Völkerrecht: Sittenregel für Gewalthaber

Blauhelm, Foto: Daniel Košinár, CC0 1.0

Jeder Staat achtet das Völkerrecht. Er beruft sich sogar bei Kriegen darauf, weil er sich natürlich immer nur selbst verteidigt. Das ist schließlich erlaubt. Über ein sehr seltsames "Recht".

Israel achtet selbstverständlich das Völkerrecht – sagt Israel. Seine Streitmacht überzieht den Gaza-Streifen zwar mit einem verheerenden Krieg. Männer, Frauen, Kinder, Patienten in Krankenhäusern und viele weitere Zivilisten werden getötet, Überlebende vertrieben, ihre Häuser zerstört.

Aber dies geschehe im Einklang mit dem Völkerrecht. Denn dies sieht das Recht eines jeden Staates auf Selbstverteidigung vor. Und das reklamiert Israel seit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 für sich.

Dabei verstoße allerdings Israel gegen das Verbot des Völkermords im Rahmen des Völkerrechts – sagt Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen (UN) für die palästinensischen Gebiete:

"Die überwältigende Art und das Ausmaß des israelischen Angriffs auf Gaza und die zerstörerischen Lebensbedingungen, die er verursacht hat, offenbaren eine Absicht, die Palästinenser als Gruppe physisch zu vernichten."

Waffenlieferungen und Völkerrecht: kein Widerspruch

Die USA und Deutschland dringen auf Einhaltung des Völkerrechts, unterstützen Israel aber weiter mit Waffen.

Dies sei aber durch das Völkerrecht verboten – sagt Nicaragua. Deshalb strengt das mittelamerikanische Land eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen Deutschland an.

Der Staat "habe Israel politisch, finanziell und militärisch unterstützt sowie die Mittel für das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) gestrichen … Nach der Völkermordkonvention sind Staaten verpflichtet, alles zu tun, um Völkermord zu verhindern. Deutschland jedoch habe nicht nur gegen diese Verpflichtung verstoßen, sondern auch die Begehung eines Völkermords durch Israel erleichtert, so der Vorwurf aus Nicaragua."

Israel, USA, Russland, Deutschland: Alle sind im "Völker"-Recht

Russland respektiert ebenfalls das Völkerrecht – sagt Russlands Präsident Wladimir Putin: "Die Volksrepubliken des Donbass haben Russland um Hilfe gebeten. In diesem Zusammenhang habe ich gemäß Kapitel 7 Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen … die Entscheidung getroffen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen. … Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind."

Die NATO-Staaten handeln mit ihren Waffenlieferungen an die Ukraine im Einklang mit dem Völkerrecht – sagt die NATO. Schließlich habe Russland das Land angegriffen, was völkerrechtlich verboten sei. Daher sei es legitim, den Angegriffenen mit Kriegsgerät auszustatten, damit er sich verteidigen könne. Zur Kriegspartei werde man damit noch lange nicht, sage das Völkerrecht auch.

Das ist gerade Deutschland wichtig. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will eine militärische Konfrontation Deutschlands mit Russland unbedingt vermeiden. Dazu zählt er auch den Einsatz von Bundeswehr-Soldaten in der Ukraine, um beim Abschuss von "Taurus"-Marschflugkörpern zu helfen: "Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein."

Das Völkerrecht ignorieren – und es in Anschlag bringen, wenn es passt

Die Liste der Fälle, in denen Staaten beim Vorgehen gegen ihresgleichen das Völkerrecht bemühen, ist lang. Und sie beginnt wesentlich früher als diese beiden aktuellen Konflikte: Seitdem sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Vereinten Nationen auf ein "Völkerrecht" verständigt haben, reklamieren es Staaten in ihrem Handeln für sich; genauer gesagt führen es an, um andere Staaten vor der "Weltgemeinschaft" anzuklagen.

Was hat es also mit diesem Recht auf sich? Es kann offenbar in kriegerischen Auseinandersetzungen von jeder Seite für sich reklamiert werden. Allerdings fehlt es an einer Instanz, die diese Auslegung letztlich entscheiden würde und das Urteil durchsetzen könnte.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag verhandelt zwar auf Antrag von Staaten solche Fälle. Aber er verfügt über keine Gewalt. Den Gerichtshof akzeptieren weiterhin nicht einmal alle Nationen. Allen voran erkennen die USA diese Instanz nicht an. Es kann schließlich nicht sein, dass die überragende Macht dieser Welt sich in ihrer Gewalt von einem ihr übergeordneten Gremium behindern lässt, lautet der Standpunkt Washingtons.

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