Verbot von Compact: Faeser trifft empfindliche Stelle der Meinungsfreiheit

Porträt Nancy Faeser

Nancy Faeser. Bild: Jürgen Nowak / shutterstock.com

Innenministerin greift ein rechtes Kampfblatt an, der Schlag könnte nach hinten losgehen. Die hitzige Debatte führt vor, wie vital Meinungsfreiheit vertreten wird. Kommentar.

Wir haben keine Angst vor der Macht und ihrem willkürlichen Einsatz. Wir sind Zeigerpflanzen. An uns wird etwas deutlich.

Götz Kubitschek

Wer Kampfpresse macht, muss sich nicht wundern, wenn der Gegner zuschlägt. Das gilt für Linke wie für Rechte. Die amtierende Innenministerin Nancy Faeser von der SPD hat sich ein rechtes Kampfblatt, Compact, für ihren Schlag ausgesucht. Die Ausrichtung kann sich bei künftigen Innenministern ändern.

Ist damit der Demokratie geholfen?

Die offene Frage, die sich in der Debatte um Faesers Vorgehen stellt, ist nicht nur, wenn auch wesentlich, ob es juristisch gerechtfertigt ist. Das werden aller Voraussicht nach Gerichte klären. Vielmehr lautet sie auf der politisch-strategischen Ebene: War es ein Wirkungstreffer, der diesen spektakulären Auftritt – mit Polizei- und Presseaufgebot frühmorgens vor der Tür des Chefredakteurs Elsässer – rechtfertigen und begründen kann?

Plakativ gefragt: Hat es der Demokratie geholfen?

Zumal Faeser, um bei der Boxmetapher zu bleiben, bei ihrem Angriffsschlag ihre Deckung entblößt hat. Der Gegenschlag kam sofort und er trifft eine sehr empfindliche Stelle: die Meinungsfreiheit, Solarplexus der demokratischen Vitalität.

Regimewechsel von rechts: Der Vorhof der Partei

Elsässer selbst machte Kampfansagen, die man nicht ignorieren kann. Überall zitiert wird seine Ansage, dass er das "Regime stürzen" will. Für jede(n) Leser(in) ist die Nähe zum rechtsextremen Lager der AfD unübersehbar.

Das Magazin und deren Betreiber bilden ein Netzwerk, das für das Milieu der neuen Rechten und der AfD, für deren Ideologie, wichtig ist. Diese Ideologie ist für den sozialen Frieden gefährlich. Dazu muss man sich nur in einen Biergarten setzen.

Die Aktiven im Vorhof der Partei AfD gehören zu den Multiplikatoren von Anschauungen, die auf einen "Regime Change von rechts" zielen. Mit all den politischen Implikationen, wie sie von anderen Vorfeld-Protagonisten wie Martin Sellner, der von Compact eifrig beworben wird, in ihrer Richtung genügend deutlich gemacht werden.

Ob von einem solchen Milieu, wo der "innere Feind" zum Grundvokabular gehört, eine größere Presse- und Meinungsfreiheit zu erwarten wäre?

Radikale Rechte müssen radikal hart angegangen werden?

Das Verbot von Innenministerin, das wie angedeutet, einige juristische Angriffsflächen bietet, geht gegen das Netzwerk. Verboten wird der Verein.

Die politische Arbeitshypothese dazu lautet, wie kürzlich von Felix Schilk, einem Experten, der sich mit Compact schon länger beschäftigt, in einem BR-Interview vorgetragen, dass autoritär Gesinnte, wozu er die Rechte vom äußersten Rand vornehmlich zählt, vor allem oder nur auf die Sprache der Härte mit Zurückweichen reagieren.

Alles andere werde als Schwäche des allzu toleranten Liberalismus verstanden und ausgenutzt. Harte Aktionen des Staates würden demgegenüber zu Reaktionen des Einlenkens und Zurückweichens, vielleicht gar der Revision von krassen Positionen führen; möglicherweise, so lässt sich diese These verstehen, zu Diskussionen, die dem gemäßigten Lager Auftrieb geben und Extremisten schwächt, sie auch in diesen Salons zu Außenseitern macht.

