Vom Zirkus zur Krone: Wie Theodora Byzanz verändert hat
Kaiserin Theodora, Mosaik des Meisters von San Vitale in Ravenna (vor 547)
(Bild: Commons)
Sie begann als Zirkusartistin in Konstantinopel. Durch ihre Heirat mit Kaiser Justinian stieg sie zur mächtigsten Frau von Byzanz auf. Doch ihr größter Kampf stand noch bevor.
Theodora war die Frau an der Seite des oströmischen Kaisers Justinian I. (um 482–565), des bedeutendsten Herrschers im Übergang vom oströmischen zum byzantinischen Reich und von der Spätantike zum Mittelalter.
Mit Anfang 20 lernte sie den Senator Justinian um das Jahr 520 in Konstantinopel kennen. Ihr Geburtsjahr ist nicht überliefert. Es wird etwa 497 gewesen sein. Justinian war der kommende Mann in Ostrom. Kaiser Justin, sein Onkel, hatte ihn als Nachfolger auserkoren.
Eine Frau aus der Halbwelt
Wie und bei welcher Gelegenheit sich Theodora und Justinian erstmals trafen, ist unbekannt. Es muss eingeschlagen haben wie ein Blitz. Justinian überwand alle Hindernisse um Theodora zu heiraten und der Hindernisse gab es viele.
Die Schwierigkeiten resultierten aus Theodoras Herkunft, ihrem Beruf und ihrer Vergangenheit. Theodora entstammte der Halbwelt Konstantinopels. Ihre Mutter war Tänzerin, ihr Vater Tierwärter: er führte Bären am Nasenring durch den Zirkus.
Theodora und ihre beiden Schwestern traten schon als Kinder bei den Zirkusspielen auf, die als Begleitprogramm der Pferde- und Wagenrennen im Hippodrom stattfanden. Ihr Beitrag bestand in akrobatischen, schauspielerischen und tänzerischen Einlagen. Dabei kam es nicht so sehr auf kunstvolle Darbietungen, als auf Erotik an.
Die Schauspiele, in denen sie auftrat, waren klamauk- und klamottenartige Stücke – Verwechslungskomödien, Ehebruchaffären, kabarettartige Albernheiten – voller sexueller Anspielungen, lasterhaft und sittlich anrüchig. Theodora machte dabei eine gute Figur. Sie zeigte gern, was sie hatte – und das kam an beim Publikum.
Sie war jung, verführerisch und sehr ansehnlich. Davon allein konnte sie allerdings nicht leben. Künstlerinnen und Schauspielerinnen mussten sich durch Prostitution Geld dazu verdienen. Auch Theodora hatte wohlhabende Liebhaber.
Ihr ganzer Berufsstand, Männer wie Frauen, wurde rechtlich benachteiligt. Da half es nichts, wenn sie Stars der Manege waren. Sie galten als ehrlos. Ihr gesellschaftliches Ansehen war gering. Vor Gericht zählte ihr Zeugnis nichts. Ihr Erbrecht war eingeschränkt. Politische Ämter blieben ihnen verwehrt.
Theodora wird Patrizierin
Das alles machte dem Senator und angehenden Kaiser nichts aus. Er wollte genau diese Frau. Sein kaiserlicher Onkel Justin hob dafür das Verbot, dass Senatoren keine Schauspielerinnen heiraten durften, das seit Kaiser Augustus galt, für bestimmte Sonderfälle auf.
Um 524 machte Justin Theodora zur Patrizierin, ein Titel der Nähe zum Thron bedeutete. Dennoch gab es weiterhin große Widerstände gegen die Verbindung. Die einflussreiche Ehefrau Justins, Kaiserin Euphemia, war strikt gegen eine Ehe zwischen Justinian und Theodora.
Erst nach Euphemias Tod fand die Heirat im Jahre 525 statt und sogleich nach seiner Kaiserkrönung 527 erhob der neue Herrscher Justinian seine heißgeliebte Theodora zur Augusta, der höchsten Ehre, die eine Frau in Ostrom erlangen konnte.
Ende gut, alles gut? Es lohnt sich immer, weibliche historische Persönlichkeiten zum Thema zu machen. Die Schwierigkeit in antiken und mittelalterlichen Zeiten besteht darin, dass wir zu ihnen nur sehr wenige Quellen haben, aus denen wir unser Wissen schöpfen können.
Und häufig ist das Wenige, was überliefert ist, ausgesprochen einseitig. So ist es auch bei Theodora und die Einseitigkeit ihr gegenüber hat eine besonders bösartige Grundierung. Theodora wurde nach allen Regeln männlicher Frauenfeindlichkeit sexuell diskreditiert.
Den Gipfel übler Nachrede zu Theodora bietet der zeitgenössische Geschichtsschreiber Prokop von Cesarea in seiner Anekdota genannten Geheimgeschichte des byzantinischen Kaiserhofes, in der er kein gutes Haar an der Augusta lässt. Fast alles, was wir über Theodora wissen, erfahren wir aus dieser trüben Quelle.
Und leider lässt sich nicht einfach voneinander trennen, was bei Prokop üble Nachrede und Hetze ist, und was aufgrund von Theodoras Herkunft so gewesen sein kann, wie er es berichtet.
Nichts hatte Justinian davon abhalten können Theodora zu heiraten. Er wählte sie trotz ihrer Vergangenheit und blieb bis zu ihrem krankheitsbedingten relativ frühen Tod 548 an ihrer Seite. Er dürfte es nicht bereut haben.
