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Upload-Filter: Wer kontrolliert Daten, Copyright und Straftaten im Netz?

Upload-Filter wird eine Software genannt, die Dateien beim Hochladen prüft und selektiert. Bild: Christoph Scholz / CC BY-SA 2.0

Bei den sogenannten Upload-Filtern gibt es viel Konfliktpotenzial. In der Hand von Internet-Unternehmen droht Missbrauch: von eingeschränkter Meinungsfreiheit bis zur Aushöhlung des Urheberrechts. Warum es klare Standards braucht.

Kaum ein Thema ist für Internetnutzer so aufwühlend wie die Diskussion um Upload-Filter. Dabei handelt es sich um Software, die Dateien beim Hochladen prüft und gegebenenfalls abweist oder verändert.

Für die Befürworter sind es Werkzeuge zur Durchsetzung von Grundrechten, für die Gegner die Einschränkung der Freiheit, und somit auch die Verletzung eines Grundrechts. In diesem Streit hat der Gerichtshof der EU bereits im April 2022 entschieden [1], dass "die Verpflichtung der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, die Inhalte, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen wollen, vor ihrer öffentlichen Verbreitung zu überprüfen, mit den erforderlichen Garantien verbunden ist, um ihre Vereinbarkeit mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit zu gewährleisten". Wer aber kontrolliert, wie Freiheits- und Datenschutzrechte eingehalten werden?

Urheberrechtsrichtlinie führt zu Upload-Filtern

Man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass es bei der Güterabwägung von Grundrechten gegeneinander immer Konfliktpotential gibt. Es geht bei solchen Abwägungen immer um die Frage, ob die unabdingbaren Einschränkungen verhältnismäßig sind. Geklagt hatte Polen, das durch die Upload-Filter die Meinungsfreiheit gefährdet sah. Möglich wurden die Upload-Filter durch die Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates [2] vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt.

Gleichzeitig überlässt die EU die Upload-Filter den privaten Anbietern. Sie verlässt sich auf die Industrie [3], die ihrer Ansicht nach die Meinungsfreiheit sicherstellen soll.

Dass die künstliche Intelligenz, die auf Internetplattformen eingesetzt wird, fehleranfällig ist, ist eine Binsenweisheit. Der zuständige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen Thierry Breton, meint "dass es Sache der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten ist, festzulegen, welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Einhaltung des Urheberrechts bei der Nutzung ihrer Dienste sicherzustellen." Die EU-Kommission sieht keinen Handlungsbedarf darin, der Industrie verbindliche Standards und Vorgehensweisen vorzuschreiben.

Wie Industrievertreter in der Praxis mit ihrer Interpretation der Meinungsfreiheit umgehen, lässt sich nicht zuletzt am Beispiel von Twitter [4] und den Eskapaden des neuen Eigentümers des sozialen Netzwerks ablesen. Unter Elon Musk wurde die Belegschaft von Twitter radikal ausgedünnt, Arbeitnehmerrechte extrem heruntergeschraubt und mit den käuflich "verifizierten" Konten einer bestimmten Nutzergruppe eine Art Freifahrtschein für das Verbreiten rechtsextremer Hasspropaganda und Pornographie gegeben [5]. Die ausgedünnte Twitter-Belegschaft scheint nicht in der Lage zu sein, das Teilen von kompletten Filmen, und somit eklatante Urheberrechtsverstöße, zu stoppen [6].

Pauschale Zahlungen für Urheberrechtsverstöße

Die großen sozialen Netzwerke haben die Wirkung von dem Urteil über die Upload-Filter bereits abgeschwächt. Sie sind einen Deal mit den Urheberrechtsorganisationen eingegangen und kaufen sich pauschal von ihrer Verantwortung frei.

"Social-Media-Plattformen können bei Rechteinhaber:innen Lizenzen erwerben und damit das Hochladen fremder Inhalte durch ihre Nutzer:innen legalisieren" beschreibt die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst eine der Optionen, welche den Plattformbetreibern alternativ zu den Upload-Filtern zur Verfügung steht. Bild-Kunst hat deshalb eine neue Social Media Bildlizenz in die Verträge mit Urhebern integriert [7].

Auch Nichtmitglieder der Bild-Kunst haben einen Anspruch darauf, wenn ihre Bilder unerlaubt in sozialen Netzwerken geteilt werden. Doch auch hier ist die Lösung nicht optimal. Den Urhebern droht Kontrollverlust über ihre eigenen Werke, sie verlieren über die pauschalisierte Vermarktung gegebenenfalls Geld und sie müssen bei etwaigen Verletzungen von Rechten Dritter trotzdem haften [8], selbst wenn sie keine Kenntnis von der Lizensierung ihrer Werke auf den Internetplattformen haben.

