Vogelgrippe jetzt ganzjährig in Deutschland aktiv
Der H5N1-Virus tritt in Deutschland nicht mehr nur im Winter auf. Seit 2020 hat sich neuer Virustyp in Wildvögeln etabliert. Experten beobachten diese Entwicklung mit Sorge.
Bislang ist die Vogelgrippe H5N1 (aviäre Influenza) in Deutschland in erster Linie eine wirtschaftliche Belastung landwirtschaftlicher Betriebe und zoologischer Gärten. Mehr als 143.000 Tiere sind im zweiten Halbjahr 2024 in Mecklenburg-Vorpommerns Geflügelhaltungen der Vogelgrippe zum Opfer gefallen, vor allem weil sie vorsorglich getötet wurden.
Laut Zahlen des Schweriner Landwirtschaftsministeriums waren allein ab Oktober sechs Haltungen betroffen, darunter kleinere Haltungen, aber auch größere Betriebe.
Das ist jedoch keine neue Entwicklung, denn schon im Vorjahr waren allein von Oktober 2023 bis Anfang Februar 2024 etwa 137.700 in Gefangenschaft gehaltene Vögel in Mecklenburg-Vorpommern wegen des Erregers gestorben oder getötet worden. Seit 2020 hat sich eine neue H5N1-Genotyp-Klasse namens 2.3.4.4b durch Reassortments entwickelt und weltweit in Wildvogelpopulationen verbreitet.
Der Vogelbestand im Stralsunder Zoo soll nicht komplett gekeult werden
Auch vor den Zoos in Mecklenburg-Vorpommern macht der für Menschen hierzulande bislang weitgehend ungefährliche Erreger nicht Halt. Anfang Januar hatte der Stralsunder Zoo mitgeteilt, dass er wegen des Nachweises des Virus im Hausgeflügelbestand bis auf Weiteres geschlossen bleibt. Erst im Oktober war dies schon einmal der Fall gewesen. Anders als im vergangenen Jahr ist der Zoo in diesem Jahr nach weiteren Laboruntersuchungen immer noch geschlossen.
Das Veterinäramt des Landkreises Vorpommern-Rügen teilte auf Anfrage mit, es werde so weit wie möglich versucht, im Stralsunder Zoo von der Tötung des gesamten Vogelbestandes abzusehen. Normalerweise sehe dies das EU-Recht vor. Es seien aber Ausnahmen etwa für Zoos möglich.
Nach Behördenangaben wurde der lediglich der Hausgeflügelbestand im Zoo getötet. Das sind mehr als 100 Hühner, Enten, Gänse, Puten, Perlhühner und Tauben. Danach seien weitere Proben positiv ausgefallen, etwa die eines verendeten Sichlers.
Auch im Rostocker Zoo gab es Ende des vergangenen Jahres zwei Nachweise bei Hühnergänsen. Laut Zoo blieb es bei diesen Einzelfällen. Zu größeren Einschränkungen sei es nicht gekommen. Neben Zoos und größeren Geflügelbetrieben waren 2024 auch kleinere Haltungen im Privatbereich sowie Wildtiere nachweislich betroffen, etwa Schwäne, Wildenten, Möwen oder Kormorane.
Säugetiere vom aktuellen Vogelgrippe-Ausbruch nicht betroffen
Die Vogelgrippe kann auch Säugetiere treffen, etwa wenn diese infizierte Vögel fressen. Neben in landwirtschaftlichen Betrieben gehaltenen Säugetieren wie zum Beispiel Schweinen hat das zuständige Landesamt Vorpommern-Rügen im vergangenen Jahr auch Wildsäuger getestet, etwa Rotfüchse, Waschbären, Marderhunde, Dachse und Kegelrobben. Bei keinem der untersuchten Säugetiere war das Virus damals nachgewiesen worden.
Dass in den Herbstmonaten eine Zunahme an Nachweisen erfolgt, entspricht der üblichen Saisonalität des Infektionsgeschehens. Das Friedrich-Loeffler-Institut beobachtet wie andere Tierseuchen auch die aviäre Influenza. Diese verbreitet sich hierzulande vor allem über Wildvögel. Lange trat sie bedingt durch den Vogelzug hierzulande nur in der kalten Jahreszeit auf. Mittlerweile gibt es jedoch ganzjährig Nachweise. Die Vogelgrippe scheint offensichtlich in Deutschland heimisch geworden zu sein.
Nach Aussagen des Friedrich-Loeffler-Instituts unterscheidet man bei der Vogelgrippe einerseits geringpathogene aviäre Influenzaviren (LPAIV) der Subtypen H5 und H7, die bei Hausgeflügel, insbesondere bei Enten und Gänsen, kaum oder nur milde Krankheitssymptome verursachen. Allerdings können diese Viren auch spontan zu einer hochpathogenen Form (hochpathogene aviäre Influenzaviren, HPAIV) mutieren, die sich dann klinisch als Geflügelpest zeigt.
Die Geflügelpest ist für Hausgeflügel hochansteckend und verläuft mit schweren allgemeinen Krankheitszeichen. HPAIV, aber auch einige LPAIV können bei Exposition gegenüber einer hohen Infektionsdosis auch auf den Menschen übertragen werden und dort tödlich verlaufende Erkrankungen auslösen.
Der im zurückliegenden Herbst durch die Vogelgrippe entstandene wirtschaftliche Schaden können bis jetzt noch nicht genau beziffert werden. Da in den kommenden Wochen mit weiteren Ausbrüchen gerechnet werden muss, dürfte der Schaden noch steigen.
Für Menschen in Deutschland scheint die Vogelgrippe bislang kein Problem
Das RKI stellt in diesem Zusammenhang fest:
Unter "Vogelgrippe" (aviäre Influenza) versteht man in erster Linie eine Erkrankung durch Influenza A-Viren bei Vögeln. Diese Viren können unter Umständen auch Erkrankungen bei Menschen hervorrufen, was ebenfalls als Vogelgrippe bezeichnet wird. Die EU sicherte sich inzwischen 665.000 Impfdosen des Herstellers CSL Seqirus für mehrere Mitgliedsstaaten. Deutschland beteiligte sich an dieser Impfstoffbeschaffung nicht.
Aviäre Influenzaviren können nicht so leicht von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Wenn eine solche Infektion jedoch stattfindet, kann die Krankheit bisweilen sehr schwer verlaufen. Es gibt derzeit weltweit keine Hinweise für eine fortgesetzte Mensch-zu-Mensch-Übertragung mit aviären Influenzaviren.
In den USA sind bislang etwa 60 Fälle bekannt, in welchen Menschen mit dem Vogelgrippevirus infiziert wurden und kürzlich ist ein Mensch am Vogelgrippevirus H5N1 verstorben. Der über 65-jährige Patient habt wohl sowohl mit Wildvögeln als auch mit einem Schwarm in seinem Garten Kontakt gehabt.
Während eine Ansteckung von Mensch zu Mensch mit dem Virus-Typ H5N1 selten stattfindet, sind Einzelfälle einer Übertragung des Vogelgrippe-Erregers des Typs H7N9 inzwischen dokumentiert. Bei diesem Virustyp gibt es mittlerweile Hinweise auf Säugetier-zu-Säugetier-Übertragungen, was das potenzielle Risiko für Menschen erhöht. Bei dieser Infektion sind daher sowohl der Verdacht als auch die Erkrankung meldepflichtig.