Vorwurf an Elon Musk: Neue Phase des antisemitischen Diskurses eingeläutet

Bild: Debbie Rowe, The Royal Society / CC BY-SA 3.0 Deed

Rabbiner und jüdische Intellektuelle rufen Disney, Apple und Amazon zum Boykott von X auf. Es gehe Gefahr für Juden und andere aus. Was Musk zum Antisemitismus-Vorwurf sagt.

Die Vorwürfe, die eine Gruppe von Rabbinern, Leitern jüdischer Organisationen, Künstlern, Aktivisten und Akademikern gegen Elon Musk erhebt, haben es in sich: Von ihm und X (ehemals Twitter) gehe eine "Gefahr für Juden und andere" aus.

Mit Musk als Besitzer von X werde die Verbreitung von Antisemitismus und Verschwörungstheorien auf der Plattform gefördert, heißt es in einem offenen Brief, den mittlerweile 162 Personen unterzeichnet haben. Darunter seien prominente jüdische Intellektuelle und Aktivisten in den USA - nicht nur sogenannte "Progressive", vielmehr sei das gesamte politische Spektrum vertreten.

Man habe zwar unterschiedliche Ideologien und Überzeugungen, heißt es in dem Offenen Brief, sei sich aber einig, dass man sich mit der Gefahr auseinandersetzen müsse. Mit Entsetzen habe man beobachtet, "wie sich in einem der größten sozialen Netzwerke Amerikas eine neue Stufe des antisemitischen Diskurses wie ein Lauffeuer ausgebreitet hat".

Diese Tendenz habe Musk ermöglicht und gefördert.

X sei zu einem "Nährboden für einige der gefährlichsten antisemitischen Äußerungen in den USA geworden".

Es hat Randfiguren zum Mainstream gemacht, Verschwörungstheorien verbreitet, die Juden gefährden, Neonazis und andere Antisemiten wieder eingestellt und die Moderation des Contents zerstört, die einst Dinge wie Holocaust-Leugnung und Hassreden minimierte.

Offener Brief, X out Hate

"Indem Musk Nazis wie Andrew Anglin, den Gründer der Publikation ‚The Daily Stormer‘, und den Verschwörungstheoretiker David Icke wieder erlaubt habe, ihren Hass zu verbreiten, habe er dafür gesorgt, dass sich die Zahl der antisemitischen Posts auf X verdoppelt hätte. Vermutlich werde sie noch weiter ansteigen", zitiert die Jüdische Allgemeine in Deutschland konkrete Vorwürfe aus dem Offenen Brief.

Da Appelle nichts bewirken, setzen die Unterzeichner auf den Boykott als einzig wirksame Maßnahme. So sollen Disney, Apple, Amazon und andere große Werbetreibende ihre Werbeausgaben für X stoppen. Apple und Google werden aufgefordert, X aus ihren App-Stores zu entfernen. Dies würde auch ihren eigenen Regeln entsprechen.

Disney und Apple sind wichtig für X. Die beiden gehören zu den größten Vermarktern des sozialen Netzwerks, hieß es im März dieses Jahres. Da freute sich Musk, dass sie bleiben.

Ob sich an der Einstellung der beiden Großen zu Geschäften mit Musk etwas ändert, spiegelt sich bis jetzt nicht in den Nachrichten wider.

"Nicht mit harten Fragen nerven"

Musk selbst nahm vor wenigen Tagen an einer Diskussion über Antisemitismus teil, die auf X gestreamt wurde.

Die jüdische US-Publikation Forward kommentiert, die als Gespräch mit Musk über Antisemitismus, Glauben und Meinungsfreiheit angekündigte Veranstaltung zeige, "dass der beste Weg, die Aufmerksamkeit des reichsten Mannes Amerikas zu gewinnen, nicht darin besteht, ihn mit harten Fragen oder Fakten zu nerven".

Das ist schade, denn es gibt eine schwierige und wichtige Diskussion, die Musk mit Menschen führen muss, die Beweise dafür haben, dass X sich nicht an seine eigene erklärte Verpflichtung hält, keine Fehlinformationen, Hass und Gewalt zu verbreiten.

The Forward

In dem "wohlwollenden" Interview (Jüdische Allgemeine) bezeichnete sich Musk als "aspirationally Jewish". Die Jüdische Allgemeine übersetzt dies mit "aufstrebenden Juden". Musk beschreibe sich: "als jemand, der sich mit 'jüdischen Werten' identifiziert". Der X-Chef unterlegte dies mit der Selbstbeschreibung als "Büchernarr", der gerne mehr jüdische Freunde hätte.

Das ist Partygeplauder und wird die Unterzeichner des Offenen Briefes nicht zufriedenstellen. Sie befürchten eine schlimme Entwicklung.

Die Zahl der antisemitischen Ausfälle auf X könnte sich häufen, schreiben sie. "Wenn sich nichts ändert, wissen wir, was passieren wird: Hassreden und Radikalisierung sind immer die Vorstufe zur Gewalt."