Von Fans zu Feinden: Die neue Frontlinie der Geschlechterpolitik im Sport

Fußballerin auf dem Spielfeld

(Bild: Manfred Loell, KI-generiert, Pixabay)

Fußballfans stehen im Zentrum einer hitzigen Debatte. Ist es Transfeindlichkeit oder ein Kampf um biologische Fakten? Der Sport wird zum politischen Spielfeld.

Am 25. November 2023 recken einige Fußballfans des Bundesligavereins Bayer Leverkusen bei einem Auswärtsspiel gegen Werder Bremen Transparente in die Höhe, auf denen steht: "Es gibt viele Musikrichtungen, aber nur 2 Geschlechter".

Bayer Leverkusen Fans konfrontiert mit Geschlechterdebatte

Gedacht war die Aktion als Revanche für eine vorherige Provokation, bei der sich die gegnerischen Fans über den proletarischen Musikgeschmack der Leverkusen Ultras lustig gemacht hatten, eine ironische Antwort mit einem Seitenhieb auf das genderaffine, links-alternative Werder Milieu.

Unter anderen Umständen hätte nur ein Bruchteil der Stadionbesucher den literarischen Spottstreit, der – wie in der Fanszene üblich – über Plakate geführt wurde, wahrgenommen, noch weniger hätten die doppeldeutige Aussage dahinter verstanden.

Transfeindlichkeit: Ein unerwarteter Gegner im Fußballstadion

Doch ein Werder-Fan verbreitet ein Bild von den Transparenten über X, vormals Twitter, mit den Worten "Leverkusen offen transfeindlich. Verpisst euch #SVWB04". Darauf bricht eine Welle der Entrüstung im Internet aus. Über 1,2 Millionen Nutzer sehen das Plakat.

Stakkatohaft gehen Beschwerden und Beleidigungen sowie Distanzierungsaufrufe beim Twitteraccount von Bayer Leverkusen ein: "schämt ihr euch eigentlich für eure ekelhaften drecks Fans? Ihr seid ein Bastardverein". Eine Erklärung, was an "Es gibt nur zwei Geschlechter" transfeindlich sein soll, bleibt aus.

Antwort des DFB auf Geschlechtervielfalt: Zwischen Regelwerk und Realität

Tatsächlich hat sich die Frage nach der Anzahl der Geschlechter zu einer modernen Gretchenfrage entwickelt, die zwar unschuldig daherkommt, aber die politische Gesinnung des Gegenübers offenbaren soll.

Wer darauf besteht, dass es faktisch nur zwei Geschlechter gibt, macht sich verdächtig, "menschenfeindlich" zu sein sowie politisch "rechts" zu stehen. So ergeht es auch den Leverkusener Fans, die plötzlich von allen Seiten mit dem Vorwurf, sie seien "rechts", "queerfeindlich" oder "transfeindlich" konfrontiert werden.

Dabei gibt es nur zwei Geschlechter, männlich und weiblich, denn Geschlecht definiert sich über die Rolle bei der sexuellen Fortpflanzung: weibliche Individuen produzieren Eizellen bzw. haben einen Körper, der für die potenzielle Produktion von Eizellen ausgelegt ist; männliche Menschen produzieren dagegen Spermien.

Geschlechterkontroverse: Zwischen biologischer Realität und Identitätspolitik

Im Laufe der Evolution ist der Geschlechterwechsel zwischen den beiden Geschlechtern, den noch einige Tiere vollziehen, verloren gegangen. Menschen können ihr Geschlecht nicht wechseln.

Transsexuelle Menschen fühlen sich mit ihrem Geschlecht (Sexus) unwohl und vollziehen daher einen sozialen Rollenwechsel, kleiden, schminken und/oder operieren sich, um dem anderen Geschlecht äußerlich ähnlicher zu werden und in der "Genderrolle" zu leben, die klassischerweise mit dem anderen Geschlecht assoziiert wird (hinüber=trans).

Auch die Existenz von Transsexuellen, Homosexuellen oder auch Intersexuellen, also Menschen, die von einer genetischen Sexualdifferenzierungsstörung betroffen sind, die sich körperlich manifestiert, widerlegen nicht, dass Geschlecht beim Menschen unveränderbar angeboren und binär ist.

Grenzen der Toleranz: Fußballfans im Kreuzfeuer der Kritik

Jedoch nimmt der DFB Vorwürfe der "Queerfeindlichkeit" spätestens seit der FIFA-Entscheidung 2022 und dem Fiasko mit der One-Love-Armbinde, in deren Folge der sich der Kooperationspartner REWE distanzierte und die Zusammenarbeit beendete, hatte, sehr ernst.

