Verfrühtes Wahlkampfgeschenk: Warum wird Trump gerade jetzt angeklagt?
In Deutschland und den USA mag betont werden, das Verfahren gegen den Ex-Präsidenten sei nicht politisch. Ein Politikum ist es auf jeden Fall. Es dient seiner Anti-Establishment-Attitüde.
Im November 2024 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Die Parteien bereiten sich auf die Vorwahlen vor. Dabei dürften sich die Kandidaten von 2020 nach bisheriger Planung noch einmal gegenüberstehen. Joe Biden und Donald Trump, zwei alte Männer, die sich in herzlicher Abneigung verbunden sind. Sie unterscheiden sich vor allem darin, dass der US-Oligarch Trump sich als Kandidat gegen das Establishment geriert, während Biden der perfekte Kandidat dieses Establishments ist.
Insofern hat die New Yorker Staatsanwaltschaft Trump ein verfrühtes Geschenk für den Wahlkampf gemacht. Denn die Anklage hat zunächst einmal bewirkt, dass die Wahlkampfmaschinerie von Trump noch anspringt. Er kann mit Verweis auf die Klage die Anti-Establishment-Karte ziehen, die nach vier Jahren im Amt nicht mehr so richtig gezogen hat. Auch sonst lief seine Kampagne zuletzt mäßig.
Trumps Veranstaltungen waren real und digital längst nicht mehr so gut besucht wie zu seinen besten Zeiten. Zudem nahmen in der Republikanischen Partei die Zweifel darüber zu, ob mit Trump noch Wahlen zu gewinnen sind. Das lag aber auch daran, dass die Jüngeren nicht mehr warten wollten, bis sie zum Zuge kamen. Die Anklage schweißt die Partei erst einmal zusammen. Da haben Trump und sein rechter Anhang doch noch das Thema gefunden, das mobilisieren kann.
Warum kam die Anklage jetzt?
Dabei wird es ihnen von Trump-Gegnern leicht gemacht. Denn die auch in deutschen Medien so lautstark geäußerten Beteuerungen, hier gehe alles seinen rechtsstaatlichen Gang und das sei ganz bestimmt kein politisches Verfahren, blamieren sich schon dadurch, dass sie so oft wiederholt werden. Da stellt sich natürlich die Frage, warum erfolgt die Anklage zu diesem Zeitpunkt und warum an diesem Punkt?
Das angebliche Schweigegeld wegen einer Sexaffäre mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels, das dann auch noch falsch verbucht worden sein soll, dürfte der Unsicherheit der Trump-Gegner geschuldet sein, wie weit sie gehen können.
Kämen sie gleich mit eindeutig politisch motivierten Anklagen, Anstiftung zum Wahlbetrug im US-Bundesstaat Georgia, wo Trump den dortigen Verantwortlichen für die Wahlen aufforderte, ihm fehlende Stimmen zu besorgen, oder die Verantwortung für die Ausschreitungen am 5. Januar 2021, könnte die Lage eskalieren.
Hier befürchten die Trump-Gegner Unruhen vom harten Kern des Trump-Milieus. Um einen anderen möglichen Anklagepunkt, die Mitnahme geheimer Unterlagen aus dem Weißen Haus, ist es stiller geworden, nachdem bei Biden ebenfalls solche Unterlagen entdeckt wurden. Also greift man zu der Anklage wegen des mutmaßlichen Schweigegeldes, die von vielen Kommentatoren als die schwächste mögliche Anklage bezeichnet wird.
Da nun weder die Sexaffäre noch die Schweigegeldzahlung in den USA verboten sind, müssen sich die Juristen etwas einfallen lassen, um doch Anklage zu erheben. Da kamen sie darauf, dass die Ausgaben falsch verbucht gewesen und es eventuell sogar eine verdeckte Wahlkampffinanzierung gewesen sein könnte.
Parallelen zu Berlusconi in Italien
Denn das Schweigegeld sollte ja verhindert haben, dass die Wähler über außereheliche Affären Trumps aufgeklärt worden seien und so habe es ihn in einem besseren Licht dastehen lassen. Doch Trump wurde ja von seinen Fans gerade deshalb verehrt, weil er gar nicht erst den Eindruck erweckte, dass er sich von Moral oder Gesetzen besonders beeindrucken ließ.
Und es war auch bekannt, dass er sich bestimmt nicht an die christlichen Benimmregeln hielt. Trotzdem stimmten auch besonders religiöse Wähler für ihn, weil er ein Männerbild verkörperte, das sie bewundern. Hier gibt es übrigens viele Parallelen zu Silvio Berlusconi in Italien, der auch wegen Sexaffären angeklagt, aber real von der EU und den Finanzmärkten gestürzt wurde.
Wenn da eine weitere Sexaffäre bekannt geworden wäre, hätte ihm das sicher nicht nur wenig geschadet, wie jetzt Trump. Zumal ja bisher niemand in Frage stellt, dass es sich um einvernehmlichen Sex handelte. Daran schließt die Frage an, warum die Anklage gerade jetzt kommt. Schließlich wurde über das Schweigegeld schon seit 2016 geredet.
Warum also folgte die Anklage nicht zeitnah? Spätestens mit dem nicht ganz freiwilligen Abgang von Trump im Januar 2021 hätte es doch Möglichkeiten geben müssen. Hat man damals gedacht, Trump sei erledigt? Liegt also die Anklage an der Tatsache, dass er tatsächlich noch einmal kandidiert und es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass er noch einmal gewinnt? Die zeitliche Nähe zu den nächsten Wahlen provoziert solche Fragen.
Damit hat die ganze Anklage zumindest ein Geschmäckle. Das aber werden Trump und seine Anhänger nutzen. Er hat mittlerweile angekündigt, sich am Dienstag den Fragen der Ankläger zu stellen. Da wird sich zeigen, ob der Ex-Präsident eine Prozessstrategie hat.
Warum ist Trump der erste Ex-Präsident, der angeklagt wird?
Nun wird immer besonders hervorgehoben, dass Trump der erste Ex-Präsident ist, der angeklagt wird. Das wirft besondere Fragen auf. Warum wurde keiner der US-Präsidenten wegen der von ihnen inszenierten Kriege juristisch belangt? Nun soll hier nicht behauptet werden, dass an allen Kriegen die USA schuld seien. Sie waren als starke imperialistische Macht allerdings an einigen Invasionskriegen beteiligt, und wurden dafür genau so wenig belangt, sie die Politiker anderer Länder, nicht zuletzt Deutschland.
In den USA ist auch ein Ex-Präsident Nixon weder für die von ihm maßgeblich betriebene Eskalation im Vietnamkrieg noch für den von ihm in Auftrag gegebenen Einbruch ins Hauptquartier der Demokratischen Partei, der als Watergate-Affäre in die Geschichte einging, juristisch belangt worden. Sein Nachfolger Gerald Ford hat Nixon sofort nach dessen Rücktritt begnadigt.
Noch ist nicht klar, ob Trump nicht auch straflos davonkommt. Sollte sein zweiter Griff nach der Präsidentschaft schnell scheitern, dürfte der Verurteilungswille sinken. Die Anklage wird zur weiteren Entpolitisierung beitragen. Statt über soziale Themen wird dann wieder über die Affären eines US-Oligarchen gestritten. Beide Großparteien haben wenig Interesse an einer Auseinandersetzung über Kapitalismus, Rassismus, Militarismus. Mit Debatten um Trump und Co. wird viel dafür getan, dass es auch so bleibt.
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