WFP warnt vor "Hunger-Pandemie"

Heuschreckenschwarm. Archivbild: Magnus Ullman. CC BY-SA 3.0

Die Corona-Krise und "biblische Plagen": Laut der UN-Behörde sind weltweit 265 Millionen Menschen lebensbedrohlich gefährdet

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"Kein Hunger bis 2030" lautete Ziel 2 der UN-Agenda, die vor fünf Jahren beschlossen wurde. Keiner sollte zurückgelassen werden, setzte die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung als Maßgabe. Das oberste Ziel ist: "Armut in allen ihren Formen und überall beenden."

Seinerzeit, vor der Dringlichkeit, die der Klimawandel gewann, und weit vor der Corona-Krise, wurden Hoffnungen laut, dass der Welthunger ein lösbares Problem sei. Als Lösungsansätze wurden technischen Verbesserungen angeführt, zum Beispiel eine effizientere Bewässerungstechnik, die bei höheren Erträgen Wasser einsparen lasse sowie verbesserte Anbau- und Düngemethoden (Unnötiger Welthunger).

Hungersnot "biblischen Ausmaßes"

Gestern wurde das Welthunger-Problem neu vor dem UN-Sicherheitsrat aufgetischt. Von Hoffnungen war keine Rede mehr. Stattdessen ist dem Transkript der Bemerkungen von David Beasley, dem Leiter des UN World Food Programme (WFP) anzumerken, wie er versucht, dem Riesenproblem einen Nachrichtenwert zu verschaffen, der sich gegen die Aufmerksamkeitskonkurrenz mit anderen Katastrophenmeldungen behaupten kann und zur Aufstockung der Hilfsmaßnahmen führt.

Beasley spricht von einer drohenden "Hunger-Pandemie", ein Sturm ("perfect storm") ziehe auf. In der begleitenden Medienaufmerksamkeitskampagne - Beasley gab z.B. dem Guardian ein Interview - ist von einer Hungersnot biblischen Ausmaßes die Rede.

Wir sprechen hier nicht von Menschen, die hungrig zu Bett gehen. Wir sprechen von extremen Bedingungen, einem Notfall - bei dem eine Menge Menschen sich buchstäblich auf dem schmalen Grat zum Hungertod befinden. Wenn wir ihnen keine Nahrung besorgen, werden sie sterben.

David Beasley, Leiter des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP)

Man habe nur eine kurze Zeit, um Gegenmaßnahmen zu treffen, erhöht Beasley den Druck, um schnelle Hilfe zu mobilisieren. Weltweit würden 821 Millionen Menschen an chronischem Hunger leiden, 135 Millionen seinen vom Hungertod gefährdet, so die Daten vor Ausbrauch der Corona-Pandemie. Dem fügte Beasley in seinem Statement vor dem UN-Sicherheitsrat hinzu, dass nun weitere 130 Millionen infolge des Coronavirus zu den vom Hungertod Gefährdeten hinzugezählt werden müssten.

Das ergebe insgesamt 265 Millionen Menschen, die weltweit lebensbedrohliche Hungersnot befürchten müssen. Die am meisten hilfsbedürftigen Länder, die er nennt, sind Kriegszonen, etwa der Jemen und Syrien, sowie Zonen, die mit Dürren zu kämpfen haben, die Sahelzone, Ostafrika, er nennt Äthiopien und den Südsudan und er erwähnt die andere biblische Plage, die Heuschreckenschwärme, die in Ostafrika ein großes Problem für die dortige Landwirtschaft sind.

Heuschreckenplage, Dürren - gigantische Strukturprobleme

Es sind die schlimmsten Schwärme seit 25 Jahren, wird berichtet. Die Lieferungsbeschränkungen, die es infolge der Bekämpfung der Corona-Pandemie gibt, kommen nun als weitere Schwierigkeit hinzu. (Genau Länderanalysen sind in dem aktuellen Lage-Bericht der WFO zur weltweiten Ernährungskrise nachzulesen).

Wie auf diese Ereignisfolge, die sich mit den durch den Klimawandel verstärkten Problemen und den wirtschaftlichen vermengt, reagiert werden kann, ist ein gigantisches Strukturproblem, mit dessen Folgen auch Europa zu tun bekommen wird - Entwicklungshilfe, Agrarexporte und Flüchtlingspolitik sind pauschale Stichworte dafür.

Schon der akute Hilferuf des WFP-Leiters, der auf spontane Unterstützung setzt, macht auf Schwierigkeitsgrade aufmerksam, die mit der Corona-Krise wesentlich verstärkt werden. Bislang waren Geldgaben ein zwar strukturell problematisches, aber politisch zumindest prima vista einfaches Rettungs-oder Linderungsmittel.

Schaut man sich allerdings an, welche Milliardenprogramme,die reichen Länder in der Corona-Krise auflegen, um den Wirtschaftsschock und die Arbeitslosigkeit in ihren Ländern zu dämpfen, so fragt man sich angesichts der Konzentration auf Nationales, woher das Geld für die WFP kommen wird? Wer wird für die Hilfen bereit sein?

Dabei ist die Summe relativ bescheiden: 2 Milliarden US-Dollar brauche man für die akute Hungerhilfe, so Beasley. Dazu kämen 350 Millionen Dollar, um eine Logistik zu organisieren, die mit den Corona-Krise-Beschränkungen zurechtkommt.

Noch gar nicht groß eingerechnet ist dabei, welche Folgen die Corona-Krise auf die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse des allergrößten Teils der Bevölkerungen in den von Hunger gefährdeten Ländern haben wird.