Wenn es bei solchen prinzipiellen Fragen zum harten Vorgehen um Islamisten geht, dann dürfte man auch die AfD auf seiner Seite haben. Auch dies gehört zum Vorfeld von Fragen zur Meinungsfreiheit und ihren Begrenzungen. Doppelmoral ist, wenn es um Macht geht, ein überparteiisches Phänomen, nicht nur eins, auf das liberale Regierungen ein Monopol hätten.

Die politische Wirkung des Verbots

Möglich, dass man sich nun in der rechten Kampfpresse genauer überlegt, welche Formulierungen man verwendet. Die Stoßrichtung wird aber bleiben. Daran wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach nichts Nennbares ändern

Auch die Anhängerschaft und ihre diskursverengten Ressentiments (die in jeder Compact-Magazin-Ausgabe zuhauf zu finden sind) werden bleiben, nicht unwahrscheinlich, dass sie sich bestärkt sehen in ihrer Auffassung in einer Diktatur zu leben. Auch die AfD wird deswegen wohl kaum vom Erfolg in den anstehenden Wahlen im Herbst, den man ihr voraussagt, abgehalten.

Faesers Timing hat man unterstellt, dass genau dies auch zu ihrer Taktik gehört. Ihr Schlag dürfte in dieser Hinsicht verpuffen.

Die Zeigepflanzen

Als zur Gänze "willkürlich", wie Götz Kubitschek im Eingangszitat die Aktion der Innenministerin nennt, – gemeint sind damit wohl auch andere staatliche Aktionen auch gegen seine Publikationstätigkeit – kann man das Vorgehen von Faser allerdings nicht abtun. Sie ist zielgerichtet, auf extremistische Gegner des Staates.

Und die "Zeigerpflanzen"? Die wachsen eben nicht nur rechts. Die Diskussion zur fragwürdigen Über-Aktion der Innenministerin, die als Zeichen der politischen Schwäche, als Schlag aus der Defensive, gelesen werden kann – Gerichte werden sich mit dem verfassungsrechtlich dünnen Boden des Verbots befassen müssen –, zeigt nebenbei auch eine Stärke: eine ausgeprägt vitale Öffentlichkeit, die sehr schnell und sehr kritisch auf Einschränkungen der Meinungsfreiheit reagiert.

Die Zahl der Kommentare und Statements, die Aktion Innenministerin als problematisch herausstellen und damit nicht einverstanden sind, ist groß. Sie überwiegen bei Weitem.

Starke wie auch abgefederte Kritik an der Verbotsaktion kommt von zahlreichen Publikationen, die von rechter Seite gerne in ein und denselben Eliten-Establishment-Eintopf geworfen werden: von Übermedien, SZ ("Wo verläuft die Grenze zwischen Unsinn und Gefahr für die Demokratie?"), FAZ, Welt , Zeit etc..

Das Presserecht ist ein hohes Gut.

Deniz Yücel

Auch die Reporter ohne Grenzen kritisieren das Vorgehen. Und der MVFP Medienverband der freien Presse. Die Front der Kritiker an Faesers Vorgehen ist substanziell.

Man kann von einem Konsens darüber sprechen, dass der Rechtstaat sehr aufpassen muss, wenn er zu einem solchen Schlag ausholt.

Deniz Yücel macht darauf aufmerksam, wie hoch die Hürden sind.

Er verweist auf die Straßburger Richter des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die 1976 erklärt haben, dass das Recht der freien Meinungsäußerung, "nicht nur für die günstig aufgenommenen oder als unschädlich oder unwichtig angesehenen 'Informationen' oder 'Ideen'" gelte, "sondern auch für die, welche den Staat oder irgendeinen Teil der Bevölkerung verletzen, schockieren oder beunruhigen".