Von Vietnam bis Lesotho: US-Zölle zerstören Existenzen

Uwe Kerkow
Symbolbild des Welhandels mit verschiedenen Transportmitteln

Grafik: Sabura, sutterstock

Die von der US-Regierung angedrohten und verhängten Zölle haben weltweite Auswirkungen. Welche Entwicklungs- und Schwellenländer werden am schwersten getroffen?

Trump hat bei der Darstellung seiner Zollpolitik wiederholt suggeriert, dass es sich dabei um Maßnahmen handelt, die bestehende Ungerechtigkeiten im Welthandel ausgleichen – reziprok – sein sollen.

In Bezug auf starke Volkswirtschaften, die sich darüber hinaus – wie Deutschland – ohne Not auf die Erwirtschaftung von Handelsbilanzüberschüssen spezialisiert haben, mag dieses Argument nachvollziehbar sein. Doch gegenüber armen und kleinen Nationen und Bevölkerungen ist diese Vorgehensweise einfach mafiöse Erpressung.

Auf Menschenverachtung lässt auch der Hohn schließen, mit dem Trump all jene Amtsträger überschüttet, die nun zu verhandeln suchen, um Schaden von ihren Volkswirtschaften abzuwenden: "Sie küssen meinen Ar***". Offensichtlich kommt so etwas bei seinen Wählerinnen und Wählern gut an.

Verächtlicher Umgangston

Dieser neue Umgangston wird denn auch von anderen Vertretern der US-Administration gepflegt. So hat US-Vizepräsident James David Vance etwa von "chinesischen Bauern" schwadroniert: "Um es noch etwas deutlicher zu machen: Wir leihen uns Geld von chinesischen Bauern, um die Dinge zu kaufen, die diese Bauern herstellen."

Ein anderer Aspekt dieser Mentalität, die Strafgericht Wirtschaftspolitik vorzieht: Wer sich gefügt hat, wird mit 90 Tagen Bewährung belohnt. China – das sich heftig wehrt – muss weiter schmoren.

Eine vollständige Liste mit den aktuellen Zollsätzen bietet der Guardian. Demnach werden nun alle Länder mit einem zehnprozentigen Einfuhrzoll belegt, außer China. Für Peking hat die US-Administration mittlerweile prohibitive 145 Prozent verhängt.

Zugeständnisse erzwingen

Und wirklich nötigt die US-Administration vielen Entwicklungs- und Schwellenländern derzeit Zugeständnisse ab, die sie sonst wohl nicht gemacht hätten, und die nicht ausschließlich auf Wirtschaftsfragen beschränkt sind. Und die Drohung ist ja nicht vom Tisch, da die erhöhten Zollsätze zunächst einmal nur für 90 Tage ausgesetzt wurden.

Zudem können auch die verbleibenden 10-Prozent-Zölle – abhängig vom Produkt – den Exporteuren durchaus Kopfschmerzen bereiten.

So hat Vietnam bereits nicht nur die Einfuhrzölle für Autos, Flüssiggas und Äthanol und weitere Produkte aus den USA gesenkt oder abgeschafft. Hanoi war mit extrem hohen Zöllen von 46 und 49 Prozent konfrontiert, und die Exporte Vietnams in die USA machten zuletzt laut BBC stolze 30 Prozent seines Bruttonationaleinkommens (BNE) aus.

Erhebliche Schwierigkeiten

Das südostasiatische Land wird es darüber hinaus trotz Sicherheitsbedenken SpaceX auch erlauben, sein Starlink-Netzwerk bereitzustellen, wenn auch zunächst nur für eine Testphase. Und erstmals seit Ende des Vietnamkrieges könnte Hanoi auch wieder Waffen – etwa C-130 Herkules Transportflugzeuge – in den USA bestellen.

Ganz erhebliche Schwierigkeiten drohen auch den exportorientierten Industrien in Kambodscha und Bangladesch. Hier geht es vor allem um arbeitsintensive Branchen wie Bekleidungs- und Schuhfertigung. Kambodscha soll ggf. mit Zöllen von 49 und Bangladesch von 37 Prozent belegt werden.

Weitere mit Zöllen bedrohte asiatische Länder sind Sri Lanka (44 Prozent), Thailand (36 Prozent), Indonesien (32 Prozent) und Malaysia (24 Prozent). Die Philippinen müssen einen Zollsatz von 17 Prozent fürchten.

Von den lateinamerikanischen Regierungen hat man in den letzten Tagen nur deshalb so wenig Proteste vernommen, weil außer Guyana (38 Prozent) Nicaragua (18 Prozent) und Venezuela (15 Prozent) keinen Ländern Zölle angedroht worden waren, die über den für fast alle gültigen zehnprozentigen Satz hinausgehen.

Afrika schwer getroffen

Afrikanische Länder werden dagegen mit teils prohibitiven Zollsätzen bedroht: Botswana (37 Prozent), Angola (32 Prozent), Algerien und Südafrika (30 Prozent), die Elfenbeinküste und Namibia (21 Prozent) sind die Hauptbetroffenen.

Die Elfenbeinküste hat inzwischen mit Gegenzöllen auf ihre Kakaoexporte in die USA gedroht, sollte Trump seinen Ansagen Taten folgen lassen. Kakao ist derzeit ein knappes Gut und wird teuer bezahlt. Daher findet das westafrikanische Land mit Sicherheit andere Abnehmer.

Was aber das arme Lesotho machen soll, wenn die US-Regierung in knapp drei Monaten doch wieder Zölle in Höhe von 50 Prozent erheben sollte, weiß niemand. Die Nachrichtenagentur Reuters vermeldet knapp, dass ein solcher Schritt das kleine Königreich "umbringen" würde.

Vorsorglich schon einmal von der Textilindustrie verabschieden

Lesotho erwirtschaftet seinen Handelsüberschuss gegenüber den USA vor allem mit Diamanten, aber auch mit Textilien. Lesothos Exporte in die USA lagen 2024 bei nur 237 Mio. US-Dollar, machten aber zehn Prozent des BNE aus.

Auch Madagaskar kann sich vorsorglich schon einmal von seiner Textilindustrie verabschieden, wenn der von Trump avisierte Zoll in Höhe von 47 Prozent tatsächlich in Kraft treten sollte. Auf der Insel nähen 60.000 Menschen preiswerte Klamotten für US-Bürger.

Möglich wurde dieses kleine Jobwunder durch den sogenannten African Growth and Opportunity Act (AGOA), dessen Fortschreibung nun ebenfalls stark gefährdet ist. Nachdem die neue US-Regierung ihre Entwicklungshilfeagentur de facto liquidiert hat, würde es niemanden wirklich wundern, wenn AGOA im September 2025 schlichtweg ausläuft.

Märkte müssen geschaffen werden

Gegenüber entwickelten Nationen muss der brutalen Zolllogik der US-Regierung durchaus einige Berechtigung zugestanden werden. Eine intelligente Handels- und Außenwirtschaftspolitik gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern sollte jedoch darauf abzielen, neue Märkte zu schaffen. Und das geht nicht, wenn zart wachsende Wohlstandspflänzchen brutal wieder abgewürgt werden.

Märkte sind kein Naturzustand. Märkte müssen geschaffen werden, indem man die Menschen in den Entwicklungsländern dabei unterstützt, damit sie sich ihren Wohlstand erarbeiten können. Denn nur dann haben sie genug Geld in der Tasche, um vernünftig einzukaufen. Dazu kann eine klug gemachte Außenwirtschaftspolitik mindestens genauso viel beitragen wie die Entwicklungszusammenarbeit.