Von Dingen, die im Weltraum gefunden werden

Seite 2: Konsequenzen eines Funds

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Wenn wir einmal vom Fund eines oder mehrerer außerirdischer Artefakte auf einem nicht allzu erdfernen Asteroiden ausgehen, sind die Folgen der Entdeckung auf die Weltbilder der Menschen sicher erheblich. Verglichen mit den traditionellen Annahmen der SETI-Forschung über einen Fernkontakt via Radiowellen ist die kulturelle Brisanz hier deutlich höher: Die reine "Es-gibt-uns"-Botschaft wird durch eine "Wir-waren-hier"-Botschaft nicht nur überlagert, sondern auch wissenschaftlich und psychosozial dominiert. Spätestens mit einem solchen Fund wären alle Annahmen über die raumfahrttechnische Unüberbrückbarkeit interstellarer Entfernungen schlagartig als anthropozentrisches Vorurteil entlarvt.

Eine unmittelbare Konsequenz des Fundes dürfte sein, dass Raumfahrtnationen und Raumfahrtkonzerne große Anstrengungen unternehmen, weitere solcher außerirdischen Artefakte im Sonnensystem zu finden. Die dabei eingesetzten technischen und finanziellen Ressourcen würden die Erforschung des Sonnensystems sicherlich revolutionieren. Wir gehen davon aus, dass von einem Fund dieser Art im Sonnensystem, unabhängig von allen konkreten Details, sehr starke Impulse für die unbemannte, vielleicht aber auch für die bemannte Raumfahrt ausgehen würden. Eine solche Entdeckung würde wahrscheinlich den Beginn einer Phase der intensiven wissenschaftlich-technischen Erforschung und damit auch der (ökonomischen wie kulturellen) Aneignung weiter Teile des Sonnensystems markieren.

Im wissenschaftlichen Bereich würde der Fund darüber hinaus wohl eine ganze Reihe von Forschungsprojekten anstoßen, in denen es darum geht, maximale Informationen aus dem oder den Objekten herauszuholen. Hieran wären sicherlich diverse Disziplinen beteiligt: Die Astrophysik würde versuchen, etwas über die Herkunft des Objekts herauszubekommen. Chemie, Physik und Materialkunde würden sich um dessen Beschaffenheit kümmern. Falls eine Funktionalität auch nur zu erahnen ist, wäre es die Aufgabe diverser ingenieurwissenschaftlicher Disziplinen, hier Näheres in Erfahrungen zu bringen.

Und wenn sich am Objekt Symbole finden lassen, wäre deren Untersuchung eine Aufgabe für Linguistik und Symbolologie. Auch die vergleichende Anthropologie sowie die Kultur- und Sozialwissenschaften könnten ihren Beitrag leisten, wenn es um die Fragen geht, mit welchen technischen Mitteln und auch mit welcher Art von Extremitäten ein solches Objekt gebaut worden ist, welches sein Zweck war oder ist und was wir daraus über die Kultur seiner Schöpfer ableiten können. Je mehr die Untersuchungen in diese Richtung gehen, desto spekulativer und langwieriger würden sie werden.

Wie groß der Forschungsaufwand insgesamt wäre, hängt selbstredend auch von der Größe des Objekts und dem Fundort ab: Muss (oder auch: sollte) es vor Ort untersucht werden, oder kann das ganze Objekt oder können zumindest Teile davon zur Erde gebracht werden?

Spätestens diese letzte Frage führt uns in den Bereich der Politik. Hier dürfte sich alles um einen Punkt drehen: Wer hat die Verfügungsgewalt über das Objekt - rechtlich gesehen, aber insbesondere auch ganz faktisch? Wir gehen davon aus, dass es nach dem Fund zu hitzigen politischen Auseinandersetzung um die Besitzrechte an dem fremden "Ding" kommen würde.

