"Völkermord": UN-Funktionär tritt aus Protest gegen Haltung zu Israel-Krieg zurück
Vertreter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte legt Amt nieder. Kritik an "totalem Versagen" der Weltorganisation. Das ist nicht der einzige Aufreger in dem Brief.
Der Leiter der New Yorker Vertretung des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Craig Mokhiber, hat aus Protest gegen die seiner Meinung nach zu nachgiebige Haltung gegenüber den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen sein Amt niedergelegt. Er wolle damit seinen Protest gegen das "totale Versagen" der Vereinten Nationen beim Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung zum Ausdruck bringen.
Die UNO habe es nicht geschafft, die israelischen Angriffe zu stoppen, schreibt Mokhiber in einem offenen Brief an das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR), Volker Türk. In dem Schreiben bezeichnet er das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza als "Völkermord". Gleichzeitig beschuldigt er die Regierungen der USA, Großbritanniens und eines Großteils Europas der Komplizenschaft bei der Verletzung des Völkerrechts.
Das Schreiben Mokhibers an das OHCHR in Genf ist auf den 28. Oktober datiert: "Dies ist meine letzte Mitteilung an Sie" in seiner Funktion in New York, schrieb er an Türk.
Mokhiber hat offenbar bewusst die Form des offenen Briefes gewählt, um eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Ob ihm dieser Schritt persönlich geschadet hat, ist fraglich. Der britische Guardian berichtet, der bisherige Leiter der New Yorker OHCHR-Vertretung habe ohnehin das Pensionsalter erreicht.
Dennoch dürfte die Wortmeldung innerhalb der UN für Aufsehen sorgen, auch wegen der harschen Kritik an der Weltorganisation: "Wieder einmal sehen wir, wie sich ein Völkermord vor unseren Augen abspielt, und die Organisation, der wir dienen, scheint machtlos zu sein, ihn zu stoppen".
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Die UNO habe bereits bei der Verhinderung früherer Völkermorde an den Tutsi in Ruanda, den Muslimen in Bosnien, den Jesiden im irakischen Kurdistan und den Rohingya in Myanmar versagt, sagte Mokhiber und fügte an Türk gewandt hinzu: "Herr Kommissar, wir versagen wieder".
Das gegenwärtige Massaker am palästinensischen Volk, das auf einer ethnonationalistischen kolonialen Siedlungsideologie basiert und die jahrzehntelange systematische Verfolgung und Vertreibung des Volkes fortsetzt, die ausschließlich auf seinem Status als Araber beruht (...), lässt keinen Raum für Zweifel oder Diskussionen.
Craig Mokhiber
Der UN-Funktionär fügte hinzu: "Dies ist ein Fall von Völkermord wie aus dem Lehrbuch". Die USA, Großbritannien und ein großer Teil Europas hätten sich nicht nur geweigert, ihren vertraglichen Verpflichtungen aus den Genfer Konventionen nachzukommen. Sie hätten den israelischen Angriff sogar politisch und diplomatisch unterstützt.
Der scheidende Leiter der New Yorker OHCHR-Vertretung erwähnt in seinem offenen Brief mit keinem Wort den Angriff der Hamas und anderer bewaffneter islamistischer Organisationen auf Israel am 7. Oktober. Bei dem Terrorakt waren mehr als 1.400 Menschen getötet und 240 Geiseln genommen worden.
Stattdessen plädiert Mokhiber de facto für die Auflösung des Staates Israel. "Wir müssen die Errichtung eines einzigen, demokratischen, säkularen Staates im gesamten historischen Palästina unterstützen, mit gleichen Rechten für Christen, Muslime und Juden". Es gehe darum, "das zutiefst rassistische Siedler-Kolonialprojekt zu zerschlagen und die Apartheid im ganzen Land zu beenden".
Mokhiber spielt damit auf die sogenannte Ein-Staaten-Lösung an, für die sich kürzlich auch der israelische Historiker Ilan Pappé in einem Beitrag für Telepolis ausgesprochen hatte.
Mokhiber war seit 1992 für die Vereinten Nationen tätig, zuletzt in führenden Positionen. Er leitete die Arbeit des Hochkommissariats zur Entwicklung eines menschenrechtsbasierten Entwicklungsansatzes und war als leitender Menschenrechtsberater in Palästina, Afghanistan und im Sudan tätig.
Der auf internationales Menschenrecht spezialisierte Jurist lebte in den 1990er-Jahren in Gaza.
In seiner Funktion als Leiter der OHCHR-Vertretung in New York wurde er wiederholt von israelfreundlichen Gruppen kritisiert. Ihm wurde vorgeworfen, die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) zu unterstützen und Israel der Apartheid zu bezichtigen.
Zumindest den zweiten Vorwurf bestätigte er in seinem offenen Brief ohne Umschweife.
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