Vollbezahlt und überversorgt

Seite 3: Umsetzung an den Parteien vorbei

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Halten Sie das tatsächlich für realistisch?

Hans Herbert von Arnim: Aber ja. Mein Vorschlag hat - im Gegensatz zu anderen - den Charme, dass er auch durchgesetzt werden könnte, und zwar vorbei an den Parteien, Stichwort direkte Demokratie. Jene gibt es in den Bundesländern ja bereits eine Weile. Auch eine Verfassungsänderung wäre damit durchaus möglich. Ich rede übrigens nicht gegen eine Betonwand, sondern bin überzeugt, dass mein Vorschlag umgesetzt wird. Die Frage ist nur: wann.

Was macht Sie da so zuversichtlich?

Hans Herbert von Arnim: Unter anderem die Tatsache, dass die Direktwahl der Bürgermeister, die es früher nur in Bayern und Baden-Württemberg gab, inzwischen auch in anderen Ländern durchgesetzt wurde - und zwar durch direkte Demokratie. In Hessen haben sich bei einem Volksentscheid 87 Prozent der Teilnehmer für die Einführung einer solchen Direktwahl ausgesprochen. In anderen Ländern, wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Schleswig-Holstein reichte schon die Drohung, man wolle ein Volksbegehren initiieren. Auch für die Direktwahl des Ministerpräsidenten ist die große Mehrheit der Bevölkerung.

Diäten

Herr von Arnim, Sie schreiben in Ihrem Buch, es gebe einen Trend zum "vollbezahlten und überversorgten Berufspolitiker." Wie hoch sollte die Diät eines Bundestagsabgeordneten Ihrer Ansicht nach sein?

Hans Herbert von Arnim: Um die Höhe der Entschädigung aktiver Parlamantarier geht es in erster Linie. Und dass zum Beispiel die Altersversorgung von Landtagsabgeordneten in Rheinland-Pfalz pro Jahr achtmal so hoch ist wie die eines Durchschnittsrentners, macht die Überversorgung deutlich. Im Übrigen geht es mir vorrangig um das Verfahren. Ebenjenes sollte man schleunigst ändern. Ich halte es für nicht mehr zeitgemäß, dass die Abgeordneten in eigener Sache entscheiden. Das haben die Väter unserer Verfassungen so nicht vorgesehen. Jedem Richter, jedem Beamten, jedem Offiziellen ist derlei untersagt, er gälte als befangen. Und das zu Recht.

Sie unterstellen also, dass die Abgeordneten das System ausnutzen.

Hans Herbert von Arnim: Das sind doch auch nur Menschen, die nicht zuletzt ihre Interessen im Blick haben. Ein aktuelles Beispiel: In Baden-Württemberg haben die Abgeordneten unmittelbar vor der Wahl des Bundespräsidenten ein "Blitzgesetz" (u.a. Erhöhung der Kostenpauschalen und Mitarbeiterbudgets, Anm. d. Red.) beschlossen. Dabei ließen sie sämtliche Fristen, die in der Geschäftordnung stehen, außer Acht. Und warum ging das so schnell? Weil darin Dinge stehen, die bei sorgfältiger Prüfung unhaltbar sind; das Gesetz ist schlicht verfassungswidrig. Und in Rheinland-Pfalz hat man kurz darauf ganz Ähnliches gemacht und Entschädigung und Altersversorgung in vier Schritten um 17,5 Prozent erhöht. [vgl. Baden-Württemberg: Bürger fühlen sich gefoppt und Diätenerhöhung im Aufmerksamkeitsschatten der Saarlandwahl]

Sinnvolle Schweizer Vorvehaltsregelung

Welches Prozedere hielten Sie für sinnvoll?

Hans Herbert von Arnim: In der Schweiz stehen derartige Beschlüsse unter dem Vorbehalt eines Volksentscheides. Das ist sinnvoll. Man könnte es auch machen, wie es der US-Verfassungsvater James Madison vorschlug: Den geplanten Diäten-Beschluss vor der Wahl treffen und verkünden, sodass die Bürger die Möglichkeit haben, die Abgeordeneten damit im Wahlkampf zu konfrontieren. Laut Verfassungsgericht ist ja bei Entscheidungen in eigener Sache die Öffentlichkeit die einzig wirksame Kontrolle. Die Abgeordenten dürften diese also nicht ausschalten, zum Beispiel durch Blitzgesetze. Wir sehen, es geht auch anders. Man muss nur wollen. Daran scheitert es bislang.

Sie kritisieren auch eine "Verbeamtung von Parlamemten und Parteien". Wie könnte man ein Mandat attraktiver machen für gute, kompetente Leute aus der Wissenschaft und Wirtschaft?

Hans Herbert von Arnim: Zunächst einmal widerspreche ich all jenen, die behaupten, es fänden sich keine Leute, die in die Politik wollen. Das ist schlicht falsch. Wenn es um bezahlte Mandate geht, stehen die Leute Schlange.

Aus Ihrer Sicht aber die Falschen.

Hans Herbert von Arnim: Innerhalb der Parteien ist die Konkurenz um die üppig bezahlten Mandate immens. Neue Leute, motivierte Quereinsteiger, die etwas bewegen wollen, haben meist keine echte Chance. Solange die Parteifunktionäre und Etablierten von den Newcomern verlangen, dass sie das Gleiche tun, was sie tun mussten: nämlich jahrelange Ochsentouren durch die Kreisverbände, solange wird sich daran nichts ändern. Plakativ gesagt: Die Ochsentour ist die Voraussetzung für eine Parteikarriere. Im Übrigen ein weiteres Argument für ein neues Wahlrecht.

Quereinsteiger wie Lothar Späth, Klaus von Dohnanyi, Rita Süssmuth …

Hans Herbert von Arnim: … sind Einzelfälle! Im Übrigen musste Späth wegen der Traumschiffaffäre gehen, von Dohnany ist für den Hamburger Diäten- und Versorgungsskandal mitverantwortlich. Und Süssmuth hatte die Dienstwagenaffäre am Bein. Es ist überdies Unfug, wenn Leute meinen, es kämen tüchtigere und kompetentere Leute ins Parlament, wenn man die Diäten weiter erhöhte. Beides hat nichts miteinander zu tun.

Der Soziologe Michael Zöller schlug vor, einem Abgeordneten 120 oder 150 Prozent dessen zu zahlen, was er im Durchschnitt der Jahre vor seiner Wahl versteuert hat. Eine kluge Idee?

Hans Herbert von Arnim: Ich hielte derlei nicht für falsch. Man müsste das allerdings nach oben und unten deckeln; schließlich wäre es unangemessen, einem Höchstverdienenden eine Diät in Höhe von beispielsweise 100 000 Euro zu zahlen. Klar ist aber auch: Eine solche Regelung wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig; das Gericht geht von einer Einheitsdiät aus. Verfassungspolitisch dagegen kann man das durchaus diskutieren.

Die Hebel der Macht und wer sie bedient - Parteienherrschaft statt Volkssouveränität
Heyne Verlag, München 2017
ISBN 9783453201422
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