Vor erwarteter Gaza-Invasion: Wie Kriegsverbrechen mit zweierlei Maß gemessen werden

Seite 2: Was Solidarität mit Israelis und Palästinensern heißen könnte

Yousef Hammash, Beauftragter des Norwegischen Flüchtlingsrats für die Interessenvertretung in Gaza, sagte dem US-Sender Democracy Now:

Israel hat den Ägyptern gedroht, dass sie die Lastwagen bombardieren würden, wenn sie irgendwelche Lkw in den Gazastreifen schicken würden. Und sie haben den Grenzübergang Rafah bombardiert, was dazu führte, dass Ägypten den Grenzübergang schloss. Ich habe schon einmal gesagt, dass der Gazastreifen das größte Freiluftgefängnis der Welt ist. Jetzt, mit der Schließung der beiden Grenzübergänge zwischen Gaza und Ägypten sowie Gaza und Israel, ist es zu einer Gefängniszelle ohne Fenster geworden.

Währenddessen hat Kairo das Ansinnen der US-Regierung, einen "humanitären Korridor" für palästinensische Zivilisten einzurichten, damit sie nach Ägypten fliehen können, zurückgewiesen. Die ägyptische Regierung sieht darin lediglich einen Versuch, um die Palästinenser permanent ins Exil zu treiben.

Die renommierte US-Journalistin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises ("Right Livelihood Award"), Amy Goodman, schreibt in einer Kolumne mit dem Titel "As Israel Levels Gaza, the U.S. Media Fuels the Fire" ("Während Israel den Gazastreifen dem Erdboden gleichmacht, schüren die US-Medien das Feuer"):

Die US-Nachrichtensender haben Korrespondenten nach Israel entsandt, um über die Gewalt zu berichten, aber es werden nur wenige Palästinenser interviewt oder israelische Friedensaktivisten oder Reporter, die sich gegen die Besatzung stellen. Berichte, wonach die Hamas Babys enthauptet hat, werden von den großen Nachrichtensendern, vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und von US-Präsident Biden verbreitet. Auf Nachfrage nahm das Weiße Haus die Behauptung zurück und erklärte, man könne die Berichte nicht bestätigen.

In Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern ist die Berichterstattung nicht grundsätzlich anders, trotz aller Warnungen, dass Israel nicht überreagieren sollte. Denn während die Hamas-Verbrechen und das Massaker zu Recht verurteilt werden, werden die illegalen Gewaltakte und das Massaker des israelischen Militärs als "legitime Selbstverteidigung" mehr oder weniger kommentarlos durchgewunken.

Auch wenn es angesichts des öffentlichen und politischen Drucks, sich "uneingeschränkt solidarisch" mit der israelischen Regierung zu erklären, wenig opportun erscheint: Man ist keineswegs ein "Hamas-Versteher", wenn man die Opfer von beiden Seiten anhört, Kriegsverbrechen unabhängig vom Aggressor verurteilt und darauf hinweist, dass die Gewalt nicht in einem historisch-politischen Vakuum eskalierte.

Doch die meisten Medien blenden weiter die Kontexte aus, aus denen die ständigen Gewaltausbrüche genährt werden: die illegale Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel, die inhumane Gaza-Blockade, das Apartheid-Regime, den immer weitergehenden Landraub um Ostjerusalem und im Westjordanland sowie die Blockade eines von der internationalen Gemeinschaft und dem internationalen Recht geforderten Palästinenserstaats.

All das wird seit Jahrzehnten von allen relevanten internationalen Institutionen wie von den meisten Staaten der Welt verurteilt, während Israel aufgefordert wird, den ständigen Rechtsbruch zu beenden.

Doch es geschieht nichts, im Gegenteil, die Lage hat sich unter der Netanjahu-Regierung noch verschärft. Wenn diese Missstände nicht adressiert und letztlich beseitigt werden, ist Frieden für die Region – und auch Sicherheit für die Israelis – eine reine Illusion.