Vom Screensaver zum Lifesaver: Volunteer your PC!

Verteiltes Rechnen im Dienst der Krebsforschung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Chip-Hersteller Intel, das Unternehmen United Devices und die National Foundation for Cancer Research (NFCR) des Department of Chemistry der Universität Oxford starteten gestern ein Projekt, das brachliegende Ressourcen von Computern auf der ganzen Welt für die Krebsforschung nutzt.

Die Aufgabe: Analyse von 250 Millionen Molekülen zur Erforschung der Ursachen von Leukämie, die Lösung: Ein Bildschirmschoner. Wer wackelnde Beasty Boys, fliegende Toaster, Raumschiff-Enterprise-Motive, oder simulierte Viren auf seinem Bildschirmschoner bisher für das allertollste hielt, kann sich nun etwas wirklich Besonderes holen und gleichzeitig etwas Wertvolles schenken.

Das amerikanische Investorenmagazin Red Herring hatte Distributed Computing, das Verteilte Rechnen zum wichtigsten Trend des Jahres 2001 erklärt. United Devices ist eine Art Rechenkraftbörse, ein kommerzieller Vermittler von Rechenzeit an Firmen von Seti@home Gründer David Anderson. Binnen weniger Monate hatten sich mehr als 2,7 Millionen User die SETI-Software von der Homepage der Universität heruntergeladen und der Universität mehr als 550000 Rechenjahre geschenkt. Auf der anderen Seite können User auch Geld verdienen, indem sie nach dem Motto "Give your PC a Mission" ihren Rechner arbeiten lassen. Bei dem gestern angelaufenen Projekt geht es allerdings um selbstlosen Einsatz, das heißt so ganz selbstlos ist dieser Einsatz von ungenutzter Rechnerleistung nicht, denn laut Presseerklärung der Universität Oxford erkrankt jeder vierte irgendwann in seinem Leben an Krebs.

Wenn, wie die Entwickler hoffen, an diesem weltweit bisher größten Projekt zur Berechnung chemischer Eigenschaften (computational chemistry) sechs Millionen User teilnähmen, rechnete ein virtueller Supercomputer mit einer Leistung von 50 Teraflops, das entspricht 50 Billionen Berechnungen in der Sekunde. Studien zufolge nutzt ein normaler Büromensch täglich im Schnitt nur etwa 20 Prozent seiner Rechnerkapazität, und lässt mit den übrigen 80 Prozent ein wahres Kraftreservoir für den Agenten übrig, der Informationen über die Moleküle verarbeitet und sie zu einem Zentralserver zurückschickt. Jeder beteiligte Rechner bekommt per Internet ein Startpaket, welches aus 100 Eiweiß-Molekülen besteht, mit dabei ist eine Design-Software namens THINK und das Modell eines bekannten Zielproteins. Das individuelle Potential der 250 Millionen Moleküle auszuwerten, würde etwa 24 Millionen Stunden dauern. Auf der Basis der dreidimensionalen Proteinstruktur kann man nach Molekülen suchen, die sowohl geometrisch als auch chemisch in das aktive Zentrum des Proteins passen. Beim molekularen Docking-Problem sind ein Protein und ein kleineres Molekül, in diesem Zusammenhang "Ligand" genannt, gegeben. Beantwortet wird, ob das Molekül einen Komplex mit dem Protein bildet und wenn ja, wie stark die Bindung ist und wie der Komplex geometrisch aussieht. THINK ist ein nicht-inasiver Software Agent und lässt sich hier downloaden. Ist Peer-to-Peer die Grundlage für die dritte Generation des Internets, so ist es auch Zeit für Peer-to-Peer-Philanthropie, ein erster Schritt in Richtung Star-Trek-Medizin.