Vietnam kopiert Chinas Inselbau-Taktik im Südchinesischen Meer

Ein Schiff vor einer Landmasse

Fregatte der vietnamesischen Marine

(Bild: Phuong D. Nguyen/Shutterstock.com)

Vietnam baut im Südchinesischen Meer Inseln nach Chinas Vorbild. Militärische Präsenz wächst rasant. Wie reagiert Beijing darauf?

Vietnam baut seine militärische Präsenz im Südchinesischen Meer aus – und nutzt dabei ähnliche Taktiken des Inselbaus wie China. Wie das Wall Street Journal auf Basis hochauflösender Satellitenbilder berichtet, hat das sozialistische Land seine Präsenz in den umstrittenen Spratlay-Inseln in den vergangenen drei Jahren massiv ausgebaut. Insgesamt stieg die von Vietnam verbaute Fläche um den Faktor zehn.

Neue Häfen, Gräben und Landebahnen

Laut dem WSJ umfassen Vietnams Expansionen den Bau von Häfen, Verteidigungsgräben und möglicherweise auch den Ausbau von Start- und Landebahnen für militärische Zwecke.

China hat bereits künstliche Inseln mit Beobachtungstürmen, Startbahnen und anderer militärischer Infrastruktur errichtet, um seine Vormachtstellung in der Region zu festigen.

Laut der Asia Maritime Transparency Initiative (AMTI) hat Vietnam seit November 2023 insgesamt 692 Hektar hinzugewonnen, wodurch sich sein Gesamtvolumen an Ausbaggerung und Landgewinnung im Südchinesischen Meer auf etwa 2.360 Hektar beläuft – etwa die Hälfte der 4.650 Hektar, die von China bebaut wurden. Vietnam greift auf identische Bagger- und Bautechniken zurück.

Zum Vergleich: vor drei Jahren betrug die Gesamtfläche aller vietnamesischen Außenposten im Südchinesischen Meer lediglich 329 Hektar.

China hält sich zurück

Obwohl China seine Ansprüche gegenüber den Philippinen aggressiv durchsetzt, hat Beijing bisher nicht auf die Aktivitäten Vietnams reagiert. Wie die Asia Times berichtet, könnte Chinas Zurückhaltung möglicherweise ideologische Gründe mit Blick auf den jüngsten Führungswechsel in Vietnam haben (den man positiv begleiten will) – zum anderen spielt sich der Hauptkonflikt aus chinesischer Sicht derzeit mit den Philippinen über das Second Thomas Shoal ab.

Vietnam hat zu den Berichten über die Entwicklungen nicht offiziell Stellung genommen. Vieles deutet darauf hin, dass das Land seine strategische Position inmitten territorialer Streitigkeiten mit China und anderen Mächten in der Region stärken will.

Die neuen Außenposten könnten als Stützpunkte für militärische Langstreckenflugzeuge dienen, was auf eine klare Militarisierungsabsicht hindeutet.

In Bezug auf Vietnams bevorzugte Methoden zur Landgewinnung im Südchinesischen Meer erwähnen Monica Sato und andere Autoren in einem Bericht für das Center of Strategic and International Studies (CSIS) vom Dezember 2023, dass die auch von China seit 2013 verwendeten Schneidkopf-Saugbagger die Zerstörung von Korallenriffen und das Abpumpen von Sedimenten zur Landgewinnung beinhalten.

Vietnams militärische Modernisierung

In einem Bericht vom Juli 2021 für das in Singapur ansässige ISEAS-Yusof Ishak Institute erklärt der vietnamesische Experte Nguyen Phuong, dass sich die Modernisierung des vietnamesischen Militärs seit 2016 deutlich verlangsamt hat.

Nguyen nennt darin Budgetrestriktionen als größte Herausforderung, da Ressourcen in andere nationale Prioritäten wie Infrastruktur und Gesundheit umgeleitet werden. Er betont auch, dass die Vietnamesische Volksrarmee (VPA) politische Aktionen und Propaganda über militärische Aktionen stellt, was die Modernisierungsbemühungen ebenfalls behindert.

Darüber hinaus weist Nguyen darauf hin, dass die Anti-Korruptionskampagne des ehemaligen und inzwischen verstorbenen Generalsekretärs der Kommunistischen Partei, Nguyen Phu Trong, das militärische Beschaffungswesen gestört hat, da in ihrer Folge mehrere korrupte Netzwerke innerhalb der VPA zerschlagen wurden.

Vietnams Umgang mit seinen Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer könnte ebenfalls ein Faktor für Chinas relativ zurückhaltende Reaktion im Gegensatz zu seinem aggressiven Vorgehen gegenüber den Philippinen sein.

In einem Artikel vom Mai 2024 für das National Bureau of Asian Research (NBR) schreibt Nguyen, dass Vietnams Ansatz im Umgang mit Spannungen mit China "diskret und pragmatisch" sei, was eine Gratwanderung zwischen Entgegenkommen und Durchsetzungsvermögen widerspiegele.

Vietnam habe aufgrund "konservativer" innenpolitischer Traditionen historisch eher eine unterwürfige Haltung gegenüber China eingenommen hat, suche jetzt jedoch zunehmend die Unterstützung der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) und der USA, um eigene politische und militärstrategische Interessen in der Region durchzusetzen. Das Südchinesische Meer ist dabei nur ein Schauplatz.

Die Spratlay-Inseln inmitten des Südchinesischen Meeres werden sowohl von Vietnam, als auch von China, Taiwan, Malaysia und Brunei beansprucht.