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Umweltrat fordert zügige Verkehrswende

Screenshot von einem Video über die Aktionen heute.

Die Energie- und Klimawochenschau: Rodungsarbeiten und Proteste im Hambacher Wald, eine Quote für Elektroautos und der sich selbst verstärkende Klimawandel

Am Montagmorgen hat RWE unter Protesten von Umweltschützern seine diesjährige Rodungssaison im Hambacher Wald begonnen. Die Polizei setzte dabei auch Pfefferspray gegen friedliche Demonstrierende ein, wie dieses Video [1] zeigt.

Aus Versehen wurde ein falscher Text an dieser Stelle veröffentlicht und durch den aktuellen ersetzt.

Bis Dienstagmorgen waren die Holzfäller noch nicht in den Teil des Waldes vorgedrungen, in denen Waldbesetzer in Baumhäusern wohnen, allerdings ist die Polizei mit Räumfahrzeugen vor Ort. Die Bewohner der Baumhäuser vermuten, dass RWE diesen - den ältesten - Teil des Waldes noch in dieser Rodungssaison bis Ende Februar vernichten wird. Damit blieben nur noch unzusammenhängende und ökologisch weniger wertvolle Teile des Waldes übrig.

Ohnehin mussten schon über 90 % des ökologisch wertvollen Eichen-Hainbuchen-Mischwalds dem Tagebau Hambach weichen. Der Wald befindet sich im Besitz des Energiekonzerns RWE, der an dieser Stelle seinen bestehenden Braunkohletagebau Hambach ausweiten möchte und dafür auch bis Ende 2020 eine Genehmigung hat.

Erst am Freitag hatte das Verwaltungsgericht Köln eine Klage des BUND Nordrhein-Westfalen gegen die Fortführung des Tagebaus Hambach abgewiesen. Der Tagebau widerspreche sowohl den Klimazielen des Bundes als auch des Landes Nordrhein-Westfalen, so die Position der Umweltschützer. Das Gericht hatte zunächst einen Vergleich angeboten, wonach RWE zwar den Tagebau hätte fortführen dürfen, aber zunächst keinen weiteren Wald roden. Doch das Energieunternehmen lehnte ab und die Landesregierung stellte sich auf seine Seite.

RWE wollte möglichst schnell vollendete Tatsachen schaffen, denn der BUND hatte die Berufung beantragt und war auch erst einmal erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat heute einen Rodungsstopp im Hambacher Wald verfügt. Das Gericht hat das Land NRW im Wege einer Zwischenentscheidung verpflichtet sicherzustellen, dass RWE die Fällarbeiten ab heute, 18.00 Uhr, einstellt.

Nicht nur unter Klimaschutzaspekten würde der Wald eine wichtige Rolle spielen, wie der Waldpädagoge Michael Zobel gegenüber dem WDR erläutert [2] Beim Hambacher Wald handelt es sich um den letzten Rest eines besonderen, nach der letzten Eiszeit entstandenen Ökosystems, in dem bis zu 300 Jahre alte Bäume und über 140 geschützte Tierarten beheimatet sind.

Eine überraschend positive Nachricht gibt es derweil aus dem Braunkohleland Brandenburg. Ausgerechnet die Stadt Cottbus will in naher Zukunft Strom und Wärme aus Gas und nicht mehr aus Braunkohle beziehen. Das bestehende Heizkraftwerk soll bis 2021 durch mehrere gasbefeuerte Blockheizkraftwerke ersetzt werden, Fernwärme aus dem Kohlekraftwerk Jänschwalde solle noch voraussichtlich bis 2025 bezogen werden, berichtet [3] der Lausitzer-Kohle Rundbrief.ö Der Kohleausstieg wird unter anderem mit der Unwirtschaftlichkeit und einer fehlenden Skalierbarkeit der Anlagen begründet.

