Von Meloni abgeschaut? FDP-Politiker erwägt Asylverfahren in Ruanda
Der Plan: Flüchtlinge aus Russland und Belarus nach Afrika abschieben. Dort soll dann das UN-Flüchtlingshilfswerk die Verfahren durchführen. Ob das realistisch ist?
Die Debatte um die besten Möglichkeiten, unerwünschte Migranten loszuwerden, nimmt groteske Züge an. Nun hat Joachim Stamp (FDP), der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, vorgeschlagen, man möge doch alle Flüchtlinge, die aus Russland und Belarus nach Deutschland kommen, nach Ruanda abschieben.
Dort sollen die anhängigen Asylverfahren dann vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) durchgeführt werden. Stamp spricht von jährlich etwa 10.000 Betroffenen. Er will so offensichtlich die Debatte um Asylverfahren im Ausland befeuern. Letzten Herbst hatten sich Bund und Länder auf eine Prüfung dieser Idee verständigt.
Auch damals war der Ruanda-Vorschlag schon ventiliert worden.
Britische Infrastruktur nutzen?
Besonders praktisch: Die britischen Konservativen, die diese Schnapsidee jahrelang verfolgt hatten, haben schon einen Teil der benötigten Infrastruktur in dem zentralafrikanischen Land errichtet. Die Yellow Press auf der Insel dreht am Rad.
Dass der Oberste Gerichtshof Großbritanniens diesen Vorstoß gekippt hat, und dass das Bundesverfassungsgericht dies ähnlich sehen könnte, schreckt Leute wie Stamp natürlich nicht.
Mittlerweile hat die neue britische Labour-Regierung das Ruanda-Projekt übrigens komplett aufgegeben.
Das UNHCR soll die Asylverfahren durchführen
Das kann nicht verwundern, und die Gründe, warum der deutsche Vorschlag gänzlich abwegig ist, sind Legion. Zunächst einmal kommen die Flüchtlinge über Russland und Belarus nicht in Deutschland an, sondern in Polen. Und da Polen Schengen-Vertragsstaat ist, müssten die Asylverfahren laut Dublin-Übereinkommen eigentlich dort stattfinden und könnten diese Flüchtlinge nötigenfalls auch wieder nach Polen abgeschoben werden.
Was aber würde in Ruanda passieren, wenn der Vorschlag doch realisiert würde? Während die Briten ruandische Behörden für die Verfahren nutzen wollten und ausgestattet haben, möchte Berlin, dass das UNHCR die Sache in die Hand nimmt. Allerdings sind juristische Verfahren hoheitliche Aufgaben. Wie also kann ein Gesetz aussehen, dass eine solche Aufgabe delegiert?
Zwar berät das Flüchtlingshilfswerk die Bundesregierung und hält Asylverfahren im Ausland grundsätzlich für möglich, aber nur unter sehr eng gefassten Rahmenbedingungen. Vor allem verbleibt die Verantwortung für die Flüchtlinge und die Durchführung der Asylverfahren laut UNHCR bei Deutschland.
Praktische Fragen völlig ignoriert
Wer aber kontrolliert, dass die Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen fair durchgeführt werden, wenn man diese Aufgaben an UNHCR-Mitarbeitende delegiert? Wer überprüft Ausbildung und Verhalten von solchen ‚Richtern‘ und ‚Verteidigern‘? Ist das ohne deutsche Justizbeamte überhaupt möglich?
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Und wer überprüft die menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten unter ruandischen Bedingungen? Und was passiert, wenn ein Syrer von Ruanda aus in seine Heimat abgeschoben werden muss, weil sein Asylantrag abgelehnt wurde? Kommen dann deutsche Polizisten, um die Abschiebung durchzuführen?
Wirklich getestet worden ist diese menschenfeindliche Politik bisher nur von Australien, das Geflüchtete nach Papua-Neuguinea und Nauru abgeschoben hat, damit sie dort auf die anhängigen juristischen Entscheidungen warten. Insgesamt sind seit 2011 rund 7.500 Migranten abtransportiert worden. Aber das ist nicht billig: Die jährlichen Kosten dafür belaufen sich auf 500.000 bis 1,5 Mio. australische Dollar (300.000 bis 900.000 Euro).
Von den Rechtsradikalen lernen?
Überdies müssen sich die Verantwortlichen vorwerfen lassen, Pläne der rechtsradikalen italienischen Ministerpräsidenten Giorgia Meloni – ungeschickt – zu kopieren. Im Herbst 2023 hatte Meloni einen Vertrag mit Albanien geschlossen, der vorsieht, dort von Italien betriebene Aufnahmezentren für Mittelmeer-Migranten errichten.
Zufall oder nicht – Meloni hatte seinerzeit von der Vorbildfunktion des Abkommens geschwärmt. "Tatsächlich glaube ich, dass es zu einem Modell für die Zusammenarbeit zwischen EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern bei der Steuerung der Migrationsströme werden kann", wurde sie seinerzeit von der ARD zitiert.
Es scheint so, als ob die Ampel-Regierung Melonis Ideen auch für Deutschland unbedingt in die Tat umsetzen will. Glaubt man etwa, die AfD auf diese Art rechts überholen zu können?
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