Für außerhalb der Erde gefundene außerirdische Artefakte gibt es bislang keine internationalen Bestimmungen. Aber selbst wenn solche Regelungen zum Zeitpunkt der Entdeckung des Artefakts vorhanden sein sollten, bleibt die Frage, ob sich multinationale Konzerne oder mächtige Nationalstaaten daran halten würden. Zumindest jedoch gäbe es dann internationale Regeln, auf die Akteure sich berufen könnten - und an die einige sich vielleicht sogar halten würden - einer der wenigen politischen Akteure, die sich überhaupt für diese Frage interessieren, ist der deutsche Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek: Leben im All).

Doch solange kein internationales Regelwerk existiert, ist zu befürchten, dass der Fund eines Artefakts, das von verschiedenen Akteuren für technologisch wertvoll gehalten wird, zu risikoreichen internationalen Konflikten führen könnte. Und diese Konflikte könnten durchaus militärische Optionen einschließen. Pointiert formuliert: Falls ein gefundenes Objekt nicht eilig geborgen und auf die Erde gebracht werden kann, ist nicht nur ein Wettrennen staatlicher und privater Weltraumakteure um den Zugriff auf das Artefakt wahrscheinlich - wir schließen auch die Möglichkeit einer direkten militärischen Konfrontation im Weltraum nicht aus.

Doch selbst wenn das Objekt schnell auf die Erde gebracht werden kann, es bleibt als potenzieller Kriegsauslöser eine weitere Gefahr - etwa falls Untersuchungen ergeben, dass das Objekt nutzbare Technologie in einer Menge oder Qualität enthält, die dem Besitzer einen praktisch unaufholbaren technologischen Vorsprung garantiert. Von Geheimoperationen bis zu offener Kriegsführung sind alle Strategien vorstellbar, um in den Besitz der "Alien-Technologie" zu gelangen.

Die Öffentlichkeit würde dies alles vermutlich mit mal mehr, mal weniger Aufmerksamkeit verfolgen. Wie mit dem notwendigen Weltbildwechsel umgegangen wird und welche Auswirkungen dies auf die öffentliche Meinung hat, hängt sicherlich von den bereits angesprochenen Parametern ab: Das öffentliche Interesse dürfte umso größer sein, je jünger das Objekt ist und je besser es gelingt, ihm gewisse Funktionalitäten zuzuschreiben. Diese beiden Faktoren bestimmen aber auch die Frage, welche "emotionale Färbung" das öffentliche Interesse erhält. Ein relativ neues Objekt legt die Frage nahe, ob seine Erbauer in naher Zukunft wiederkehren könnten, was durchaus eine ganze Reihe mal mehr, mal weniger begründeter Ängste in der Öffentlichkeit schüren könnte.

Ob der Fund im Bereich der Ökonomie sinn- und damit auch profitstiftend ist, dürfte zum einen davon abhängen, ob sich aus dem Artefakt technologisch verwertbare Informationen gleichsam extrahieren lassen. Und natürlich davon, ob es Unternehmen oder Nationalstaaten gelingt, den Zugriff auf diese Informationen zu monopolisieren. Dies alles ist schwer abschätzbar, weil vorab unmöglich zu sagen ist, ob sich aus einem solchen Objekt irgendwelche technologisch wie ökonomisch nutzbaren Informationen gewinnen lassen könnten. So könnte es durchaus sein, dass das entdecke Artefakt derartig fremdartig bzw. so weit fortgeschritten ist, dass es für uns Menschen auf unabsehbarer Zeit unmöglich ist, nur die kleinste verwendbare technologische Information zu gewinnen.

Es ist deshalb deutlich leichter zu prognostizieren, dass der Artefaktfund zumindest eine irdische Branche über die Maßen beflügeln würde, nämlich die auf die Erforschung und Nutzung des Weltraums spezialisierten Unternehmen. Und dabei dürfte jenen Firmen eine Vorreiterrolle zukommen, die bereits an der Rohstoffsuche im All beteiligt sind und über entsprechende Bergungstechnologien verfügen. Es wird also bereits vor einem solchen Ereignis entschieden, wer nach dessen Eintreffen ökonomisch die Nase vorn hat.

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