Verkehrsregeln für die spontane Emission

Experimenteller Durchbruch in der Quantenoptik

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Anscheinend ist es niederländischen Forschern gelungen, die Lichtemission beim Zerfall einzelner Quantenzustände (quantum dots) gezielt zu beeinflussen. Die verwendeten Materialien lassen an Anwendungen in Miniaturlasern, Sonnensegeln oder zukünftigen Quantencomputern denken.

Der Zufall spielt in der Quantenmechanik eine fundamentale Rolle. Befindet sich z. B. ein Atom in einem angeregten Energiezustand, etwa weil es Bestandteil eines heißen Gases ist, wird es seine Energie in Form von Strahlung wieder abgeben, und zwar als ein Paket (Photon mit entsprechender Frequenz). Doch wann?

Emittierendes Atom (Bild: University of Twente)

Es lässt sich nur eine statistische Aussage machen: Nach einer bestimmten Zeit wird die Hälfte der angeregten Atome Licht emittiert haben – man spricht von der Lebensdauer des angeregten Zustandes. Für das einzelne Atom kann man jedoch überhaupt keine Voraussage treffen – daher spricht man von spontaner Emission.

Die tiefere Ursache für die Zufälligkeit des Emissionszeitpunkts ist die, physikalisch gesprochen, "Unordnung" der Umgebung. Normalerweise bevorzugt sie keine Lichtfrequenz, sondern lässt alle gleichermaßen zu. Steckt man das Atom aber in eine Kammer mit reflektierenden Wänden, sieht die Sache anders aus. Entspricht die Emissionsfrequenz der Resonanzfrequenz der Kammer, wird die Lebensdauer der Anregung verkürzt, die Strahlung verstärkt.

Die optischen Eigenschaften photonischer Kristalle entsprechen denen von Perlmutt oder der Auflage auf Schmetterlingsflügeln. Größe ca. 2 mm. (Bild: University of Twente)

1987 postulierten Eli Yablonovitch (damals Bell Telephone Co., jetzt UCLA) und John Sajeev von der Princeton University unabhängig voneinander, dass passend hergestellte Kristalle, eigentlich Strukturen aus lichtbrechendem Material mit unzähligen, in großer Regelmäßigkeit angeordneten Hohlräumen, für Licht bestimmter Wellenlänge vollkommen undurchlässig sein müssten, während sie ansonsten durchscheinend wären. Der Traum vom "optischen Halbleiter" erwies sich als starke Motivation, und 1992 wurde der erste "photonische Kristall" hergestellt.

Experiment und Ergebnisse

Peter Lodahl und sein Team von der Universität von Twente, Enschede publiziern nun in Nature (Vol. 430, 5 August 2004), wie sie photonische Kristalle benutzten, um die Lebensdauer angeregter Quantenzustände zu beeinflussen. Sie stellten dazu eine Anzahl von sogenannten "inversen Opalen" her, im Prinzip durch und durch poröse Blöcke aus Titandioxid (TiO2) , man kennt es aus dem Malkasten: ein deckendes Weiß), mit tetraedrisch angeordneten Hohlräumen. Man denke an eine Kiste voller Billardkugeln, regelmäßig angeordnet, und vertausche dann Material und Luft ...

Der Durchmesser der Hohlräume betrug 370 Nanometer (millionstel Millimeter, nm) im engsten Gitter und 580 nm im weitesten. Darin eingebettet waren die Emitter, kleine Kügelchen aus dem Halbleiter Kadmium-Selenid (CdSe), Durchmesser im kleinsten Fall 3,8 nm, bis hin zu 6 nm. Die Kadmium-Selenid-Kügelchen verhalten sich wie quantum dots: Sie besitzen einen Grundzustand und einen angeregten Zustand (modellieren ein 2-Niveau-System) und emittieren beim Zerfall des angeregten Zustands ein Photon der entsprechenden Frequenz. Die Anregung geschieht mittels Laserlicht. Als Referenz für das Emissionsverhalten wurden außerdem massive TiO2-Blöcke mit den quantum dots dotiert – als homogene Umgebung bevorzugen sie weder Frequenzen noch Richtungen.

Elektronenmikroskopisches Bild eines der verwendeten photonischen Kristalle (Bild: University of Twente)

Das Verhalten der quantum dots ließ sich nun aus den Größenverhältnissen ableiten. Im Vergleich zur Referenz ergab sich für bestimmte Kombinationen von Emittergröße und Gitterweite eine Verkürzung der Lebensdauer und Verstärkung der Emission von 50%, bei anderen Kombinationen eine Abschwächung von 30% (mit entsprechender Verlängerung der Lebensdauer). Im Gegensatz zu dem oben angeführten Beispiel mit dem Atom im Resonator ist der Effekt viel breitbandiger, und natürlich ist der Aufwand ungleich kleiner – alles findet bei Zimmertemperatur, unter Normaldruck und mit fürs bloße Auge sichtbaren Objekten statt. Entscheidend für die weitere Entwicklung ist, dass sich die gefundenen Daten durch das theoretische Modell erklären lassen und der Effekt offenbar gut verstanden ist.

Wie es weitergehen könnte

Die Photonik, das technologische Gegenstück zur Elektronik, befasst sich inzwischen mit den verschiedensten Anwendungen photonischer Kristalle:

  1. Wenn man die Unterdrückung der Emission ausnutzt, lassen sich effektivere Solarzellen denken, die zwischen Auffangen und Abziehen der eingestrahlten Energie weniger Verluste aufweisen.

Noch wesentlich wichtiger sind die Anwendungen für die Telekommunikation und die IT:

  1. Man könnte photonische Kristalle aus Halbleitermaterial aufbauen – integrierte Schaltkreise, die elektrische und optische Effekte für äußerste Miniaturisierung verbinden.
  2. Der Bau miniaturisierter Laser könnte von der Verstärkung der Emission profitieren, z. B. für optische Speichermedien.
  3. Eine interessante Anwendung wäre eine optimierte Ein-Photon-Quelle, die in möglichst regelmäßigen Abständen emittiert, d. h. nach Anregung zuverlässig in einem kurzen Zeitraum (quantum computing, Quantenkryptographie).
  4. Und natürlich lässt sich über den Einsatz photonischer Kristalle als Speicher- und Leiterbausteine in einem Quantencomputer spekulieren – nicht, dass es in dieser Hinsicht an Ansätzen mangelte. Der besondere Charme dieses Weges liegt aber darin, dass die Materialeigenschaften selbst die Kontrolle über die Quanteneffekte übernehmen, bei relativ einfacher Herstellung und im Prinzip unproblematischem Einsatz.