Verkehr reduzieren und elektrifizieren

Darüber, dass es im deutschen Verkehrssektor nicht gelingt, Emissionen zu senken, berichten wir an dieser Stelle seit Jahren. Nun hat sich der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) mit einem neuen Sondergutachten [4] dem Thema Klimaschutz im Verkehr angenommen.

Nach dem Thema Kohleausstieg ist dies der zweite Bereich, in dem das Beratungsgremium von der Bundesregierung ernsthafte Schritte zum Klimaschutz fordert. Der Verkehrssektor ist für rund ein Fünftel der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Sein CO2-Ausstoß befindet sich heute wieder auf dem Niveau von 1990. Bis 2050 sollte der Verkehr in Deutschland treibhausgasneutral werden, fordert der Umweltrat.

Bild [5]: RettungsgasseJETZTde/CC0 [6]

SRU-Mitglied Claudia Kemfert stellte dazu in Berlin eine Kaskade von Ansatzpunkten zur Dekarbonisierung dar, angefangen bei der Verringerung der Verkehrsleistung insgesamt über eine Verlagerung des Verkehrs, bis hin zum Einsatz regenerativer Kraftstoffe oder Energiequellen. Um letzteres zu erreichen, empfiehlt der Umweltrat eine Quote für Elektroautos. Bis 2025 sollten mindestens 25 % der neu zugelassenen Fahrzeuge elektrisch betrieben sein. Gleichzeitig müsste der Ausbau der Ladeinfrastruktur stärker gefördert werden. "Die Elektromobilität ist hocheffizient und marktreif. Wir müssen jetzt zügig umsteigen", erklärte Kemfert.

Der SRU favorisiert Elektroantriebe vor anderen nicht-fossilen Antriebsarten, da es weniger Umwandlungsverluste gibt als beispielsweise bei Power-to-X. Flüssige Kraftstoffe, bei deren Produktion oftmals Flächenkonkurrenzen entstünden, sollten vor allem Luft- und Seeverkehr vorbehalten werden. Für den LKW-Fernverkehr könnten Autobahnen mit Oberleitungen ausgestattet werden. Neben der Quote für E-Autos empfiehlt der SRU weitere verkehrspolitische Maßnahmen wie die Abschaffung des Dieselprivilegs noch in dieser Legislaturperiode. Es sollten eine streckenabhängige Maut sowie ein verbindliches Tempolimit von 130 km/h eingeführt werden. Auf EU-Ebene müssten anspruchsvollere Flottengrenzwerte auf EU-Ebene durchgesetzt werden. Um eine Vergleichbarkeit unterschiedlicher Antriebe zu erzielen, sollten die Grenzwerte nicht die CO2-Emissionen, sondern den Endenergieverbrauch abbilden.

Der SRU wiederholt auch seine Kritik am Bundesverkehrswegeplan, der elf von zwölf Umweltzielen verfehlt und sich zu stark an der Nachfrageseite orientiert. Stattdessen sollte der Plan zu einer "integrierten Bundesmobilitätsplanung" weiter entwickelt werden. Die Umweltprobleme des Straßenverkehrs scheinen dabei mindestens so alt zu sein wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen selbst. 1972 gegründet legte das Gremium 1973 als erstes das Gutachten "Auto und Umwelt" vor. Die SRU-Vorsitzende Claudia Hornberg erklärt, dass viele der damals benannten Probleme weiterhin bestünden, mit dem wesentlichen Unterschied, dass 1973 15 Millionen PKW zugelassen waren und 2017 45 Millionen.

