Von Griechenland bis USA: Wie Züge zum Sicherheitsrisiko gemacht werden
- Von Griechenland bis USA: Wie Züge zum Sicherheitsrisiko gemacht werden
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Zwei Züge rasen in Griechenland frontal zusammen, mindestens 40 Tote. In den USA erzeugen entgleiste Güterzüge Chemiekatastrophen. Menschliches Versagen oder Tragödien mit Ansage?
Erneut ein tragisches Zugunglück. Zwei Züge – ein Personen- und ein Güterzug – rasten in der Nacht zum Mittwoch in Griechenland auf der Strecke zwischen Thessaloniki und Athen frontal aufeinander. Mindestens 40 Menschen starben dabei, Dutzende wurden verletzt und werden in Krankenhäuser, zum Teil auf Intensivstationen, versorgt.
Viele der Opfer waren scheinbar Schüler:innen, die sich in den vorderen beiden Wagen aufhielten, die den vollen Aufprall erfuhren und bei der Entgleisung in Flammen mit hohen Temperaturen aufgingen.
"Es ist eine unaussprechliche Tragödie", sagt der griechische Regierungssprecher Yiannis Oikonomou. "Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer, den Vermissten und den Verletzten".
Nun ist eine dreitägige Staatstrauer in Griechenland ausgerufen worden. Der griechische Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, erklärte, dass die Flaggen an allen EU-Gebäuden "im Gedenken an die Opfer der Tragödie" auf halbmast wehen würden.
Der Guardian schreibt, dass das Unglück als das "schlimmste Zugunglück in Griechenland" bezeichnet werde, wobei die Ursache des Zusammenstoßes zunächst auf "menschliches Versagen" zurückgeführt wird. Der griechische Sender ERT meldete, dass der Stationsvorsteher der Eisenbahn in Larissa festgenommen worden sei. Verkehrsminister Kostas Karamanlis trat zurück.
Was immer bei den Untersuchungen herauskommt, wer immer am Ende die Verantwortung zu tragen hat: Menschliches Versagen, Fehlverhalten und Verantwortungslosigkeit von Einzelpersonen finden nicht in einem luftleeren Raum statt.
In einem Artikel des Mediterranean Institute for Investigative Reporting von 2020 über die griechische Bahn sprechen die Journalisten Ilias Stathatos und Nikos Morfonios von "Europe’s deadliest tracks" ("Europas tödlichste Schienen"). Griechenland führt in der EU die Rangliste der Todesopfer und Verletzten bei Eisenbahnunfällen an. Zugunfälle ereignen sich dort extrem häufig. Das habe allein zwischen 2010 und 2018 zu 137 Todesfällen und 97 Schwerverletzten geführt.
Die hohe Rate an Unfällen, so die Autoren, liege zum Teil daran, dass die Instandhaltung heruntergefahren worden sei – infolge der von der EU-Troika (Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und Europäische Kommission) und der deutschen Regierung durchgesetzten Sparpläne, die auf die Bankenkrise der 2010er-Jahre folgten.
Mitarbeiter würden nun über ihre Kapazitäten hinaus arbeiten müssen. Panagiotis Paraskevopoulos, Vorsitzender des Panhellenischen Eisenbahnverbandes, stellt fest, dass ...
die Instandhaltung ebenso wichtig ist wie die Unfallverhütung, da die 15 bis 17 Millionen Euro, die die griechische Bahn OSE jährlich erhält, kaum für die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten ausreichen. Während der gesamten Finanzkrise beschränkten sich die Mittel auf oberflächliche Reparaturen. Es bedarf einer angemessenen Finanzierung, die eine ordnungsgemäße Instandhaltung ermöglicht.
Paraskevopoulos verweist zudem auf den gravierenden Personalmangel im griechischen Eisenbahnwesen, der die Wahrscheinlichkeit menschlichen Versagens deutlich erhöht.
Schaut man sich das Sicherheitsranking in Europa an, sind wirtschaftsschwächere Länder, die wenig in ihre Bahn investieren bzw. investieren können, ganz unten auf der Liste zu finden. Das gilt vor allem für Länder vom Balkan, aber auch für osteuropäische Staaten wie Polen oder Ungarn. Ganz oben, mit der höchsten Sicherheit, steht die Schweizer Bahn. Deutschland liegt im Mittelfeld.
Richtig ist sicherlich, dass die Bahn eines der sichersten Verkehrsmittel ist, nur das Flugzeug schlägt es in diesem Punkt. In Deutschland starben 2020 zwar 160 Menschen im Schienenverkehr. Darunter waren aber nur zwei Reisende und sechs Bahnmitarbeiter, die an Bord von Zügen starben.
Die übrigen Opfer wurden an Bahnübergängen von Zügen erfasst, starben bei Bauarbeiten an Anlagen ober betraten die Gleise unzulässig, häufig zur Selbsttötung. Dagegen kamen im letzten Jahr im Straßenverkehr 2782 Menschen ums Leben. Bei 2,4 Millionen Unfällen wurden 288.000 Personen verletzt. In der Vor-Pandemie-Zeit lagen die Zahlen höher.
Zudem gehen Europa-weit die Zahlen von Zugunfällen, -Todesfällen und -Verletzten im Bahnverkehr seit vielen Jahren nach unten.
Doch dort, wo Profitstreben und von Lobbygruppen geforderte Deregulierungen eine Verbindung eingehen, drohen immer wieder fatale Zugtragödien mit Ansage.