zurück zum Artikel

Vergesst das E-Auto! Setzt auf Strom aus Wind und Sonne!

Wie der Boom der Elektromobilität die notwendige Verkehrs- und Energiewende verhindert

Während andere Bereiche der deutschen Volkswirtschaft beachtliche Erfolge bei der Reduktion ihrer CO₂-Emissionen erreicht haben, sinken diese beim Pkw-Verkehr nicht. Durch die Umstellung des Pkw-Verkehrs auf Elektroautos hofft nun die Bundesregierung, die CO₂-Emissionen senken zu können. Doch kann das funktionieren?

Viele Menschen sind bereit, sich klimafreundlicher zu verhalten. So auch Simon Wiegand. In der Ausgangssituation fährt Simon einen Mittelklassewagen mit Verbrennungsmotor. Da er durch die Diskussion um die Klimakrise sein Herz für Natur und Klima entdeckt hat, sucht er nach einer Alternative zu seiner bisherigen Art der Mobilität.

Im Jahr fährt er 15.000 km und verbraucht im Schnitt sieben Liter Kraftstoff. Für jeden Kilometer stößt sein Wagen 150 Gramm CO₂ pro Kilometer aus, die sich auf (15.000 km * 150 g CO₂/km) 2.250 kg CO₂ oder 2,25 Tonnen CO₂ addieren.

Simons Mobilitäts-Emissionen

Durch seine bisherige Mobilität entstanden jährlich 2,25 Tonnen CO₂. Das sei eindeutig zu viel, findet er. Als Physiker fällt es im leicht, überschlagsmäßig fünf Optionen der Reihe nach hinsichtlich ihres Potenzials zur C02-Minderung durchzurechnen.

Option 1: Simon legt sein Verbrenner-Auto still und fährt mit dem Fahrrad oder geht zu Fuß

Die Auswirkung auf das Klima wäre unmittelbar positiv. Seine Emissionen wären Null und er würde 2,25 Tonnen CO₂ einsparen. Auch würden ihm keine Kosten entstehen. Leider muss Simon erkennen, dass das für ihn beruflich nicht zu machen wäre. Deshalb sieht er von dieser Option ab. In diesem Zusammenhang wäre auch an die Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) zu denken. Aber da auch dies bei seiner Wohnlage und seinen beruflichen Mobilitätsanforderungen nicht zu machen ist, verwirft er diese Option sofort wieder.

Simons Mobilitäts-Emissionen

Option 2: Simon legt sein Verbrenner-Auto still und kauft sich ein Elektroauto

Ein Elektroauto, das hinsichtlich Leistung und Komfort mit seinem bisherigen Verbrenner vergleichbar ist, benötigt auf 100 Kilometer eine Strommenge von 16 kWh, d. h. 0,16 kWh pro km. Bei einer Fahrleistung von 15.000 km pro Jahr braucht er Strom in Höhe von 15.000 x 0,16 kWh/km = 2.400 kWh pro Jahr.

Dabei entstehen beim Laden der Batterien aus dem öffentlichen Netz rund 2.250 kg CO₂. Ergebnis: Der Umstieg auf das E-Auto erbringt keine CO₂-Reduktion, und somit würde er dem Klima keinen Gefallen tun.

Schauen wir uns die Sache mit den Emissionen genauer an: Aktuelle Daten liegen für 2021 vor. In diesem Jahr betrug die Nettostromerzeugung zur öffentlichen Stromerzeugung 490,58 TWh [1], wobei die erneuerbaren Energien 224,56 TWh (Terawattstunden), Kernenergie 65,37 TWh und die aus fossilen Quellen 200,65 TWh beitrugen. Nun zu den CO₂-Emissionen: Aus Stromerzeugung betrugen diese laut Bundesumweltamt im Jahr 2020 187 Mio. Tonnen CO₂ [2].

Anhand obiger Angaben errechnet sich der spezifische CO₂-Emissionsfaktor aus fossilen Quellen wie folgt: 187 Millionen Tonnen CO₂ / 200,65 TWh = 0,935 kg/kWh. Für Simons E-Auto würde sich somit ein CO₂-Ausstoß von (2.400 kWh x 0,935 kg/kWh) 2.244 kg CO₂ errechnen.

Das ist ziemlich genau der Betrag von 2.250 Kilogramm, wie ihn sein Verbrenner gegenwärtig im Jahr erzeugt. Simons Umstieg auf das E-Auto hätte somit für das Klima keinen positiven Effekt.

Simons Mobilitäts-Emissionen

Um die Sache nicht zu kompliziert zu machen, geht Simon für das anstehende Jahr davon aus, dass die Strommengen aus erneuerbaren Energien und Kernenergie gleichbleiben.1 [3] Simons neues E-Auto stellt somit für das öffentliche Netz einen zusätzlichen Verbraucher dar.

Wenn er das Ladekabel in seine Wallbox steckt, wird dem öffentlichen Netz Strom entnommen, aber es wird sich deshalb kein Windrad schneller drehen und die Sonne nicht heller scheinen. Woher soll also der für das Laden zusätzlich benötigte Strom kommen? Es bleibt nur eine Möglichkeit: Der Strom muss aus fossilen Quellen kommen, etwa aus Kohle- oder Gaskraftwerken. Nur diese sind regelbar und können den zusätzlich benötigten Strom liefern.2 [4]

E-Auto-Befürworter werden gegen diese Berechnung heftig protestieren. Sie neigen dazu, die physikalischen Gegebenheiten zu ignorieren und den CO₂-Emissionsfaktor für den Durchschnittsstrom zu verwenden. Dieser lässt mit (187 Mio. Tonnen CO₂ / 490,58 TWh) 0,380 kg/kWh das E-Auto in einem wesentlich günstigeren Licht erscheinen. Diese Methode beruht aber auf Wunschdenken und ist schlicht falsch.