Die schwerste Belastungsprobe, die sie gemeinsam zu überstehen hatten, war der sogenannte Nika-Aufstand im Januar 532. Unruhen gab es in Konstantinopel immer mal wieder. Was sich aber in diesem Jahr ereignete, war einzigartig. Justinians Herrschaft und damit auch die seiner Frau Theodora schien am Ende zu sein – ihr Sturz unvermeidbar.
Herrschaftskrise in Konstantinopel
Nach einer Niederlage im Herbst 531 im scheinbar nie enden wollenden Krieg der Römer gegen die Perser war Justinians Macht angegriffen. Der Kaiser musste die Steuern erhöhen, um den Krieg fortsetzen zu können.
Er reagierte mit Strenge und Härte auf den Unmut in senatorischen Kreisen. Und er ließ seine Beamten, v. a. den Stadtpräfekten der Hauptstadt, verstärkt gegen die sogenannten Zirkusparteien, die Grünen und die Blauen, vorgehen.
Zu allem Übel gab es auch noch Thronanwärter mit einem gewissen Anspruch auf die Krone: drei Neffen des 518 gestorbenen Kaisers Anastasios I., dem Justin und dann Justinian nachgefolgt waren. Die Verknüpfung dieser verschiedenen Probleme führten zu einer schweren Herrschaftskrise.
Der Aufstand, der zum Umsturzversuch wurde, brach im Zirkus aus. Das war kein Zufall. Im Zirkus, v. a. dem Hippodrom, trafen der Kaiser, seine Familie und die höchsten Beamten unmittelbar auf ihr Volk und das fast täglich. Hatte das Volk, der große Lümmel (Heinrich Heine) schlechte Laune – warum auch immer – konnte es diese unmittelbar dem gesamten Hofstaat mitteilen.
Solange es im Zirkus Parteiungen gab, wurde dies manchmal sehr ungemütlich. Es kam zu spontanen Gewaltausbrüchen und Ausschreitungen, die aber vorübergingen. Verbanden sich allerdings die Faktionen, hier die Grünen und die Blauen, und wurde die miese Stimmung politisch aufgeladen und kanalisiert, dann drohte ernsthaft Gefahr.
Der hauptstädtische Mob, die plebs urbana, wurde zur rasenden Menge. So im Nika-Aufstand: einige Hooligans der grünen und blauen Zirkusparteien hatten wieder einmal derart über die Stränge geschlagen, dass der Polizeichef von Konstantinopel Anfang Januar 532 einige Aufrührer verhaften und öffentlich aufhängen ließ.
Zwei der Delinquenten, ein Grüner und ein Blauer, aber kamen davon, als der Galgen zusammenstürzte. Das versammelte Volk sah darin ein Gottesurteil, die beiden wurden von einer höheren Macht errettet und von ihren Freunden aus der Hand ihrer Bewacher befreit. Mönche brachten sie ins Kirchenasyl von St. Laurentius. Der Kaiser solle sie begnadigen. Im Zirkus schallte ihm die Forderung der Zuschauer entgegen. Er lehnte strikt ab.
Brennende Dienstgebäude
Das war nicht klug. Die sonst rivalisierenden Fanlager vereinigten sich unter dem Slogan Nika-Siege! und griffen noch am selben Tag den Sitz des Stadtpräfekten an. Als dieser nicht auf ihre Wünsche einging, brannten sie das Dienstgebäude nieder.
Das Feuer griff auf weitere Bauten über, Plünderungen und Morde schlossen sich an. Am nächsten Tag ließ der Kaiser wieder Wagenrennen abhalten in der Hoffnung, dass die Wut des Pöbels verraucht war. Irrtum! Jetzt forderten die Aufständischen die Absetzung des Stadtpräfekten. Justinian gab nach und entließ einige Beamte.
Zu spät – indessen hatten sich einige Senatoren den Unmut zunutze gemacht und die Unruhen geschürt. Der kaiserliche Feldherr Belisar versuchte den Aufstand militärisch niederzuschlagen. Aber in den Gassen der Großstadt verkrümelten sich die Grünen und die Blauen, tauchten unter und waren so nicht zu fassen.
Die Straße gehörte dem aufrührerischen Volk. Noch einmal lenkte Justinian ein. Im Zirkus versprach er Straffreiheit für alle Empörer. Niemand glaubte ihm. Wieder gingen öffentliche Gebäude in Flammen auf. Und dann kam es zum Äußersten: Einige Senatoren erhoben, getrieben vom Volk, einen der Neffen des früheren Kaisers Anastasios namens Hypatius im Zirkus zum Kaiser.
Justinian schien geschlagen. Er jedenfalls wollte aufgeben und sich übers Meer davonmachen. Da trat Theodora auf den Plan: Alles oder nichts! Tod oder Imperium! Sie kam aus dem Milieu der Rebellen, sie wollte nicht weichen.
Zwei kampferprobte Generäle, Belisar und Narses, mit zuverlässigen Truppen befanden sich beim Kaiser, dazu finanzielle Ressourcen. Narses bestach die Blauen, die sich kaufen ließen. Die Grünen und Hypatius blieben standhaft. Das war ihr Todesurteil. Die kaiserlichen Truppen und seine Leibwache drangen in den Zirkus ein und machten die Grünen nieder.
Ein schreckliches Blutbad, dem mehr als 30.000 Aufständische zum Opfer fielen. Hypatius wurde hingerichtet, sein Leichnam ins Meer geworfen, seine senatorischen Anhänger verbannt. Nach einer Woche herrschte wieder Frieden im Land. Theodora hatte daran entscheidenden Anteil – so jedenfalls Prokop, der Geschichtsschreiber.