Vorwürfe gegen Till Lindemann: Rammstein ohne "Row Zero"
Konzert nach Bekanntwerden der Anschuldigungen. Influencerin schildert Rekrutierungen junger Frauen für Sex. Welche Rolle spielte die "Casting Direktorin"?
Es ist das erste Rammstein-Konzert in Deutschland seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe junger Frauen gegen den 60-jährigen Leadsänger der Band, das heute Abend ab 19.30 Uhr im Münchner Olympiastadion stattfindet – und es wird anders sein als sonst. Bei allen vier Konzerten in der bayerischen Landeshauptstadt wird es keine "Row Zero" und keine After-Show-Party geben.
Die "Reihe null" war laut den Vorwürfen hauptsächlich für eine Vorauswahl junger Frauen vorgesehen, die mit dem Rammstein-Frontmann Till Lindemann Sex haben sollten. Einige – wenn nicht die meisten – sollen darüber im Unklaren gelassen worden sein.
Nur wenige Tage vor den Großkonzerten hatten die Grünen im Stadtrat einen Antrag eingereicht: "Aus Sicherheitsgründen" solle es bei den Auftritten der Band in München keinen abgetrennten Bereich vor der Bühne geben. Linke und ÖDP hatten den Antrag unterstützt.
Die für das Stadion zuständige Olympiapark GmbH erklärte Anfang der Woche auf Anfrage der Abendzeitung, dass es definitiv keine "Row Zero" und keine Party nach dem Konzert geben werde. Dies habe der Veranstalter gemeinsam mit der Band am Wochenende entschieden.
Hinterzimmer-Casting statt After-Show-Party
Die Youtuberin Kayla Shyx hat nun in einem knapp 37-minütigen Video geschildert, wie ihr nach der Einladung zur After-Show-Party eines Rammstein-Konzerts im vergangenen Jahr klar geworden sei, worum es bei diesen Veranstaltungen wirklich gehe.
Angesprochen worden seien sie und ihre damals 18-jährige Freundin auf einem Konzert im Juni 2022 Jahr von der "Casting Direktorin" Alena Makeeva, die von Rammstein erst in dieser Woche vor die Tür gesetzt wurde.
An der eigentlichen Party vorbei, seien sie dann aber in ein Hinterzimmer geschleust worden. Dazu zeigt Shyx zu Beginn des Videos Nachrichten, die sie nach eigenen Angaben nach dem Rammstein-Konzert an einen Freund geschrieben hat. "Wir dachten, wir gehen auf die After Party … auf einmal führt sie uns in so einen Hinterraum.. und sie meinte, ihr wartet jetzt auf Till.. Wir wurden da einfach reingeholt, damit sich Rammstein welche aussuchen kann." Dieses "Prozedere" finde bei jeder Show von Rammstein statt, sagt Shyx.
Keine Altersgrenze nach unten?
Das Alter der auserwählten Mädchen und Frauen reiche bis maximal 30 – es gebe keine Altersgrenze nach unten – jedenfalls werde kein Ausweis kontrolliert. "Niemand stellt sicher, dass diese Mädchen, die dort hinkommen, volljährig sind", betont die Influencerin. Sie sei damals "unter miesem Druck" gewesen und habe – wie die anderen – ihr Mobiltelefon abgeben sollen.
Vor dem Raum kontrollierten die Security-Männer, dass jede von uns ihr Handy auf einen Tisch legt. Da merkte ich, ich hätte umdrehen sollen. Aber die Security hat mich angestarrt, Makeeva hat wie eine Mum beruhigend auf mich eingeredet. Ich war unter miesem Druck.
Kayla Shyx
Auf zwei Sofas hätten dann rund zehn Mädchen schweigend gesessen und gewartet, Makeeva habe sie bedrängt, Alkohol zu trinken. Allerdings schaffte sie es, sich dem Druck zu entziehen. "Auf einmal checke ich: Ich bin hier als Sexobjekt. Panik, Panik." Daraufhin seien sie und ihre Freundin gegangen.
"Alle haben es kleingeredet"
Egal, wem sie in der "Industrie" von ihrer Erfahrung erzählt habe – alle hätten ihr geraten, nicht darüber zu reden. Auch ihr früheres Management. "Alle haben es kleingeredet und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich irgendwo Support habe." Durch die aktuelle Berichterstattung zu den Vorwürfen der Irin Shelby Lynn und weiterer junger Frauen, denen es schlimmer ergangen sei, fühle sie sich aber sicherer.
Von der beteiligten "Casting Direktorin" hat sich Rammstein inzwischen getrennt – die aus Russland stammende Frau erhält nach Medienberichten auch keinen Zutritt mehr zu den Konzerten. Zuerst hatte Die Welt am Dienstag berichtet, dass ihr vom Management mit sofortiger Wirkung der Zugang zu Konzerten untersagt worden sein soll.
Aus dem Umfeld der Band soll es heißen, sie habe für ihre Dienste nie Geld erhalten. Aus ihrem Social-Media-Profil, das bis vor wenigen Tagen öffentlich war, ging hervor, dass sie als Fan begonnen hatte, die Nähe der Band zu suchen.
Jetzt steht die Frage im Raum, wie vielen Mädchen und Frauen sie nicht klar kommuniziert hat, was Lindemann von ihnen erwartet haben soll – und wie deutlich er selbst ihr gegenüber geworden war. Shelby Lynn jedenfalls hat erklärt, er sei sauer geworden, als sie keinen Sex mit ihm haben wollte. Eine Vergewaltigung wirft sie ihm nicht vor. An die Herkunft von Hämatomen an ihrem Körper allerdings kann sie sich nicht erinnern und vermutet, unter Drogen gesetzt worden zu sein.
Die Band ist nach Medienberichten mit einer internen "Aufarbeitung" beschäftigt und hat sowohl Anwälte eingeschaltet als auch eine Berliner PR-Agentur, die auf Krisenkommunikation spezialisiert ist.