Unterstützung der Ukraine bis zur vollständigen Befreiung

Seite 3: Die Ukraine-Debatte in Deutschland

Unsere spontane Sympathie gilt mehr dem David, der sich verteidigt, als dem Goliath, der angreift. Präsident Selensky hat diese Interpretation des Krieges meisterhaft medienwirksam immer wieder neu formuliert. Wer in der Debatte die Frage stellt, ob die Politik der Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit 1991 vielleicht das Verhältnis zu Russland beeinträchtigt haben könnte, wird sofort einer Täter-Opfer-Umkehr beschuldigt.

Das gilt ebenso, wenn Zweifel an der These geäußert werden, dass im Freiheitskampf der Ukraine auch unsere Freiheit und die Demokratie mit verteidigt werden. Davon ist offenbar auch eine klare Mehrheit der Deutschen überzeugt und mit ihnen auch eine Mehrheit der europäischen Nachbarn.

Aus der Bundeswehr ist keinerlei Abschreckung gegenüber Russland erkennbar. Falls der Ukraine-Krieg eskalieren sollte, wäre Deutschland vollkommen auf die USA und die Nato angewiesen, "Zeitenwende" und "Sondervermögen" brauchen erheblich mehr Zeit, um wirksam zu werden. Für die vorhergehenden Bundesregierungen und die Ampelkoalition waren Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bis zum 24. Februar 2022 kein Thema oder zumindest keine Priorität.

Die vor allem von den Grünen und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) postulierte "wertebasierte Außenpolitik" hatte den Effekt, dass neben der notwendigen Verurteilung des Aggressors Russland auch die fast bedingungslose Unterstützung der Ukraine praktisch zur Staatsraison werden musste.

Während die RAND-Studie ergebnisoffen die Möglichkeit eines Kompromisses über die Grenzen der Ukraine bei teilweiser Gebietsabtretung erörtert, wird hier das maximale Kriegsziel von Präsident Wolodymyr Selenskyj unterstützt, die Grenzen von 2014, also einschließlich der Krim, wiederherzustellen.

Durch die dadurch zusätzlich eingeschränkten diplomatischen Möglichkeiten Deutschlands werden Denkansätze zu einer Friedenspolitik wie in den USA oder gar eine Mittlerrolle praktisch ausgeschlossen.

Bei den nach der Wiedervereinigung vielfältig gewachsenen wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland, nicht nur im Energiesektor, wäre eine solche Mittlerrolle eigentlich nicht undenkbar gewesen.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) mag an eine persönliche Mission bei seinem Freund Putin geglaubt haben, seine Moskau-Reisen und seine Warnungen gegen Waffenlieferungen wurden jedoch schon wegen seines Engagements bei Gasprom von Medien und Mehrheit als absurd abgetan.

Spitzenpolitiker in den neuen Bundesländern, die vom Ende der Gas- und Öllieferungen besonders betroffen sind, werden als Putin-Versteher und Russland-Sympathisanten angegriffen. Außenministerin Baerbock sagt im Europarat in Straßburg, überlegt oder nicht, dass wir im Krieg gegen Russland stehen und der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, der erfahrene Diplomat Christoph Heusgen, befürwortet sogar die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine.

Kanzler und Auswärtiges Amt rudern zurück, aber insgesamt ist die Gefühlslage in Deutschland verblüffend unisono und die relativ wenigen warnenden Stimmen von Intellektuellen treffen auf Entrüstung und Ablehnung, wie etwa die Initiative um Alice Schwarzer.

Die deutsche Debatte ist eindeutig und ganz überwiegend idealistisch im oben skizzierten Sinne. Realisten wie der amerikanische Politikwissenschaftler John Mearsheimer, der in der Ukraine-Frage auch die Rolle der Nato analysiert, oder auch der greise Henry Kissinger, werden bei uns abgetan, als ob sie keine Ahnung hätten und völlig falsch liegen.

Wie gefährlich das für unser Land werden kann, muss auf jeden Fall intensiver und offener diskutiert werden. Dass Kanzler Scholz einzelne Falken in Regierung und Parlament zu zügeln versucht, wie vor einigen Tagen seine Parteivorsitzende Saskia Esken oder seine Außenministerin Annalena Baerbock, lässt hoffen, dass Deutschland nicht nur immer noch mehr zur Eskalation des Krieges beitragen wird.

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