Vertrauen in Scholz erschüttert: Rückforderung von Corona-Hilfen schockt Unternehmer

Angela Merkel, Olaf Scholz und Karl Lauterbach im Bundestag, August 2021

Merkel, Scholz und Lauterbach im Bundestag, August 2021. Bild: photocosmos1 /shutterstock.com

Kleinunternehmer und Selbstständige fühlten sich von Versprechen der Regierung in Sicherheit gewogen, während Steuergelder in fragwürdige Projekte flossen.

Viele haben Olaf Scholz (SPD) wohl blind vertraut, als der damalige Bundesfinanzminister betonte, es müsse "nichts" zurückgezahlt werden.

Nach Recherchen des Verbunds von WDR, NDR und der Süddeutschen Zeitung sollen nun allerdings mehr als 20 Prozent der Selbstständigen und Kleinunternehmer, die während der Pandemie Soforthilfen erhielten, diese teilweise oder vollständig zurückzahlen.

Betroffene hatten fälschlicherweise angenommen, dass sie die Hilfen nicht zurückzahlen müssten – weil sie überzeugt waren, die Voraussetzungen erfüllt zu haben.

Mehr als 400.000 Fälle

Die Rückforderungen jener "unbürokratischen Hilfen", deren Mittel größtenteils vom Bund bereitgestellt wurden, umfassen dem Bericht zufolge mehr als 400.000 Fälle. Laut Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums seien dabei zusammengenommen rund fünf Milliarden Euro zu viel ausgezahlt worden. 3,5 Milliarden Euro davon seien bereits zurückgezahlt, mehr als 1,5 Milliarden Euro damit aber noch offen.

Viele der Betroffenen haben bereits Klage gegen die Rückforderungen eingereicht, und waren damit auch teilweise erfolgreich. Doch auf diesen Erfolg kann sich vermutlich nicht jeder unter ihnen einstellen – auch deshalb, weil die Höhe der Rückforderungen zwischen den Bundesländern stark variiert. Das wurde bereits von berufener Stelle kritisiert.

Unmut wegen Maskendeals

Für zusätzlichen Unmut unter Unternehmern und Gewerbetreibenden könnte die Gemengelage auch deshalb sorgen, weil sich die Regierung für die Corona-Mehrausgaben, die sie nun an der einen Stelle von ihren Bürgern zurückfordert, an anderer Stelle noch nicht verantwortet hat.

Dabei fallen vor allem die übermäßige Maskenbeschaffung und Testzentren-Entlohnung ins Gewicht.

Plötzliche Rückforderungen schüren Existenzängste

Die Corona-Soforthilfe wurde im März 2020 eingeführt, um Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmern "schnell und unbürokratisch" zu helfen. Insgesamt flossen etwa 13 Milliarden Euro an rund 1,8 Millionen Empfänger. Einige dieser Zahlungen sollen nun möglicherweise zu Unrecht erfolgt sein.

Die damit verbundenen Rückforderungen schüren bei Kleinunternehmern und Soloselbstständigen Existenzängste, (be-)schreiben WDR und Co.

Denn die Antragssteller hatten die Soforthilfen in der Annahme erhalten, dass sie selbige nicht zurückzahlen müssten, sofern sie die Voraussetzungen erfüllten. Die plötzlichen Rückforderungen hätten viele in finanzielle Schwierigkeiten gebracht.

Rechtsanwältin Christina Oberdorfer, die eine Klägerin vertritt, betont in besagtem Bericht, dass viele Betroffene nun ein zweites Mal um ihre Existenz fürchteten. Das Wirtschaftsministerium bekräftigt dagegen, die Konditionen bereits im Vorfeld der Förderung 2020 "transparent kommuniziert" zu haben.

Bundesrechnungshof: "Unklare Anspruchsvoraussetzungen"

Die Rückforderungen sind auch deshalb problematisch, weil die Regelungen zur Vergabe der Soforthilfen und deren Rückforderung zwischen den Bundesländern stark variieren. Während in Berlin nur fünf Prozent der bewilligten Soforthilfen widerrufen wurden, sind es in Nordrhein-Westfalen über 50 Prozent. Diese Unterschiede resultieren aus den unterschiedlichen Verfahren der Länder bei der Auszahlung und Überprüfung der Hilfen.

Der Bundesrechnungshof kritisierte diese "unklaren Anspruchsvoraussetzungen" und bemängelt, dass das Bundeswirtschaftsministerium zu Beginn der Pandemie nicht klar festgelegt habe, welche Ausgaben durch die Soforthilfen gedeckt werden sollten.

So seien die Bedingungen für die Antragsberechtigung erst nach Beginn der Auszahlungen konkretisiert worden, was zu Verwirrung und Missverständnissen führte.

In Nordrhein-Westfalen wurden die Online-Informationen zu den Soforthilfen zwischen März und Mai 2020 15 Mal geändert. Die Folge auch hier: große Unsicherheit und zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen.

Widerstand wächst: Zahlreiche Klagen

Das Bundeswirtschaftsministerium strebt nun eine einheitliche Lösung für alle Länder an, um die Rückforderungen vergleichbar zu gestalten. Doch der Bundesrechnungshof warnt, dass je länger die Verfahren dauern, desto stärker der "Vertrauensschutz der Begünstigten" ins Gewicht fällt – schon aus dem Grund, weil viele Betroffene die gewährten Leistungen bereits ausgegeben hätten und die Rückzahlungen folglich nicht mehr leisten.

Der Widerstand gegen die Rückforderungen reißt indes nicht ab. In Nordrhein-Westfalen haben bereits mehrere Gerichte Rückforderungsbescheide für rechtswidrig erklärt. Bundesweit haben insgesamt 5.000 Betroffene Klageverfahren angestrengt. Etwa die Hälfte davon läuft noch.

Allein in Baden-Württemberg war zwischenzeitlich eine dreistellige Zahl von Klagen bei den Verwaltungsgerichten anhängig, die sich gegen Bescheide richteten, in denen Rückzahlungen in vier- bis fünfstelliger Höhe gefordert werden.

Das Verwaltungsgericht Freiburg hat allerdings am 10. Juli in fünf von sechs Musterverfahren die Rückforderungsbescheide der Landeskreditbank Baden-Württemberg (L-Bank) aufgehoben. Die Urteilsbegründung steht noch aus, und das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen.