Viele Einschläge und ein Massensterben

Es brauchte wohl mehr als einen Meteoriten, um die Dinos auszulöschen

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In Philadelphia tagten gerade die amerikanischen Geologen und erneut wurden Beweise vorgelegt, die Zweifel nähren, dass der Meteoriteneinschlag im heutigen Mexiko, der den Chicxulub-Krater schuf, für das Massensterben am Ende der Kreidezeit verantwortlich ist, dem auch die Dinosaurier zum Opfer fielen. Wahrscheinlich veränderte zuerst ein massiver Vulkanausbruch das Klima der Erde und dann schlugen noch mehrere gigantische kosmische Geschosse nacheinander ein. Ein echtes Horrorszenario.

Einmal mehr ist es Gerta Keller von der Princeton University, die zusammen mit ihren Kollegen Thierry Adatte von der Université de Neuchâtel sowie Zsolt Berner und Doris Stüben von der Universität Karlsruhe erneut die Debatte um den Chicxulub-Impakt anheizt.

Die Paläontologin hatte bereits in der Vergangenheit diese Auseinandersetzung initiiert (The Great Chicxulub Debate). Ausgelöst wurde die Diskussion durch Tiefenbohrungen in dem Krater auf der Yucatan-Halbinsel vor einigen Jahren, deren Resultate Hinweise darauf lieferten, dass er durch einen Meteoriteneinschlag entstand, der 300.000 Jahre vor dem Massensterben stattfand.

Illustration vom Einschlag eines Meteoriten, der den Chicxulub-Krater schlug (Bild: Brown University)

Jetzt legte die Forschergruppe auf dem Jahrestreffen der Geological Society of America in Philadelphia neue Beweise für ihre Theorie vor, dass eine ganze Kette von Katastrophen und nicht nur dieser einzelne Einschlag für das Massensterben am Ende der Kreidezeit verantwortlich waren. Mindestens zwei Drittel aller Tierarten überlebten die drastische Klimaveränderung am Übergang zum Paläogen) – früher Tertiär genannt – nicht.

Globale Erwärmung als Killer

Es musste einiges zusammenkommen, um die Bedingungen auf unserem Planeten so zu verändern, dass die meisten Tierarten und unter ihnen die Saurier endgültig aus der Erdgeschichte abtraten. Gerta Keller ist überzeugt:

Der Chicxulub-Einschlag kann das Massensterben nicht ausgelöst haben, weil dieser Einschlag vor dem Massensterben passierte und offensichtlich gar kein Aussterben verursachte.

Sedimente aus Bohrkernen im Krater, aber auch Untersuchungen von neuen Bohrungen am Brazos River in Texas belegen das. Die Wissenschaftler nahmen die Fossilien kleiner Meereslebewesen unter die Lupe und es zeigte sich, dass sie den Einschlag offenbar noch lange völlig unbeschadet überlebten. „An allen diesen Orten können wir die marinen Mikrofossilien in den Sedimenten direkt über- und unterhalb der Schicht des Chicxulub-Impakts analysieren und nirgends findet sich ein signifikanter biotischer Effekt. Wir können dem Einschlag kein spezifisches Artensterben zuordnen“, erläutert Gerta Keller.

Die kleinen Kriechtiere aus dem Meer sind zwar nicht so spektakulär wie ein T-Rex, dafür gab es sie damals (und zwar direkt vor wie auch nach dem Einschlag) so reichlich, dass ihre Fossilien in großer Zahl zu finden sind. Allerdings überlebten sie genau wie die großen Echsen den Übergang ins nächste Erdzeitalter nicht mehr, sie gaben einige hunderttausend Jahre später massenhaft ihren Geist auf.

Am Ende der Kreidezeit müssen nach Meinung der Forschergruppen mehrere riesige Meteoriten eingeschlagen sein, nachdem andauernde und gigantische Vulkanausbrüche zuvor in Indien das Dekkan-Plateau aus Flutbasalt geschaffen hatten. Die Paläontologen um Keller sind der Meinung, dass die Verkettung von Katastrophen zu einer raschen Erderwärmung führte.

Die Eruptionen in Indien setzten große Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre frei, zurzeit des Chicxulub-Einschlags hatten sich die Meere bereits um 3 bis 4 Grad erwärmt. An Land hatte sich die Temperatur bereits um 7 bis 8 Grad gesteigert. Gerta Keller erklärt:

Dieser Treibhaus-Effekt ist gut dokumentiert. Der Temperaturanstieg geschah schnell, über einen Zeitraum von 20.000 Jahren und es blieb für ungefähr 100.000 Jahre derartig warm. Danach kühlte es sich wieder ab noch bevor es zum Massensterben kam.

Die meisten der kleinen Meeresbewohner hatten sich der dramatischen Veränderung ihrer Lebensumstände angepasst, in dem sie auf die Hälfte ihrer normalen Größe schrumpften und ihren Reproduktionszyklus stark beschleunigten. In diese Periode fällt der Chicxulub-Einschlag, was sich bei der Untersuchung der Fossilien zeigte.

Die meisten Arten auf der Erde waren also bereits langanhaltendem Druck auf ihre Überlebensfähigkeit ausgesetzt, als erneut eine Katastrophe über sie hereinbrach. Vermutlich war es ein erneuter sehr massiver Meteorit, der vor 65,5 Millionen Jahren mit der Erde kollidierte und gewaltige Staubwolken aufwirbelte und weltweit die Schicht aus außerirdischem Iridium hinterließ, die tatsächlich das Ende des Zeitalters der Dinosaurier markiert. Aber wo ist der Krater? Gerta Keller kann da bisher auch nur mit den Schultern zucken:

Ich wünschte mir, ich wüsste es. Es gibt einige Hinweise, dass er in Indien eingeschlagen sein könnte, wo sich ein Krater mit einem Durchmesser von 500 Kilometern befindet, dem der Paläontologe Sankar Chatterjee vom Museum der Texas Tech University in Lubbock den Namen Shiva gegeben hat. Allerdings sind die Beweise dafür jetzt noch nicht restlos überzeugend.

The Shiva Crater: Implications for Deccan Volcanism, India-seychelles Rifting, Dinosaur Extinction, and Petroleum Entrapment at the Kt Boundary

Die nächste Runde der Debatte ist eröffnet und es kann davon ausgegangen werden, dass die Fossilien der Meerestiere als Beweiskette nicht alle Zweifler überzeugen werden, dass nicht der Chicxulub-Einschlag das Ende des Zeitalters der Reptilienherrschaft einläutete.