WM 2022 in Katar: größer, teurer, blutiger
- WM 2022 in Katar: größer, teurer, blutiger
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Boykott-Diskussion und Fifa-Kriterien: Ein Land, das eine Fußball-WM ausrichten will, muss vor allem in der Lage sein, viel Geld auszugeben. Demokratie ist dabei Nebensache und vielleicht sogar hinderlich
Erinnert sich jemand an den 2. Dezember 2010? Es wäre übertrieben zu sagen, das sei das "Nine Eleven" des internationalen Fußballs gewesen, aber ein riesiger Schock und eine Zäsur war es allemal: In Zürich öffnete Fifa-Präsident Sepp Blatter vor laufenden Kameras ein Blatt Papier, auf dem groß "Qatar" gedruckt stand. Die Entscheidung war gefallen. Von den 22 Mitgliedern des Fifa-Exekutivkomitees stimmten in der vierten und letzten Runde 14 für das Emirat als Ausrichter der Weltmeisterschaft im Jahr 2022. Acht bevorzugten die USA.
Viele hatten es befürchtet, aber wirklich wahrhaben wollte man beziehungsweise frau es nicht so recht. Ein Turnier mitten in der Wüste? In einem autoritären Ministaat ohne nennenswerte Fußballtradition? Was sollte das? Hinzu kam, dass die Entscheidung der Gestank von Korruption umwehte. Nur ein halbes Jahr später wurden bereits zehn Mitglieder des Exekutivkomitees verdächtigt, ihre Stimme verkauft zu haben.
Weniger Demokratie wagen für gut geplante Großevents
Für viele Fußballfans war mit der Vergabe der WM 2022 an das Emirat Katar eine rote Linie überschritten. Doch so absurd die Entscheidung auf den ersten Blick anmutete - sie war der logische Endpunkt einer Entwicklung. Die Weltturniere hatten immer gigantischere Ausmaße angenommen. Die immensen politischen, ökonomischen und logistischen Forderungen der Fifa führten dazu, dass heute nur noch ein kleiner Kreis von Ländern für die Austragung einer WM in Betracht kommt. Und dies führte die Fifa stärker an die Seite von Staaten mit geringer demokratischer Kontrolle, deren Regierungen bereit waren, für derlei Großveranstaltungen Unsummen auszugeben.
Jerome Valcke, zum Zeitpunkt der Vergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 Generalsekretär der Fifa, räumte das ganz offen ein: "Das mag jetzt ein wenig verrückt klingen, aber manchmal ist weniger Demokratie bei der Planung einer WM besser", sagte er 2013 dem Sportinformationsdienst (SID). "Wenn es ein starkes Staatsoberhaupt mit Entscheidungsgewalt gibt, vielleicht wie Putin sie 2018 hat, ist es für uns Organisatoren leichter als in Ländern wie Deutschland, in denen es auf verschiedenen Ebenen verhandelt werden muss."
Im Herbst 2020 gründeten in Deutschland einige Einzelpersonen die Kampagne "BoycottQatar2022". Die Initiatoren kritisierten die fehlende Rechtsstaatlichkeit im Gastgeberland - Katar ist eine absolute Monarchie - die Arbeits- und Lebensbedingungen der gut Millionen Arbeitsmigranten, das Verbot von Homosexualität und die Verfolgung von Homosexuellen, die Unterdrückung von Frauen, fehlende Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit, Antisemitismus und radikalen Islamismus.
Der Startschuss der Kampagne sollte eigentlich erst ein Jahr später, im Herbst 2021 erfolgen. Aber dann kam alles anders. Im Februar dieses Jahres meldete der Guardian, dass seit der WM-Vergabe nach Katar rund 6.500 Arbeitsmigranten ums Leben gekommen seien. Dabei handelte es sich vorwiegend um junge Männer. Der Guardian bezog sich auf Daten aus Regierungsquellen fünf asiatischer Länder. Die tatsächliche Gesamtzahl der Todesopfer liegt möglicherweise höher, da Daten aus einigen anderen Ländern fehlen. Auch wurden die Todesfälle aus den letzten Monaten des Jahres 2020 noch nicht berücksichtigt.
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