Upload-Filter gegen Straftaten?

Was bei der Wahrung von Urheberrechten bereits im Argen liegt, wird in anderen Themenbereichen noch komplizierter. Mit Upload-Filtern kann zum Beispiel die Verbreitung von Kinderpornographie massiv eingeschränkt werden. Doch auch hier stellt sich die Frage, wer kontrolliert die Filter?

In den USA werden soziale Netzwerke mit auf Künstlicher Intelligenz basierten Filtern (KI- Filter) auf Initiative des halbstaatlichen NCMEC (National Center for Missing and Exploited Children) überprüft. Die NCMEC ist eine NGO, die zum großen Teil mit US-Regierungsgeldern finanziert wird.

Eine Kontrolle direkt an der Quelle, beim Upload, findet nicht statt. Dadurch könnte die weitere Verbreitung effektiv eingeschränkt werden. Kein Weiterversand, kein Teilen, kein Kopieren – die Theorie klingt einfach. Bereits jetzt profitieren deutsche Strafverfolger von der Initiative der NCMEC. Verdächtiges Material aus Deutschland, das auf amerikanische Plattformen entdeckt wird, wird von den US-Behörden an das Bundeskriminalamt weitergeleitet.

Für die Umsetzung in einer internetbasierten, globalen Welt müsste es aber zumindest als Anfang eine einheitliche, mit Grundrechten verträgliche europäische Lösung ohne Abwälzung der Verantwortung auf die Industrie geben. Denn sonst kocht jeder EU-Staat buchstäblich sein eigenes Süppchen.

In Griechenland wird nach einer Häufung von Aufsehen erregenden Fällen von Kindesmissbrauch von Regierungspolitikern offen darüber diskutiert, ob es für Sexualstraftäter ein elektronisches Register geben soll, auch wenn es noch keine Verurteilung gegeben hat. Rechtsanwälte philosophieren darüber, ob dieses Register dann auch für potenzielle Opfer öffentlich einsehbar sein soll [9]. Das Problem dabei, dass ohne rechtmäßige, endgültige Verurteilung durch die Justiz bei so einem Verfahren Grundrechte gebrochen werden, wird unter dem Schock über die zahlreichen abscheulichen Verbrechen verdrängt.

Datenspeicherung und Haftung?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 20. September 2022 entschieden, dass die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) gegen EU-Recht verstoßen. Die staatliche Vorratsdatenspeicherung wurde in Deutschland damit gestoppt.

Bundesjustizminister Martin Buschmann gab zu dieser Entscheidung ein Pressestatement ab, das als YouTube-Video auf der Internetseite des Ministeriums verlinkt ist [10]. Zum Video fügte das Ministerium einen Hinweis hinzu, in dem es erklärt, dass "wenn Sie Dienste dieses Anbieters nutzen, kann es sein, dass Nutzungsdaten erfasst und gegebenenfalls in Serverprotokollen gespeichert werden. Auf Art und Umfang der übertragenen bzw. gespeicherten Daten hat das Bundesministerium der Justiz keinen Einfluss." Ein perfektes Beispiel dafür, dass die Datenspeicherung in die Hände privater Unternehmen gegeben wurde, ohne dass die Justiz darüber Kontrolle hat.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7467835

Links in diesem Artikel:
[1] https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2022-04/cp220065de.pdf
[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32019L0790
[3] https://netzpolitik.org/2022/uploadfilter-eu-kommission-verlaesst-sich-auf-filtersysteme-der-industrie/#FrageAntwort
[4] https://www.telepolis.de/features/Musk-reicht-es-Mehrheit-aktiver-Twitter-Nutzer-hat-Erbarmen-7421088.html
[5] https://www.telepolis.de/features/Arbeitsklima-bei-Twitter-Fuehrt-Elon-Musk-die-80-Stunden-Arbeitswoche-ein-7342498.html
[6] https://www.thegamer.com/twitters-copyright-strike-broken-spongebob-episodes-movies/
[7] https://www.bildkunst.de/vg-bild-kunst/faq-social-media-bildlizenz
[8] https://fotografie-hat-urheber.de/arbeitspapier/
[9] https://www.syntagmawatch.gr/trending-issues/yper-mhtrwou-drastwn-seksoualikwn-egklhmatwn/
[10] https://www.bmj.de/SharedDocs/Artikel/DE/2022/0920_Vorratsdatenspeicherung_FAQ.html