Vor erwarteter Gaza-Invasion: Wie Kriegsverbrechen mit zweierlei Maß gemessen werden
- Vor erwarteter Gaza-Invasion: Wie Kriegsverbrechen mit zweierlei Maß gemessen werden
- Was Solidarität mit Israelis und Palästinensern heißen könnte
- Auf einer Seite lesen
Kommt der Einmarsch von israelischen Truppen? Dann drohe ein humanitärer Kollaps, heißt es. Warum selbst UN-Vertreter den Doppelstandard des Westens verurteilen.
Das israelische Militär hat im Vorfeld der erwarteten Bodenoffensive eine weitreichende Evakuierungsaufforderung für fast die Hälfte der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens erteilt, so UN-Vertreter. Die Gaza-Bewohner im nördlichen Teil wurden von Israel aufgerufen, ihre Wohnungen zu verlassen und sich in den Süden der Enklave zu begeben.
Der Aufruf löste bei Zivilisten und humanitären Helfern, die bereits unter israelischen Luftangriffen und einer Blockade zu leiden haben, Panik aus. Das Uno-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) beherbergt bereits jetzt schon mehr als 60 Prozent der 423.000 Menschen, die in den letzten Tagen im Gazastreifen vertrieben wurden.
"Die Vereinten Nationen halten es für unmöglich, dass eine solche Bewegung ohne verheerende humanitäre Folgen stattfinden kann", sagte Stéphane Dujarric, Pressesprecher des UN-Generalsekretärs.
Die Vereinten Nationen appellieren nachdrücklich, dass ein solcher Befehl, sollte er bestätigt werden, zurückgenommen wird, um zu verhindern, dass sich eine bereits bestehende Tragödie in eine katastrophale Situation verwandelt.
Der iranische Außenminister erklärte, dass die Fortsetzung der Verbrechen gegen die Palästinenser eine Reaktion des "Rests der Achse" auslösen werde, da Israel den Gazastreifen weiterhin bombardiere. Es handelt sich um ein Bündnis zwischen u.a. dem Iran, palästinensischen Gruppen und der Hisbollah im Libanon.
Der israelische Energieminister Israel Katz schrieb in den sozialen Medien, so der britische Guardian, dass "kein elektrischer Schalter eingeschaltet, kein Wasserhydrant geöffnet und kein Treibstofftransporter eingefahren wird", bis die "Entführten" frei seien. Nach dem weiteren massiven Beschuss des Gazastreifens auf Wohnhäuser, Gesundheitseinrichtungen und der Totalblockade durch Israel (keine Lebensmittel, kein Strom, kein Wasser, keine Medizin) droht nun ein humanitärer Zusammenbruch für die Menschen dort.
Die Experten der Vereinten Nationen haben die israelische Bombardierung als "kollektive Bestrafung" verurteilt, die ein Kriegsverbrechen darstellt. Das Internationale Rote Kreuz warnt eindringlich vor der humanitären Katastrophe im Gazastreifen: "Krankenhäuser werden in Friedhöfe verwandelt", heißt es.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bestätigte am Donnerstag Berichte, wonach israelische Streitkräfte in dieser Woche bei Artillerieangriffen auf Ziele im Libanon und im Gazastreifen weiße Phosphormunition eingesetzt haben, darunter auch über einem dicht besiedelten zivilen Gebiet des belagerten palästinensischen Streifens – was ein Kriegsverbrechen wäre.
HRW erklärte gestern:
Bei Kontakt kann weißer Phosphor Menschen thermisch und chemisch bis auf die Knochen verbrennen, da er in Fett und damit im menschlichen Fleisch gut löslich ist. Fragmente von weißem Phosphor können Wunden auch nach der Behandlung verschlimmern, in den Blutkreislauf eindringen und multiples Organversagen verursachen. Bereits versorgte Wunden können sich wieder entzünden, wenn die Verbände entfernt werden und die Wunden erneut Sauerstoff ausgesetzt werden. Selbst relativ leichte Verbrennungen sind oft tödlich. Bei den Überlebenden führt eine ausgedehnte Narbenbildung zu einer Verengung des Muskelgewebes und zu körperlichen Behinderungen.
Weißer Phosphor erreicht Temperaturen über 800 Grad Celsius und kann mit Wasser nicht gelöscht werden. Der Direktor von HRW für den Nahen Osten und Nordafrika, Lama Fakih, betonte:
Weißer Phosphor trifft unrechtmäßig und unterschiedslos alle, wenn er auf bewohnte städtische Gebieten aus der Luft abgeschossen wird, wo er Häuser niederbrennt und ungeheuerlichen Schaden bei Zivilisten anrichtet.
Währenddessen bombardieren die israelischen Streitkräfte den Gazastreifen weiter aus der Luft, vom Land und vom Meer aus. Dabei sind bislang mehr als 1.500 Palästinenser, darunter mindestens 500 Kinder, getötet worden. Die Angriffe werden als Vergeltung für die überraschende Infiltration Israels durch die Hamas und die Tötung von über 1.300 israelischen Soldaten und Zivilisten durchgeführt.
Die USA, aber auch die Europäische Union sehen sich gleichzeitig zunehmend Kritik ausgesetzt, weil sie im israelisch-palästinensischen Konflikt mit zweierlei Maß messen. Nach dem Überraschungsangriff palästinensischer Kämpfer auf Israel sagte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen:
Israel hat das Recht, sich zu verteidigen – heute und in den kommenden Tagen. Die Europäische Union steht an der Seite Israels.
Seit diesen Äußerungen von der Leyens hat Israel wie berichtet eine totale Blockade des Gazastreifens verhängt. Das einzige Kraftwerk in Gaza wurde am Mittwoch abgeschaltet, nachdem der Treibstoff ausgegangen ist. Im Oktober 2022 sagte von der Leyen, dass russische "Angriffe auf die zivile Infrastruktur, insbesondere auf die Stromversorgung, Kriegsverbrechen sind".
Männer, Frauen und Kinder von Wasser, Strom und Heizung abzuschneiden, während der Winter naht – das sind Akte des puren Terrors.
Francesca Albanese, die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete, forderte die Präsidentin der EU-Kommission auf, die "gleiche Erklärung" abzugeben, die man im Fall Russlands tätigte, nun gegenüber der israelischen Offensive in Gaza zu veröffentlichen. "Ich verstehe das Mitgefühl und die volle Solidarität mit dem israelischen Volk in dieser tragischen Zeit", sagte Albanese.
Ich verstehe nicht das Fehlen eines angemessenen Mitgefühls mit dem palästinensischen Volk sowie das Fehlen einer Rechenschaftspflicht für Israels anhaltende Besetzung und die seit über 56 Jahren begangenen Verbrechen.