Von Mord und Totschlag bis Containern: Was wird nun aus dem Strafrecht?
Justizminister Buschmann wollte StGB ausmisten. In diesem Jahr ist nicht viel passiert. Kommt nun eine Reform oder eher ein Reförmchen?
Für seine Ankündigung, das Strafgesetzbuch (StGB) "systematisch zu durchforsten" und "unzeitgemäße Straftatbestände zu streichen", hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) viel Applaus geerntet. Zu Recht, denn tatsächlich existieren im StGB, das unser Kernstrafrecht regelt, einige streichenswerte Vorschriften. Andere Regelungen bedürfen schon länger der Überarbeitung.
Leider sind dieser Ankündigung – die FAZ hatte am 31. Dezember 2022 über das Interview mit Buschmann berichtet – bislang kaum Taten gefolgt. Neue Hoffnung macht nun ein Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vom 23. November 2023. Darin aufgeführt sind Straftatbestände, die es aus Sicht des Justizministers aufzuheben oder inhaltlich anzupassen gilt.
Ein näherer Blick auf dieses Papier zeigt: Es enthält viel bereits Bekanntes. So soll etwa der Mordparagraf von NS-Gedankengut befreit, namentlich die sogenannte Tätertypenlehre endlich sprachlich aus dem StGB verbannt werden.
Endlich vor allem deshalb, weil neben zahllosen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch der frühere Bundesjustizminister Heiko Maas bereits auf die Notwendigkeit der Reform des Mordparagrafen hingewiesen hatte.
Nazifreies Recht: Das plante Buschmanns Vorgänger
Anders als Buschmann war Maas allerdings konsequent: Er strebte nicht nur die Reform des Mordparagrafen im Hinblick auf die Befreiung von NS-Gedankengut an, sondern auch die Abschaffung einer zwingend lebenslangen Freiheitsstrafe. Im aktuellen Eckpunktepapier geht es allein um eine sprachliche Anpassung des Paragrafen 211 StGB. So heißt es:
"Aus diesem Grund sollen die Normen sprachlich angepasst werden; eine inhaltliche Änderung der Rechtslage geht damit nicht einher." Das aber ist – gemessen an der zu Paragraf 211 StGB bereits geführten Reformdebatte – schlicht zu wenig.
Auch in einem weiteren Punkt bleibt das Papier hinter den Erwartungen zurück. Wohlgemerkt nicht nur hinter den Erwartungen des Autors und von Teilen der Wissenschaft und Praxis, sondern auch hinter den im Papier geäußerten Erwartungen selbst. Dort liest man:
"Dabei soll ein Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz gelegt werden. Dieser Auftrag ist Ausdruck einer liberalen, evidenzbasierten Strafrechtspolitik, die das Strafrecht als Ultima Ratio begreift."
"Schärfstes Schwert des Staates"
Richtig ist: Das Strafrecht dient dem Rechtsgüterschutz und sichert Rechtsfrieden. In unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft sollte das Strafrecht zugleich immer Ultima Ratio sein. Denn das Strafrecht ist ein besonders sensibler, weil sanktionsbewährter Bereich, und es gilt als "schärfstes Schwert des Staates".
Vor diesem Hintergrund verwundert es umso mehr, dass nicht auch das Phänomen "Containern" im Eckpunktepapier behandelt, mithin straflos gestellt wird. Menschen, die weggeworfene Lebensmittel vor der Vernichtung bewahren, sollten nicht kriminalisiert, sondern – dem Ultima-Ratio-Gedanken folgend – gesetzlich von der Strafverfolgung ausgenommen werden.
So entsteht der Eindruck, dass dieses Eckpunktepapier kein Auftakt für eine Reform, sondern bestenfalls für ein Reförmchen ist – zu wenig und spät. Schade!