Vom Fruchtbarkeitsparadies zum geheimen Gentestgelände

Auf den hawaiianischen Inseln herrscht Fruchtbarkeit mit enormen Regenmengen, doch gibt es auch trockene Areale, die aber nicht durchgehend genutzt werden

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Die Fruchtbarkeit des Bodens und das Klima bestimmen den Ackerbau auf Hawaii und seinen Inseln. Peter M. Vitousek und Kollegen vom Department of Biological Sciences an der Stanford Universität in Stanford, Kalifornien zeigen im aktuellen Science-Magazin, wie der Boden für den Ackerbau vor 1778 geregelt wird: Zunächst unter den natürlichen Bedingungen des traditionellen Wetland-Nutzungsystems und dann, in den Zeiten zunehmender Bevölkerung, ausgeweitet auf die Nutzung von natürlichen Trockengebieten, die auf Regenfall angewiesen sind.

Bevor James Cook im Jahr 1778 Hawaii "entdeckt", verfügt Polynesien bereits über eine Landordnung, das ahupua'a-System (A Cultural History of Three Traditional Hawaiian Sites on the West Coast of Hawai'i Island). Danach ist jede Insel in Abschnitte geteilt, die - wie ein Handtuch - von der Küste des Lands bis in die Höhen der Berge gezogen werden.

Viele Abschnitte reichen von einigen wenigen Quadratkilometern bis zu mehreren Tausend "Morgen", mit einer oder mehreren Unterteilungen. Das untere Ende der ahupua'a wird vom Meer begrenzt. Die seitlichen Grenzen entsprechen natürlichen Gegebenheiten wie einem Fluss, einer Schlucht oder einem Bergrücken oder Kamm. Und dort, wo die natürlichen Begrenzungen fehlen, werden lange Steinwälle errichtet. Die Grenzmarker sind Steinansammlungen (ahu) mit dem Bild von einem Schwein (pua‘a), das auf der Steinansammlung zugleich den Tribut für den Hawaiischen Besitzer festlegt. Gesetze und Tabus (kapu) regeln die Benutzung. Auf diese Weise besitzt die Gemeinschaft Fisch, Nahrung und Waldprodukte.

Die Inselgruppe läßt sowohl Wetland-Systeme erkennen (blau schattiert) als auch Areale, die zu den Trockenfeldern zählen (rot schattiert) (Bild: Science)

Im Tiefland wachsen süße Kartoffeln, Kokusnüsse, die Brotbaumfrucht (Artocarpus altilis) und Taro, jene Wasserbrotwurzel, die zum Hauptnahrungsmittel der Polynesier gehört. Taro wird während des ganzen Jahres im Wetland angebaut. Dafür dient das Wasser aus den Höhenlagen, in denen Bananen, Zuckerrohr und wiederum Taro, diesmal aus den "Trockengebieten", kultiviert werden. Ferner kommen aus den hohen, weniger mit Wasser versorgten Gebieten, Äpfel, Früchte des Waldes und das Holz.

Leute und Land prosperieren in dieser Zivilisation. Das Netzwerk von Wetland-Taro-Feldern und die großen Fischteiche sind die geradezu einmaligen Nutzflächen der Menschen auf Hawaii. Ganze vier Stunden täglich an harter Arbeit reichen dafür aus und schaffen im alten Polynesien den notwendigen Raum, um die größten Tempel zu bauen, die eleganteste Kleidung aus Baumrinde und Federmänteln zu fertigen, die Halsketten aus Muscheln zusammenzutragen oder elegante Kanus zu fertigen (History of Hawaiian Culture and Society Prior to Western Contact).

Von 800 vor Chr. bis 1800 nach Chr. beherrschen die Bevölkerung der Hawaiischen Inseln sowohl die Wetland-Nutzungssysteme als auch die Bewirtschaftung der arbeitsintensiven Trockengebiete. Mit dem Einzug der Europäer aber verschwinden die Trockengebiete innerhalb mehrerer Jahrzehnte nahezu vollständig. Ein Grund ist der Bevölkerungsschwund in Folge der von James Cook und anderen ausgelösten Besiedlung: Krankheiten, die in Polynesien bis dahin unbekannt waren, raffen einen großen Teil der Bevölkerung dahin.