Bei der geforderten Umstellung auf Elektromobilität will der Umweltrat auch mögliche Umweltfolgen aus der Herstellung batterieelektrischer Fahrzeuge beachtet sehen. Neben den Hauptkomponenten wie Stahl und Kupfer werden in Elektroautos weit mehr Elemente verbaut, darunter Lithium, Kobalt und Seltene Erden. Der Abbau von Rohstoffen gehe mit Emissionen, Flächenverbrauch, Rodungen von Wäldern und Gesundheitsfolgen einher, so Vera Susanne Rotter vom SRU. Umwelt- und Sozialstandards bei der Rohstoffgewinnung müssten beachtet werden, wobei etwa an freiwillige Initiativen und an bilaterale Rohstoffpartnerschaften angeknüpft werden könne. Langfristig müsste eine Kreislaufwirtschaft für Elektroautos und die zugehörige Infrastruktur aufgebaut werden, Produkte sollten einen Kreislaufpass erhalten.

Teufelskreis der Treibhausgase

Neben Kohlendioxid verursacht das hochpotente Treibhausgas Methan zunehmend Probleme. Methanemissionen entstehen beispielsweise in der Tierhaltung. Eine weitere Ursache für die Freisetzung von Methan ist fataler Weise die globale Erwärmung, die sich dadurch selbst verstärkt.

Permafrostboden: Erdodierende Kliff auf der Herschel Insel. Bild: Boris Radosavljevic, Alfred-Wegener-Institut

Ein internationales Forscherteam hat gezeigt [7], dass bei höheren Temperaturen erhebliche Mengen von Methan aus Gewässern austreten. Gemessen wurde zum einen weltweit an Seen und Teichen, zum anderen wurde in Tanks im Labor ein Temperaturanstieg um bis zu 4 Grad Celsius simuliert. Ein Temperaturanstieg um ein Grad Celsius lässt demnach 6 bis 20 % mehr Methan austreten, bei vier Grad Celsius sind es schon 51%.

Ursache für die Freisetzung des Gases ist, dass die Aktivität von Mikroben in den Sedimenten bei höheren Temperaturen zunimmt. "Jede Tonne Treibhausgas, die wir freisetzen, befördert also zusätzliche Emissionen aus natürlichen Quellen", so die Studienleiterin Sarian Kosten.

Eine weitere Methanquelle der Zukunft könnten auftauende Permafrostböden sein. Nach dem Auftauen würden in den Böden erhaltene Pflanzenreste zersetzt, wodurch Methan entsteht. Zwar ist dieser Vorgang insgesamt bekannt, genauer modellieren lässt er sich bislang aber nicht. Das Auftauen der Arktis und die Folgen will nun das europäische Forschungsprojekt Nunatariyuk genauer unter die Lupe nehmen.

Der Prozess verläuft uneinheitlich, da beispielsweise Küsten abbrechen oder organisches Material mit den Flüssen ins Meer gespült wird. Hinzu kommen gefrorene Böden unterhalb des Meeres, die ebenfalls auftauen könnten. Wissenschaftler des Geoforschungszentrums Potsdam, das an dem Projekt beteiligt ist, wollen [8] künftig über den arktischen Küsten Kohlendioxid und Methan in der Luft messen.

Es geht aber nicht nur darum, den Prozess des Auftauens und die damit verbundenen Kohlenstoffflüsse besser modellieren zu können, sondern auch darum, besser einzuschätzen, welche Risiken auf die Bewohner dieser Regionen zukommen und Lösungsstrategien zu entwickeln.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3903275

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=21nFw3s1uLU
[2] https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/hambacher-forst-historie-100.html
[3] https://antikohleblog.com/2017/11/22/lausitzer-kohle-rundbrief-brandenburger-jusos-fuer-kohleausstieg-bis-2035-cottbus-steigt-aus-braunkohle-aus/
[4] https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/02_Sondergutachten/2016_2020/2017_11_SG_Klimaschutz_im_Verkehrssektor.html?nn=9724682
[5] https://pixabay.com/de/autobahn-stau-stra%C3%9Fe-fahrbahn-1929866/
[6] https://pixabay.com/de/service/terms/#usage
[7] http://www.igb-berlin.de/news/klimawandel-verstaerkt-methanfreisetzung-aus-gewaessern
[8] https://idw-online.de/de/news685101