Vor Rafah-Invasion: Es droht Panik-Exodus von 1,5 Millionen Palästinensern

Israelische Truppen operieren im Gazastreifen. Bild: IDF

Es ist die letzte Zuflucht für Gaza-Bewohner. Doch Netanjahu-Regierung plant Invasion auch dort, mit Massenevakuierung. Ein irrwitziger Plan mit fatalen Folgen.

Israelische Streitkräfte bereiten eine Bodeninvasion in Rafah vor – die letzte Zuflucht für über eine Million vertriebene Palästinenser.

Israelische Medien berichteten gestern, dass die Vorbereitungen für einen Angriff auf die südlichste Stadt des Gazastreifens abgeschlossen sind. Die Armee wartet nun auf den Befehl zum Einmarsch.

Netanjahu: "Totaler Sieg"

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu soll während eines 45-minütigen Telefonats mit US-Präsident Joe Biden am Sonntag gesagt haben, das Ziel des bevorstehenden Bodenangriffs auf Rafah sei "nichts Geringeres als der totale Sieg" über die Hamas, die für die Angriffe auf Israel am 7. Oktober und die Entführung von über 240 Israelis und anderen Personen verantwortlich war.

Netanjahu befahl den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) am Freitag, einen Plan zur "Evakuierung" von Rafah auszuarbeiten – ein Schritt, den Menschenrechtsgruppen als Vorbereitung einer weiteren israelischen ethnischen Säuberung der Palästinenser verurteilten.

Die meisten der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind Nachkommen und einige Überlebende der Zwangsvertreibung von mehr als 750.000 Arabern aus Palästina während der Nakba, der "Katastrophe" bei der Gründung Israels im Jahr 1948.

Bei israelischen Luftangriffen am Wochenende auf die 150.000 Einwohner zählende Stadt, deren Bevölkerung durch den Zustrom von Flüchtlingen aus dem gesamten Gazastreifen auf weit über eine Million Menschen angewachsen ist, wurden Dutzende von Palästinensern getötet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder.

Situation katastrophal

Nach Angaben des israelischen Militärs wurden bei dem nächtlichen Einsatz zwei Geiseln befreit. Es handelt sich um zwei Männer im Alter von 60 und 70 Jahren.

Währenddessen verschlechtert sich die humanitäre Lage dort, sie wird aufgrund der israelischen Belagerung nun als katastrophal eingeschätzt. Es wird berichtet, dass Patienten, medizinisches Personal und Vertriebene weder Lebensmittel noch Wasser, Medikamente oder medizinische Geräte hätten.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Gaza wurden bei den seit dem 7. Oktober andauernden israelischen Angriffen in Gaza rund 28.000 Palästinenser getötet und 67.459 verwundet. Tausende Einwohner werden zudem vermisst und unter den Trümmern vermutet.

Safe Zone so groß wie Flughafen Ben Gurion

Die renommierte Korrespondentin der israelischen Tageszeitung Haaretz, Amira Hass, fragt in einem aktuellen Artikel, wo denn die nach Rafah geflohenen Palästinenser noch Schutz finden sollen, wenn es zur Invasion kommt.

Ein israelischer Einmarsch in Rafah wird zu einem massenhaften, panikartigen Exodus von fast einer Million palästinensischer Zivilisten in eine ausgewiesene Sicherheitszone von der Größe des Ben-Gurion-Flughafens führen. Es ist immer noch unklar, wie das israelische Militär das mit der Anordnung des Internationalen Gerichtshofs vereinbaren will, dass Israel alle Maßnahmen ergreifen muss, um Völkermord zu vermeiden.

1,4 Millionen Menschen seien in Rafah konzentriert. Gleichzeitig verkleinere sich diese "Safe Zone", die weiter von Israel bombardiert werde, immer mehr. Die einzige Sicherheitszone in Gaza, die noch übrig bleibe und nun für die Menschen in Rafah ausgewiesen wird, ist Al-Mawasi, ein südliches Küstengebiet von 16 Quadratkilometern Größe.

"Die von der Armee ausgewiesene humanitäre Zone ist etwa so groß wie der internationale Flughafen Ben-Gurion (ca. 16 Quadratkilometer)", so die Haaretz-Journalisten Yarden Michaeli und Avi Scharf in ihrer Analyse. Der Bericht mit der Überschrift "Gazans Fled Their Homes. They Have Nowhere to Return to" ("Die Bewohner des Gazastreifens sind aus ihren Häusern geflohen. Sie können nirgendwohin zurückkehren") dokumentiert die enormen Verwüstungen im Gazastreifen, wie sie auf Satellitenbildern zu sehen sind.