Peter M. Vitousek und Kollegen fokussieren nun auf das Kohala-Feld von Hawaii. Es handelt sich um ein 60 Quadratkilometer großes Areal, das von den Archäologen seit Jahren systematisch untersucht wird. Für den Regenwald bemerkenswert ist, dass in einem Abschnitt von ca. 15 km Niederschlagsmengen zwischen 4500 und weniger als 180 mm jährlich auftreten. Dabei fällt den Archäologen auf, dass gerade hier eine Zone besteht, in der süße Kartoffeln kultiviert werden. Dafür ist nicht das von Wasser durchzogene Land verantwortlich, sondern ein Gebiet, das sich aus der intensiven Nutzung eines Trockengebietes erschließt. Das Areal liegt zwischen 750 und 1500 mm Regenmenge jährlich und lässt sich hinsichtlich des Netto-Zuwachses bzw. -Verlustes von Phosphor charakterisieren.

Auf Kohala liegt das Areal für die Nutzung zwischen der 750 und 1500 mm Niederschlagslinie. Gemessen wurde alle 200 Meter, um den Phosphorgehalt zu erfassen. (Bild: Science)

Die Untersuchungen decken sich mit den Beobachtungen der Archäologen: Die ausgeprägte Nutzung dieses Areals dient zur Vervollständigung des Bedarfs an süßen Kartoffeln. Doch in der Zeit des europäischen Einflusses ist die Nutzung weitgehend aufgegeben worden. Warum? Solche Gebiete erfordern eine aktive Bewirtschaftung mit der entsprechenden Zahl von Arbeitern. Offenbar war mit der Ankunft der Fremden die Erfordernis nach zusätzlicher Nutzung vorbei. Schließlich macht der erhöhte Aufwand keinen Sinn, wenn keine Notwendigkeit dazu besteht. Dagegen schrieb noch Otto von Kotzebue im Jahre 1821:

"Ich habe Gebirge gesehen, die von Feldern überzogen waren und in denen Wasser kaskadenförmig von Brunnen zu Brunnen lief. Ein äußerst beeindruckende Ansicht."

Kotzebue beschrieb das Bewässerungssystem (‘auwai), das Wasser zu den Taro-Feldern brachte. Die Konstruktion dieses Systems war eine kommunale Arbeit: 700 und mehr Mann waren dafür notwendig. Mehr Männer erforderten mehr Wasserrechte, um das Gebiet zu bewässern. Danach wurde das Land entsprechend der zeitlichen Notwendigkeit versorgt. Das konnten einige wenige Stunden täglich für ein kleines Feld sein oder 2-3 Tage für eine große Taro-Plantage. Durch die Rotation mit anderen gab der Besitzer des Landes die Rechte frei für die gemeinschaftliche Nutzung.

Die Kontrolle eines ‘auwai wurde von demjenigen getragen, der die meisten Wasserrechte besaß. Der "Wasserboß" (luna wai) regelte die Reinigung und Reparatur und konnte die Landwirte durch zunehmende Wasserrechte belohnen oder durch die Einschränkung bestrafen. Nur: die "Trockengebiete" hatten keinen Anspruch auf ‘auwai-Wasser.

Was Peter M. Vitousek aufgedeckt hat, entspricht einer "menschlichen" Ordnung, wie sie uns aus den frühen Bildern von Hawaii entgegen tritt. Damals lebten die Menschen in einer Umgebung, die uns "modernen" Bürgern primitiv vorkam.

Inzwischen ist Hawaii zu einem Zentrum der genmodifizierten Pflanzen geworden: Versteckt werden von Monsanto und anderen Firmen die Neuentwicklungen ausprobiert. Dafür ist die Hawaiische Inselgruppe ideal geeignet. Denn wo gibt es sonst so viele Täler, in denen die Pflanzen vor fehlendem Regen geschützt sind und gedeihen, ohne Furcht davor, entdeckt zu werden?

Gleichwohl: die Anpassung an die geänderten Umweltbedingungen ist heute gefragt (Adapting to climate change: why and how?). Danach könnte das Modell aus dem frühen Hawaii nicht mehr "primitiv", sondern besonders zukunftsträchtig sein.