bei langen Lieferketten erheblich höhere Steuerbelastungen ergeben.
In der Folge entwickelte sich die Tendenz, mehrere Wirtschaftsstufen in einem Unternehmen zu vereinigen. Dies führte zu Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der als Konzern organisierten Unternehmen. Mit dem Inkrafttreten der Reform vom 1. Januar 1968 erfolgte die Umstellung auf eine Allphasen-Nettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Seit diesem Zeitpunkt muss die Umsatzsteuer auf jeder Rechnung separat ausgewiesen werden.
Heute macht die Umsatzsteuer mit etwa 30 Prozent einen erheblichen Teil des bundesdeutschen Steueraufkommens aus und ist ein wichtiges Instrument des Finanzausgleichs innerhalb des föderalen Systems. Das System der Umsatzsteuererhebung ist seit 1968 in seinen wesentlichen Punkten unverändert, wird jedoch in zunehmendem Maße europarechtlich geprägt.
Umsatzsteuer in den EU-Mitgliedsstaaten
Die Umsatzsteuersätze innerhalb der EU unterscheiden sich. Identisch ist nur die Zuordnung zu den Warengruppen, für welche der volle oder der reduzierte Steuersatz zur Anwendung kommt.
Der Regelsatz reicht von 17 Prozent in Luxemburg bis 27 Prozent in Ungarn.
Durch den Wegfall der Binnengrenzen der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) zum 1. Januar 1993 entfielen die Grenzkontrollen im Binnenmarkt. Eine Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer wie in der Vergangenheit war somit mangels Grenzkontrollen nicht mehr möglich.
Deswegen wurde als Ausgleich zur Sicherung des Steueraufkommens das Umsatzsteuer-Kontrollverfahren entwickelt. Dieses beruht auf dem Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten.
Um Unternehmen eindeutig identifizieren zu können, wurde die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) eingeführt. Die Überprüfung der USt-IdNr. ist auf elektronischem Wege möglich.
Einfuhrumsatzsteuer fällt in der EU aufgrund der Struktur des europäischen Binnenmarktes nur noch bei Einfuhren aus Drittländern wie der Schweiz, UK und den USA an und wird gerade in den USA oft als prohibitiver Einfuhrzoll verstanden. Würde man jedoch auf die Einfuhrumsatzsteuer verzichten, wären Direktimporte von außerhalb der EU steuerbegünstigt, was sehr schnell zu Kreislaufgeschäften über umsatzsteuerbefreite Exporte und anschließende Re-Importe führen würde.
Die Zölle werden im Gegensatz zu den Einfuhrumsatzsteuern für Importe aus Drittländern für alle Importe aus Drittländern in einheitlicher Höhe erhoben und an die EU-Verwaltung in Brüssel abgeführt.
Die Sales Tax ist eine Steuer der Einzelstaaten in den USA
Die USA verfügen über kein Mehrwertsteuersystem, wie es in Europa üblich ist. Stattdessen muss der Kunde in den USA eine als Sales Tax oder Consumption Tax bezeichnete Verkaufssteuer bezahlen. Der Kunde muss am Point of Purchase regional unterschiedlich viel, meist als Retail Sales Tax auf Waren und meist auch auf Dienstleistungen bezahlen.
Preise sind in den USA in Geschäften anders als in Europa grundsätzlich ohne Sales Tax ausgewiesen. Erst an der Kasse werden die Waren dann automatisch mit der Sales Tax belegt. Daher erscheinen die US-Preise bei internationalen Preisvergleichen niedriger zu sein.
Anders als in Deutschland wird die Umsatzsteuer in den USA nicht auf Bundesebene erhoben, sondern auf Ebene der Bundesstaaten und der Kommunen, die dort die Nutznießer dieser Steuer sind. Daher gibt es auch keinen einheitlichen Umsatzsteuersatz in den USA. Dieser variiert von Bundesstaat zu Bundesstaat und innerhalb eines Bundesstaats auch von Stadt zu Stadt.
Und die Bundesstaaten Alaska, Delaware, Montana, New Hampshire und Oregon erheben gar keine Sales Tax. Einen Überblick über die Sales Tax in den US-Bundesstaaten liefert die Tax Foundation.