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Vor den Russland-Wahlen: Putin schrÀnkt Medienberichterstattung weiter ein

Protestzug in Moskau, 2020. Bild: Valery Tenevoy / Unsplash Licence

FĂŒr Journalisten wird es schwieriger, ĂŒber die PrĂ€sidentschaftswahlen 2024 zu berichten. Worum geht es genau? Über Putins Kampf gegen die freie Presse.

Im MĂ€rz 2024 sollen in Russland die PrĂ€sidentschaftswahlen stattfinden. Im Vorfeld hat der russische PrĂ€sident Wladimir Putin nun neue EinschrĂ€nkungen fĂŒr Medien erlassen, ĂŒber die Wahlen zu berichten. Das berichtet AP [1], wobei man sich auf russische Nachrichtenagenturen beruft.

Danach ist es der Presse untersagt, ohne offizielle Genehmigung der Behörden ĂŒber Treffen der Wahlkommissionen auf MilitĂ€rstĂŒtzpunkten oder in Gebieten, die unter Kriegsrecht stehen, zu berichten.

Nach den von Putin erlassenen GesetzesĂ€nderungen dĂŒrfen zudem nur noch Journalisten ĂŒber die Sitzungen der Wahlkommission informieren, die per Vertrag fest bei registrierten Medienunternehmen angestellt sind. Das wĂŒrde freiberufliche Reporter und unabhĂ€ngige Journalisten ausschließen.

Allgemein wird erwartet, dass der 71-jĂ€hrige Kreml-Chef, der das Land seit 24 Jahren regiert, fĂŒr eine weitere sechsjĂ€hrige Amtszeit kandidiert. Putin hat das zwar bisher nicht bestĂ€tigt. Jedoch beruft sich Reuters [2] auf sechs nicht benannte Quellen, die sagen, dass sich der russische PrĂ€sident entschieden habe, noch einmal anzutreten, um Russland "durch eine der gefĂ€hrlichsten Phasen seit Jahrzehnten" zu steuern.

Zu den neuen EinschrÀnkungen der Meinungsfreiheit durch den Kreml zÀhlt auch, dass die Veröffentlichung von Inhalten zu Wahlkampfkampagnen auf "gesperrten Quellen" verboten ist, d. h. auf vom russischen Staat gesperrten Websites und in sozialen Medien.

Im Rahmen eines verschÀrften Vorgehens gegen die Opposition und den Informationsfluss hat die russische Regierung eine Reihe von Websites und Diensten, darunter Facebook und Instagram, verboten.

Um dieses Verbot durchzusetzen, plant [3] das Ministerium fĂŒr digitale Entwicklung, Kommunikation und Massenmedien Berichten zufolge auch die Sperrung bestimmter virtueller privater Netzwerke (VPNs), die von Russinnen und Russen hĂ€ufig zur Umgehung von InternetbeschrĂ€nkungen genutzt werden.

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 werden unabhÀngige Journalisten und Medien immer hÀrter angegangen [4] und viele von ihnen zu "auslÀndischen Agenten" erklÀrt. Hunderte von Journalisten sind ins Exil gegangen, da die staatliche Zensur viele angesehene unabhÀngige Medien geschlossen und Strafverfahren gegen prominente Journalisten und regionale Blogger eingeleitet hat.

Wladimir Putin ist im Jahr 2000 zum ersten Mal zum PrĂ€sidenten gewĂ€hlt worden [5]. Seitdem hat die Pressefreiheit in Russland stetig abgenommen. Laut dem Weltindex fĂŒr Pressefreiheit [6] von Reporter ohne Grenzen, der jĂ€hrlich aktualisiert wird, lag Russland 2014 auf Platz 148 von 180 LĂ€ndern. Bis 2023 fiel das Land auf Platz 164 zurĂŒck.

Politkowskaja & Co.: Der Preis fĂŒr Putins hohe Zustimmungswerte?

Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten [7] (Committee to Protect Journalists, CPJ) wurden in Russland seit Putins Einzug in den Kreml 43 Journalisten und Medienmitarbeiter getötet, mindestens 25 davon als "direkte Vergeltung" [8] fĂŒr ihre Berichterstattung.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Fall der russischen EnthĂŒllungsjournalistin Anna Politkowskaja, die fĂŒr die Nowaja Gaseta schrieb. Sie legte in investigativen Artikeln die Kreml-Politik in Tschetschenien offen und wurde im Oktober 2006 in ihrem Wohnhaus erschossen [9].

Einer der MÀnner, der wegen seiner Rolle bei der Ermordung Politkowskajas verurteilt wurde, ist nach seinen KampfeinsÀtzen in der Ukraine nun begnadigt worden [10], wie sein Anwalt und russische Medien berichten. Sergej Chadschikurbanow, ein ehemaliger Polizeibeamter, wurde 2014 neben vier weiteren MÀnnern wegen der Organisation des Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Im Jahr 2018 stellte der EuropĂ€ische Gerichtshof fĂŒr Menschenrechte in Straßburg fest [11], dass die Behörden zwar eine Gruppe von MĂ€nnern aufspĂŒrten und verurteilten, die den Auftragsmord direkt ausgefĂŒhrt hatten, es aber versĂ€umt hĂ€tten, "angemessene Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Person oder Personen zu finden, die den Mord in Auftrag gegeben hatten".

Dass die jĂŒngsten Restriktionen bei der Medienberichterstattung, die von Putin im Hinblick auf die PrĂ€sidentschaftswahlen erlassen wurden, der BefĂŒrchtung vor Wahlverlusten entstammen könnten, ist eher unwahrscheinlich. So sagte Kreml-Sprecher [12] Dmitri Peskow letzte Woche: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass er, wenn er seine Kandidatur einreicht, souverĂ€n gewinnen wird".

In einem Reuters-Bericht heißt es, dass Diplomaten keinen ernsthaften Rivalen sehen, der Putins Chancen an der Wahlurne gefĂ€hrden könnte. Putin erhalte bei Umfragen Zustimmungswerte von 80 Prozent, könne auf die UnterstĂŒtzung des Staates und der staatlichen Medien zĂ€hlen. Ferner sei so gut wie kein öffentlicher Widerstand in Russland gegen Putin als PrĂ€sident vorhanden.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9530844

Links in diesem Artikel:
[1] https://apnews.com/article/russia-putin-presidential-election-law-1950e667a87e5b3cb4ab008e5d078f9b
[2] https://www.reuters.com/world/europe/russias-putin-stay-power-past-2024-sources-say-2023-11-06/
[3] https://apnews.com/article/russia-putin-presidential-election-law-1950e667a87e5b3cb4ab008e5d078f9b
[4] https://www.aljazeera.com/news/2023/8/16/i-was-given-six-days-to-wrap-up-my-life-russia-expels-politico-reporter
[5] https://legacy.npr.org/news/specials/putin/biotimeline.html
[6] https://rsf.org/en/index?year=2023
[7] https://cpj.org/data/killed/?status=Killed&motiveConfirmed%5B%5D=Confirmed&motiveUnconfirmed%5B%5D=Unconfirmed&type%5B%5D=Journalist&type%5B%5D=Media%20Worker&cc_fips%5B%5D=RS&start_year=2000&end_year=2023&group_by=year
[8] https://cpj.org/reports/2022/11/killing-with-impunity-vast-majority-of-journalists-murderers-go-free/
[9] https://ipi.media/ipi-remembers-anna-politkovskaya/
[10] https://www.aljazeera.com/news/2023/11/14/russian-convicted-over-journalist-anna-politkovskayas-murder-pardoned
[11] https://www.aljazeera.com/news/2023/11/14/russian-convicted-over-journalist-anna-politkovskayas-murder-pardoned
[12] https://www.cnbc.com/2023/11/10/kremlin-says-its-confident-putin-will-win-2024-presidential-election.html