Vom Ende der Welt zum Big Bang

Wie US-Astronomen "vom Südpol aus" einen handfesten Beweis für die Richtigkeit der Urknall-These fanden

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Auf der COSMO-02-Konferenz in Chicago berichteten in der vorletzten Woche die Wissenschaftler um John Carlstrom von der hiesigen Universität, dass es ihnen gelungen ist, die Polarisation der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung nachzuweisen. Ausgerechnet am Südpol sammelten sie neue Beweise für die "Echtheit" des Big-Bang-Modells. Ein kleines Radioteleskop lüftete das Geheimnis. Jetzt ist es aktenkundig: Die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung ist polarisiert - genau wie es die gängige Urknalltheorie vorhersagt. Die Messungen ermöglichen Aussagen über die Bewegungen im Frühkosmos - und vielleicht verraten sie sogar etwas über die Signatur der Inflationsphase.

Intensität und Polarisation der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung. Bild: DASI

Es mutet schon ein wenig befremdlich an. Aber mitunter muss so manch Astronom wirklich bis ans Ende der Welt reisen, um Kenntnisse über den Anfang derselbigen zu gewinnen. Wenn Forscher die Strapaze auf sich nehmen und 3000 Meter über den Meeresspiegel bei Temperaturen von bis zu minus dreißig Grad spezielle Teleskope aufstellen, sind dafür nicht Gefühle der Fernweh oder irgendwelche Abenteuergelüste verantwortlich.

Bis ans Ende der Welt gereist

Wer die Kälte und Öde der Antarktis in Kauf nimmt, folgt in der Regel einem wissenschaftlich handfesten Motiv: Er benötigt schlichtweg optimale Beobachtungsbedingungen. Am Südpol herrschen diese bekanntlich vor. Hier, in frostigen Gefilden, wo die Sonne gleich ein halbes Jahr lang rund um die Uhr scheint, ist die Luft noch sauber und kristallklar. Hier, abseits der zivilisationsbedingten Lichtverschmutzung, ist der Blick ins All noch ungetrübt.

Bis ans Ende der Welt gereist ist kürzlich auch das Wissenschaftlerteam um John Carlstrom von der Universität von Chicago, das in der Nähe der im ewigen Eis des Südpols dahintreibenden amerikanischen Amundsen-Scott-Station der National Science Foundation ein kleines, aber feinfühliges Radioteleskop installierte und in Betrieb nahm: das Degree Angular Scale Interferometer (DASI).

Wie John Carlstrom und Kollegen aus seinem Team in der vorletzten Woche berichteten, ist es ihnen offensichtlich vor kurzem mit dem DASI geglückt, die Polarisation der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung nachzuweisen, jener Strahlung, die zusammen mit der Rotverschiebung als das stärkste Indiz für die Richtigkeit der Big-Bang-These gilt.

In der Forschung wird die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, die 1965 von den Radioastronomen Robert Wilson und Arno Penzias zufällig entdeckt wurde, gemeinhin gerne als das "Nachglühen" des Big Bang bezeichnet, als das Echo des Urknalls, das - und hierin herrscht bei den Experten weitgehend Einigkeit - erst 400.000 Jahre nach dem Ur-Knall den "Äther" vollends ausfüllte.

Charakteristisch für das kosmo-archaische Echo ist seine extrem kurzwellige Strahlung im Radiowellenbereich (Mikrowellenbereich). Sie liegt etwa bei 2,7251 Grad über dem absoluten Nullpunkt, weshalb sie oft als 3K-Hintergrundstrahlung bezeichnet wird. Anfangs glaubte die Mehrheit der Astronomen noch, die 3K-Strahlung würde absolut gleichförmig aus allen Himmelsrichtungen emittieren. Doch seitdem die NASA-COBE-Forschungssonde, der Cosmic Background Explorer winzige Temperaturunterschiede entdeckte (1992) und US-Astronomen im Rahmen der Boomerang-Ballon-Mission (1998) erstmals "Töne" des frühen Universums in der Hintergrundstrahlung hörten, verdichten sich die Anzeichen, dass es innerhalb der Hintergrundstrahlung "akustische Spitzen" gibt. Just diese minimalen Schwankungen und Temperaturunterschiede soll übrigens die NASA-Mission MAP alsbald errechnen (Vgl.NASA-Detektiv nimmt Big Bang unter die Lupe).