Option 3: Simon installiert eine Solaranlage auf dem Dach seines Hauses und fährt weiter sein Verbrenner-Auto

Wir gehen davon aus, dass das Solar-Panel im Jahr genau so viel Strom (emissionsfrei) erzeugt, wie ein E-Auto benötigten würde. Diese Strommenge von 2.400 kWh speist Simon Wiegand vollständig ins Netz ein. Somit wird diese Menge weniger fossiler Strom erzeugt und es entsteht entsprechend weniger CO₂: Einsparung 2,25 Tonnen.

Sein Verbrenner stößt unverändert 2,25 Tonnen im Jahr aus. Aber dadurch, dass er Solarstrom ins Netz einspeist, werden die Emissionen aus fossiler Stromerzeugung um 2,25 Tonnen reduziert. Das wäre jetzt Simons Beitrag für das Klima. Für ihn ist das allerdings eine kostspielige Option, da er das Solarpanel beschaffen muss.

Simons Mobilitäts-Emissionen

Option 4: Simon installiert eine Solaranlage, schafft seinen Verbrenner ab und ein E-Auto an

Er betreibt das E-Auto mit dem selbst auf seinem Dach erzeugten Solarstrom. Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, dass das Solarpanel genau so viel Strom erzeugt, wie das E-Auto benötigt. Damit entsteht für das E-Auto kein CO₂. Simons Beitrag zum Klimaziel: Sein CO₂-Ausstoß ist gleich null.

Er hat 2,25 Tonnen CO₂ eingespart. Für ihn ist diese Lösung sehr kostspielig, da er nicht nur das Solarpanel, sondern auch das E-Auto beschaffen muss. Nachteilig wäre für ihn auch die Tatsache, dass er sein Auto nur bei Sonnenschein laden könnte. Oder er bräuchte einen Speicher, der aber weitere Kosten verursachen würde.

Simons Mobilitäts-Emissionen

Option 5: Simon kauft Strom bei einem Öko-Stromanbieter, schafft seinen Verbrenner ab und ein E-Auto an

Wir nehmen an, dass der Ökostromanbieter aufgrund Simons Zusatznachfrage von 2.400 kWh seine Jahreserzeugung entsprechend erhöht. Das E-Auto läuft also mit dem zusätzlich erzeugten Solarstrom. Somit entsteht für das E-Auto kein CO₂.

Simon hätte so gegenüber der Ausgangssituation 2,25 Tonnen CO₂ eingespart. Eine für das Klima gute Lösung, wenn der zusätzliche Strom tatsächlich aus erneuerbaren Energien käme. In Realität müssen Ökostromanbieter Strom fossiler Herkunft in ihr Angebot "untermischen", da Wind und Sonne nicht immer zur Verfügung stehen. Aber das soll hier nicht thematisiert werden.

Wahrscheinlich ist diese Option für Simon günstiger als mit dem eigenen Solar-Panel auf dem Dach, da der Ökostromanbieter den Strom vermutlich günstiger anbieten könnte.

Simons Mobilitäts-Emissionen

Folgerungen

Für die fünf untersuchten Optionen kommt Simon Wiegand zu folgendem Ergebnis: Ein Verzicht auf den Pkw ist für die Klimabilanz unmittelbar positiv. Keine Emissionen. Der Austausch eines Verbrenners durch ein E-Auto erbringt keine CO₂-Reduktion.

Die Installation des Solarpanels erbringt in unserem Beispiel eine Reduktion um 2,25 Tonnen, und zwar unabhängig davon, ob mit Verbrenner oder mit E-Auto gefahren wurde.

Unter den gemachten Annahmen erbringen Solarpanels CO₂-Einsparungen, unabhängig davon, ob der Solarstrom erzeugt oder aus 100-prozentiger erneuerbaren Energien eingekauft wird. Es kommt darauf an, die Strommenge aus erneuerbaren Energien zu steigern, um die fossile Stromerzeugung und damit die CO₂-Emissionen zu reduzieren.

Die obigen Überlegungen sprechen nicht generell gegen E-Autos, sondern machen deutlich, dass diese keinen CO₂-Einspareffekt haben, solange Strom aus erneuerbaren Energien nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Der Klimavorteil von E-Autos wächst mit dem steigenden Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung.

Die staatliche Förderung der Elektromobilität fördert den Absatz von E-Autos, ist aber kein sinnvoller Klimaschutz, sondern Verschwendung von Steuergeld. Dem Klima helfen kann nur der Ausbau der erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind.

Helfen könnte auch eine Reduktion des Pkw-Verkehrs auf ein klimaverträgliches Maß. Doch an Maßnahmen in dieser Richtung denkt die Politik gegenwärtig nicht, da dies auf heftigen Widerstand der Autolobby stoßen und Wählerstimmen kosten könnte.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-6628366

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/news/2022/nettostromerzeugung-in-deutschland-2021-erneuerbare-energien-witterungsbedingt-schwaecher.html
[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energieversorgung/strom-waermeversorgung-in-zahlen#Strommix
[3] https://www.heise.de/tp/features/Vergesst-das-E-Auto-Setzt-auf-Strom-aus-Wind-und-Sonne-6628366.html?view=fussnoten#f_1
[4] https://www.heise.de/tp/features/Vergesst-das-E-Auto-Setzt-auf-Strom-aus-Wind-und-Sonne-6628366.html?view=fussnoten#f_2