Universität Freiburg: Bahnbrechende Erkenntnisse über Ameisenintelligenz
Bild: Aleksander Polanowski /Pixabay
Ameisen gelten gemeinhin als simple Insekten. Forscher haben jetzt Erstaunliches entdeckt: Die Tiere können lernen. Aber wie klug sind sie wirklich?
Dass Ameisen nicht nur lästige, unerwünschte Bewohner der heimischen Wohnung sein können, zeigt der Berliner Antstore wo stets etwa 25.000 Kolonien zum Versand an Ameisenfreunde bereitstehen. Aber auch in der freien Natur sind Ameisen bestens dafür ausgerüstet, sich zu verbreiten und fortzupflanzen.
Tausende von geflügelten Ameisen kriechen im Sommer aus ihren Nestern unter dem Erdboden und starten ihren Hochzeitsflug. Die jungen Königinnen und die Drohnen fliegen dann aus, um sich zu paaren. Für die Drohnen ist ihre Lebensaufgabe damit beendet. Sie sterben nach der Paarung. Die junge Königin wirft nach der Paarung ihre Flügel ab und sucht sich ein Versteck am Boden.
Die in ihrem Verhalten noch weitgehend unbekannten Tiere scheinen auch ein faszinierendes Forschungsobjekt zu sein. Forscher aus der Abteilung für Evolutionsbiologie und Ökologie an der Universität Freiburg um Volker Nehring und Mélanie Bey beschäftigen sich seit geraumer Zeit schwerpunktmäßig mit Ameisen bei denen sich einzelne Individuen massiv im Verhalten und als Folge dessen auch in ihrer Lebensdauer unterscheiden.
Diese Arbeitsteilung erlaubt den Individuen eine präzise Spezialisierung auf bestimmte Aufgaben. Dies steigert dann die Effizienz der ganzen Kolonie.
Volker Nehring schätzt Insekten grundsätzlich anders ein, als dies einer landläufigen Vorstellung entspricht:
Wir haben häufig die Vorstellung, dass Insekten wie vorprogrammierte Maschinen funktionieren. Unsere Studie liefert einen neuen Hinweis darauf, dass im Gegenteil auch Ameisen aus ihren Erfahrungen lernen und nachtragend sein können.
Versuchsaufbau zum Test der Lernfähigkeit von Ameisen
Um das Verhalten der Ameisen in Abhängigkeit von ihrer konkreten Umgebung untersuchen zu können, gingen die Freiburger Forscher wie folgt vor:
Die Forschenden konfrontierten Ameisen mehrmals hintereinander mit Konkurrentinnen aus einem anderen Nest. Die negativen Erfahrungen, die die Test-Ameisen in diesen Begegnungen gemacht hatten, merkten sie sich.
Trafen sie auf Ameisen eines Nests, das sie zuvor bereits als aggressiv erlebt hatten, verhielten sie sich ihnen gegenüber aggressiver als bei Ameisen aus ihnen unbekannten Nestern. Weniger aggressiv zeigten sich Ameisen, die auf Mitglieder eines Nests trafen, aus dem sie zuvor nur passive Ameisen getroffen hatten.
Universität Freiburg
Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Freiburger Forschergruppe im Fachjournal Current Biology.
Duftstoffe als Unterscheidungsmerkmal
Geht man von der menschlichen Wahrnehmung aus, sehen Ameisen doch alle gleich aus, wie können sie sich gegenseitig identifizieren? Um zwischen Freunden/Nestgefährten und Feinden zu unterscheiden, nutzen Ameisen Duftstoffe auf der Oberfläche der einzelnen Individuen.
In früheren Studien war schon herausgefunden worden, dass es beträchtliche Variation im Verhalten zwischen Ameisen gibt, was die Verteidigung des Nestes gegen Feinde angeht.
Diese Variation wurde damals erklärt durch Unterschiede sowohl in der Wahrnehmung von Düften, als auch in den Entscheidungsregeln, ob man Feinde angreifen soll oder ist das zu gefährlich. Nachfolgend untersuchte man in Freiburg den Einfluss vorheriger Erfahrungen auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Duftstoffen.
Dabei wurde festgestellt, dass Begegnungen mit Feinden oder Freunden das Verhalten bei zukünftigen Begegnungen beeinflussen können, weil Individuen dann entweder wachsamer sind oder dass sie lernen, die zuvor als Feinde identifizierten Ameisen besser zu erkennen.
Kommt es zu Auseinandersetzungen, drohen die Ameisen mit ihren kräftigen Beißzangen, den Mandibeln, ihre Gegner beißen zu oder sie versprühen eine ätzende Säure. Mitglieder stark konkurrierender Nachbarvölker zögern dabei auch nicht, sich gegenseitig zu töten.
Dabei gilt insbesondere für die Völker der Schwarzen oder Schwarzgrauen Wegameise, wie sie als Gartenameisen auch in Deutschland heimisch sind: Je näher die Nachbarschaft der einzelnen Völker, desto größer die Feindschaft.
Wie hängt das Altern bei Ameisen mit ihren Aufgaben zusammen?
Bei den meisten Lebewesen gibt es einen Kompromiss zwischen Fortpflanzung und Langlebigkeit. Wer viele Nachkommen produziert, stirbt dafür früher. Bei den sozialen Insekten scheint dieser Kompromiss aufgehoben.
Hier legen die Königinnen viele Eier und leben in vielen Fällen dennoch über zehn Jahre lang, während die Arbeiterinnen sich zwar üblicherweise nicht fortpflanzen können, aber dennoch nur wenige Monate leben. Bisherige Studien konnten noch keine allgemeingültigen Regulatoren des Alterns bei sozialen Insekten finden.
Das kann damit zusammenhängen, dass die Forschung bislang die dafür verantwortlichen Mechanismen noch nicht erkannt hat. Daher soll jetzt untersucht werden, inwieweit die Möglichkeit von Arbeiterinnen, sich fortzupflanzen, die Lebenserwartung von Königinnen beeinflusst, also wie die konkreten Aufgaben der einzelnen Ameise darüber entscheiden, wie lange sie lebt.