Verbrennungsmotoren: Deutschland künftig Spezialist für Oldtimer

Porsche 992 auf der Geneva International Motor Show 2019. Bild: Matti Blume / CC BY-SA 4.0

Energie und Klima – kompakt: Keine festen Emissionsziele mehr für den Verkehrssektor. Unsinnige E-Fuel-Regelung auf EU-Ebene. Wohin die Bundesregierung, angetrieben von der FDP, steuert.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kann höchst zufrieden sein. Nicht nur, dass die Ampelkoalition das unzulängliche Klimaschutzgesetz schleifen und die verbindlichen jährlichen Sektorziele abschaffen will. Bisher hätte Wissing eigentlich ein Paket von Sofortmaßnahmen vorlegen müssen, weil sein Bereich schon wieder, wie berichtet, zu viel Treibhausgase abgegeben hat. Nun hat die Ampelkoalition verabredet, diese verbindlichen jährlichen Minderungsschritte abzuschaffen.

Und dann hat am Dienstag auch noch die EU-Kommission mit einiger Verspätung den von der Bundesregierung durchgeboxten Vorschlag für neue Vorschriften für den CO2-Ausstoß von Pkw vorgelegt. Die Bundesregierung hat sich mal wieder auf ganzer Linie durchgesetzt.

Der vermeintliche Klimaschutzweltmeister – lange Zeit die Selbstwahrnehmung in den Medien hierzulande, die Angela Merkel sogar noch als Klimakanzlerin feierten, während sie zur Einweihung neuer Braunkohlekraftwerke ins Rheinland fuhr – hat dafür gesorgt, dass auch nach 2035 in der EU noch Autos mit Otto- oder Dieselmotoren vom Band rollen können. In Ostasien wird das vermutlich für hochgezogene Augenbrauen und manches breites Grinsen gesorgt haben.

Ich begrüße die heutige Erklärung der EU-Kommission, mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 neu zuzulassen. Ich freue mich, dass wir eine technologieneutrale Lösung gefunden haben. Jetzt geht es darum, die Erklärung zeitnah umzusetzen.

… ließ Wissing die Öffentlichkeit wissen. Die Industrie könne nun "entsprechende Produktionskapazitäten" aufbauen.

Sollte er damit allerdings die Herstellung der sogenannten E-Fuels, Kraftstoffe, die mit elektrischer Energie aus Wasser- und Kohlenstoff synthetisiert werden, meinen, so werden diese ohnehin benötigt und sollten schleunigst errichtet werden. Allerdings nicht für den Verbrauch in Pkw und leichten Nutzfahrzeugen, für die die neue, von den Regierungen beschlossene EU-Verordnung gilt, sondern für den Schiffs- und Luftverkehr und eventuell noch in einem gewissen Umfang für Lkw. Für mehr wird nämlich gar nicht ausreichend elektrische Energie vorhanden sein, jedenfalls keine klimaneutrale, bei deren Bereitstellung keine Treibhausgase entstehen.

Eigentlich war von EU-Kommissionen, -Parlament und den Regierungen bereits ausgehandelt worden, dass ab 2035 im Rahmen der Klimaschutzmaßnahmen keinerlei Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden sollen. Doch dann legte Wissing mit ausdrücklicher Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Widerspruch ein. Gemeinsam mit einigen osteuropäischen Regierungen wollte er die Zustimmung und so die notwendige Mehrheit verhindern.

Punta Arenas in Chile und die E-Fuel-Offensive von Porsche

Nun sollen Verbrennungsmotoren auch über 2035 hinaus bei Neuzulassungen erlaubt sein, sofern sie synthetischen Kraftstoff nutzen. Damit nicht genug, will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der bekanntermaßen über gute Verbindungen zu Porsche verfügt, die Verwendung von E-Fuels sogar noch steuerlich fördern. Die Tagesschau schreibt auf ihrer Internetseite, dass der FDP-Chef dafür die Erhebung der KfZ-Steuer verändern will.

Wir haben sehr großen Anteil, dass die E-Fuels in den Koalitionsvertrag miteingeflossen sind. Da sind wir ein Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten,

... soll Porsche-Chef Oliver Blume nach ZDF-Recherche, über die Telepolis im Sommer letzten Jahres berichtete, auf einer Betriebsversammlung gesagt haben. Nach dem seine Aussagen bekannt geworden waren, hat er sich entschuldigt, durch eine falsche Wortwahl "einen falschen Eindruck" erweckt zu haben.

Wie dem auch sei, Porsche ist der deutsche Hersteller mit dem größten Interesse an E-Fuels und investiert im äußersten Süden Chiles bereits gemeinsam mit Siemens in deren Herstellung.

Außerdem haben diese vermeintlich grünen Kraftstoffe es mit oder ohne direkte Einflüsterung tatsächlich in den Koalitionsvertrag geschafft und sind der FDP so wichtig, dass nun auch das EU-Recht entsprechend angepasst wird. Hintergrund sind wohl die beachtlichen Gewinnmargen, die Porsche im Luxusgeschäft machen kann, einem Segment, das offensichtlich nicht ohne röhrende Motoren auskommt.

Klar scheint jedenfalls zu sein, dass E-Fuels auf keinen Fall etwas für den Massenmarkt sind, denn dafür werden nicht genug zur Verfügung stehen. Es ist zu befürchten, dass sie als Schlupfloch dienen werden, auch nach 2035 noch konventionelles Benzin in Neuwagen zu verbrennen. Jedenfalls argumentierte Porsche im vergangenen Jahr bei der Einweihung seiner Pilotanlage im chilenischen Punta Arenas mit den Bestandsfahrzeugen, die noch viele Jahrzehnte fahren und mit dem synthetisierten Kraftstoff betankt werden könnten.

Aber wie viel Strom wäre dafür eigentlich nötig? 2020 wurden nach Angaben des Umweltbundesamtes etwa 19 Milliarden Liter Diesel und 23 Milliarden Liter Benzin verbraucht. Zusammen hatten diese einen Energiegehalt von rund 389 Milliarden Kilowattstunden. Für ihre Herstellung ist aber nach Angaben des Freiburger Ökoinstituts etwas mehr als die doppelte Menge an elektrischer Energie notwendig.

Das heißt, wollte man den deutschen Kraftstoffverbrauch durch E-Fuels ersetzen, müssten dafür jährlich rund 800 Milliarden Kilowattstunden zusätzlicher elektrischer Energie zur Verfügung gestellt werden. Das wären etwa 150 Prozent des derzeitigen jährlichen Stromverbrauchs.

Damit dürfte eigentlich klar sein, dass die FDP-Minister mit viel Verve und Medienrummel für ein teures Nischenprodukt eines Luxusherstellers starkmachen, den industriellen Fortschritt zugunsten einer Oldtimer-Produktion behindern und ansonsten jeden ernsthaften Klimaschutz blockieren, während sie den Autobahnbau beschleunigen wollen.

Wie war das noch mal gleich mit der spätrömischen Dekadenz?

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