Von John Lennon zu Taylor Swift: Wie KI unser Bild von Kunst zerstört

KI erzeugt aus Note Musik

KI revolutioniert Kunst und stellt Vorstellungen infrage. Wird Authentizität bald obsolet? Essay über einen schleichenden Umbruch. (Teil 3)

Dies ist der dritte Teil der Auseinandersetzung mit KI in der Gegenwart. Die beiden vorhergehenden Teile finden sich hier:

Die Künstliche-Intelligenz-Gesellschaft ist im Werden. Schrittweise wird sie Bekanntes ummodellieren – vom Großen bis ins Kleine. Auch im Alltag könnte sie Verhältnisse schaffen, auf die unser Normalbewusstsein wenig vorbereitet ist. Kulturell könnte das breite kulturelle Eindringen von KI Vergangenheit und Gegenwart, Zeit und Raum, Natur und Artefakt so durcheinanderwirbeln, dass Sensibilitäten für Unterschiede abnehmen.

Gleichgültigkeit gegenüber der Realität könnte schon aus Selbstschutz des Individuums die – fast notwendige – Folge sein. Wenn, wie es beispielhaft die Ausbreitung von KI im Kultur- und Kunstbereich ankündigt, Authentizität immer mehr zur Randerscheinung oder zum Sekundärwert verkommt, weil Existenz und Künstlichkeit, Technologie und Humanes, Klon und Identität verschmelzen, dann lautet die Frage für die kommenden Jahre: Wird KI zum Weg in die kulturell achtlose, desinteressierte, indifferente Gesellschaft?

Ein Beispiel aus der Populärkultur zeigt das Ausmaß dieser Frage

Der britisch-amerikanische Sänger John Lennon (1940–1980) wird in Friedensbewegung und Popkultur bis heute hochgeschätzt. Sein Werk birgt immer noch wenig bekannte Schätze, weil nur langsam sein gesamter Nachlass die Öffentlichkeit erreicht.

Ein unveröffentlichtes Album aus dem Jahr 1969, One from the Nursery, wurde erst im September 2023 versteigert. Im selben Jahr veröffentlichten die zwei noch lebenden Beatles Paul McCartney und Ringo Starr erstmals einen Song, "Now and then", den sie als "neu und alt zugleich" bezeichneten. 44 Jahre nach John Lennons und 23 Jahre nach George Harrisons Tod wurden mittels Künstlicher Intelligenz die Stimmen der beiden Verstorbenen aus alten Demo-Aufnahmen isoliert und in das Lied eingefügt.

Dabei ließ Künstliche Intelligenz die Stimmen der Verstorbenen das Lied mitsingen. Ähnliches erfolgte visuell beim dazu veröffentlichten Video, wo Klone der Toten mit den beiden Lebenden musizieren.

Ergebnis: das Lied aus dem Jahr 1977, das damals unvollendet blieb, wurde 2023 erstmals mittels KI "vollendet" und veröffentlicht. Die beiden lebenden Beatles nennen es das "letzte Lied der Beatles" und den "Abschluss des Beatles-Werkes". Dieses datieren sie deshalb folgerichtig um: von 1966 (beginnend mit dem Lied "Love me Do") bis 2023 (das KI-basierte "Now and then").

Faktisch gaben sich McCartney und Starr nicht mit "ihrer" Epoche – der Entstehung der Beatles 1960 bis zur Auflösung der Band 1970 – zufrieden, sondern wollen das Werk der Band zusätzlich in die neue Epoche der KI hineinschieben.