Polarisiertes Licht

Normalerweise ist das Licht unpolarisiert. Ein normaler Lichtstrahl besteht aus Lichtwellen, die orthogonal zur Fortpflanzungsrichtung schwingen. Die Wellen pflanzen sich in Ebenen fort, die jeden Winkel zwischen 0 Grad und 360 Grad einnehmen können. Alle Lichtwellen schwingen demnach in unterschiedlichen Ebenen. Die Forscher gehen jetzt von folgender Überlegung aus. Angenommen, die fossile Hintergrundstrahlung stammt wirklich aus einer Zeit, als das Universum gerade mal 400.000 Jahre auf dem kosmischen Buckel hatte und die ersten neutralen Atome in einem riesigen Ozean elektromagnetischer Strahlung und Elementarteilchen gerade generiert wurden, dann müsste doch durch Streuung an diesen Atomen die Strahlung damals polarisiert worden sein. Mit anderen Worten: die Atome müssten bevorzugt in einer Ebene schwingen - und dadurch unglaublich wertvolle Daten aus der Zeit rund 400.000 Jahre nach dem Urknall liefern, eben aus jener Ära, als sich Strahlung und Materie gerade voneinander zu trennen begannen. "Genau diese Polarisation ist vorhergesagt worden", betont John Carlstrom auf dem International Workshop on Particle Physics and the Early Universe in Chicago. "Das besondere an ihr ist, dass wir dadurch direkt Informationen über die Dynamik im frühen Universum erhalten."

Dass die Astronomen die Polarisation der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, die sich vor 14 Milliarden Jahren zugetragen haben dürfte, als die Strahlung das letzte Mal mit Materie in Berührung kam, nunmehr tatsächlich detektieren konnten, ist deren Geduld zu verdanken. Über 200 Tage lang (5500 Stunden) fokussierten sich die Wissenschaftler auf zwei winzige Himmelsflecken. Dabei kristallisierte sich heraus, dass die Polarisation rund zehnmal schwächer war als die zuvor mit Hilfe des selben Teleskops gefundenen winzigen Temperaturunterschiede in der Hintergrundstrahlung. Damit dürften alle Interpretationen der Daten der letzten Jahre in Frage gestellt worden sein, meint Carlstrom.

Statt zu sagen, dass wir den Ursprung und die Entwicklung des Universums mit recht großer Sicherheit verstehen, hätten wir zugeben müssen, dass wir eigentlich gar nichts wissen. Polarisation wird von den Theorien vorhergesagt, sie wurde gefunden, das heißt wir müssen mit unserem eigentlich recht merkwürdigen Universum leben.

Signatur der Inflationsphase erkennbar?

Merkwürdig scheint das Universum in der Tat zu sein, macht doch die normale Materie, also der Stoff aus dem Menschen, die Erde, Sterne und Galaxien bestehen, darin gerade einmal fünf Prozent aus, wohingegen der größte Teil aus einer unbekannten Energieform besteht, die Astronomen schon seit geraumer Zeit als "Dunkle Materie" (Vgl. US-Astronomen bringen Licht ins Dunkle der Dunklen Materie) fürchten.

Noch ist es den Wissenschaftlern nicht gelungen, Licht in das geheimnisumwitterte Dunkel der Dunklen Materie zu bringen. Noch tapsen sie diesbezüglich im Dunkeln. Bekannt ist nur, dass diese bizarre Energie der Gravitationskraft auf irgendeine Weise entgegen wirkt und dabei zugleich die Expansion des Universums beschleunigt. "In diesem schönen Gerüst der modernen Kosmologie gibt es eine Reihe von Dingen, die wir nicht verstehen, aber wir glauben an das Gerüst", verdeutlicht Clem Pryke, der als Assistenzprofessor für Astronomie und Astrophysik an der Universität von Chicago arbeitet. Seiner Auffassung nach sind die neuen Ergebnisse für die Bestätigung dieses Gerüstes enorm wichtig.

Immerhin - die neuen Daten unterstützen auf jeden Fall die Theorie, dass sich das junge Universum vor Äonen gemäss dem Postulat der Inflation Theory mit großer Geschwindigkeit ausdehnte. Schenkt man der Inflationstheorie Glauben, dann blähte sich der Kosmos "nach" dem Big Bang innerhalb des Bruchteils einer Picosekunde schlagartig um den unvorstellbaren Faktor zehn hoch 29 (eine Eins mit 29 Nullen) auf.

Gelänge es den Astronomen in absehbarer Zeit, die Empfindlichkeit ihrer Messinstrumente zu verzehnfachen, wären sie möglicherweise bald in der Lage, sogar die Signatur der Inflationsphase direkt zu beobachten. Zumindest glaubt dies John Kovac von der University of Chicago. Seiner Auffassung nach ist es durchaus möglich, die in der kosmischen Hintergrundstrahlung versteckte Information alsbald genau zu entschlüsseln und somit das Wissen um den Beginn der Welt entscheidend zu vervollständigen. "Es ist, als würde man vom Schwarzweiß- zum Farbfernsehen übergehen".

Tiefergehende Infos betr. DASI bzw. DASI Polarization Results Page for Experts