Im Falle der Bekanntwerdung einer "Diskriminierung", zum Beispiel in den sozialen Medien, hatte der DFB 2021 einen Handlungsleitfaden herausgegeben, der vorsieht, sich medial proaktiv und reaktiv zu verhalten.

Daher distanziert sich der Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro in vorauseilendem Gehorsam in der Bild-Zeitung von der Aktion der Fans: "Diese Aktion war geschmacklos und falsch und sie hat nichts mit Werten wie Offenheit und Toleranz zu tun, für die Bayer 04 als Organisation steht." Warum die Aussage "falsch" war, erklärt er hingegen nicht.

Doch wer sich entschuldigt, der klagt sich an. Die Entschuldigung wird von den Medien als Schuldeingeständnis der Diskriminierung verstanden und verbreitet, erneut ohne zu erklären, warum die Aussage, dass es nur zwei Geschlechter gibt, diskriminierend sein soll.

Stattdessen wird eine rechte Kampagne dahinter vermutet: die Online-Zeitung queer.de wittert hinter dem Plakat eine aufgeregt rechts geführte Debatte, die der Anlass für diese "Attacke" gewesen sein soll, die Podcasterin Madita Haustein spricht in dem Zusammenhang gar vom Stadion als "Tummelwiese für rechtspolitische Proleten", während die Kölner Boulevardzeitung Express ganz offen die Frage stellt, welche "Gesinnung" denn Teile der Bayer-Ultras hätten.

Vier Tage nach dem Spiel, am 29.11.203, schaltet sich der DFB-Kontrollausschuss ein. Gegenüber dem Express bestätigt der Vorsitzende: "Wir haben Leverkusen angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten." Der Verein hatte sich bis dato nicht dazu geäußert, was von vielen Seiten ebenfalls kritisiert worden war. Später fertigt er eine Stellungnahme an, in der er den diskriminierenden Vorfall verurteilt und ankündigt, diesen mit der eigenen Fanszene aufzuarbeiten.

Medienberichtserstattung und Stellungnahme des Vereins sind Ausgangspunkt für ein Verfahren vor dem DFB-Sportgericht, wo der Fall Ende Januar landet. Normalerweise befasst sich das Gericht mit unsportlichem Verhalten und kleineren Verstößen.

Obwohl es sich um einen Präzedenzfall handelt, wird der Vorfall in einem Einzelrichterverfahren entschieden, welches normalerweise nur bei weniger komplexen Fällen angewandt wird. Das bedeutet, dass der Vorsitzende Stephan Oberholz allein darüber entscheidet, ob die Aussage "es gibt nur zwei Geschlechter" eine Diskriminierung darstellt.

Man sollte meinen, dass sich gerade beim Fußball die signifikanten biologischen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern zeigen, die sich in verschiedenen Aspekten des Spiels widerspiegeln.

Männer tendieren dazu, schneller zu sein, eine höhere Sprintleistung und Sprunghöhe zu erreichen, und dank ihrer höheren Körperkraft längere und genauere Pässe spielen. Frauenfußball zeichnet sich durch eine gleichmäßigere Verteilung technischer Fähigkeiten, kooperativeres und faireres Spiel sowie eine effizientere Balleroberung aus, was zu einem torreicheren Spiel führt.

Wegen dieser biologischen Unterschiede gibt es nach Geschlecht getrennte Teams, da selbst männliche Jugendmannschaften (U15) oft Frauennationalteams in Freundschaftsspielen besiegen.

Gerade an dieser binären Aufteilung stören sich Gender-Aktivisten, welche sich der Förderung der Anerkennung von Vielgeschlechtlichkeit verschrieben haben. Kritiker wie Sportsoziologin Karolin Heckemeyer argumentieren, dass der Sport durch das Festhalten an geschlechtsspezifischen Leistungsklassen die Vorstellung von nur zwei natürlichen Geschlechtern in der Gesellschaft verstärkt.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), einer der größten nationalen Sportverbände weltweit, hat auf jahrelange Lobbyarbeit solcher Aktivisten reagiert und 2021 in Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt geschaffen.

Der DFB-Vizepräsident Günter Distelrath versprach, die Anlaufstelle werde einen "unverkrampften Umgang mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt" ermöglichen. Die geschlechtliche Identität beschreibt der DFB auf seiner Webseite selbst leicht esoterisch als "eine ganze Reihe von unterschiedlichen Identitäten, deren Bezeichnungen für manche schwer zugänglich erscheinen können".

Seit ihrer Gründung vor drei Jahren hat die Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt bewirkt, dass der Begriff "Geschlecht" auf mehreren Ebenen durch "geschlechtliche Identität" ersetzt wurde.

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