Waffen für den Frieden
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- Wo findet die größte humanitäre Krise der Welt statt?
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Die Wut und Empörung über den russischen Angriff auf die Ukraine setzt die Friedensbewegung massiv unter Druck. Die Nutznießer sitzen an ganz anderer Stelle
Die Brutalität des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine mit seinen hohen Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung hat nicht nur zu millionenfacher Flucht geführt.
Mit der Nato und der Bundeswehr verbundenen Kräfte nutzen die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung auch, um eine nie gekannte Hochrüstung in einem Tempo durchzusetzen, das viele überrascht.
Sie tun so, als verkürze diese Steigerung der jährlichen Militäretats auf über zwei Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung das Leid der Menschen in den Kriegszonen. Und sie flankieren die Propaganda für dieses schon rein ökologisch nicht verantwortbare Vorgehen mit einer Diskreditierung der Friedensbewegung mit dem abfälligen Begriff des Appeasement - zu Deutsch "Beschwichtigung" oder "Besänftigung" des Faschismus, das an Zugeständnisse von Westalliierten an Hitler vor dem zweiten Weltkrieg erinnert.
Friedenskräfte werden dabei als naive Gefährder der Freiheit, als Putin-Versteher oder als Ideologen ohne Bezug zur Realität abgetan. Dafür steht das Zitat des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz in der Bundestagsdebatte nach Kriegsbeginn:
Lichterketten, Friedensgebete, Ostermärsche sind eine schöne Sache. Auch wir haben heute Morgen mit einer Gruppe von Abgeordneten aus einigen Fraktionen des Deutschen Bundestages für den Frieden in der Welt und das Ende dieses Krieges gebetet. Aber, meine Damen und Herren, mit Moral allein wird die Welt um uns herum nicht friedlich, schon gar nicht mit der angeblich besseren Moral, die immer wieder auch in Deutschland vorgetragen wird. Der Ukraine jedenfalls haben gute Worte nichts genutzt...
Diese Worte transportieren die Botschaft, die Friedensbewegung sei mit ihrer Orientierung auf Gewaltfreiheit untauglich beim Bemühen, Krieg zu verhindern.
Die Stimmungsmache gegen die Friedensbewegung erlebt aktuell auch in der Medienwelt neue Formen, die bis in die "tageszeitung" hinein zu beobachten ist:
Wo ist eigentlich die Friedensbewegung? In Kommentaren und Tweets fiel diese Fragen in den vergangenen Wochen immer wieder, rein rhetorisch gemeint ... meist von jenen, denen die Friedensbewegung schon immer suspekt war. ... solange nebenan obskure Demos stattfinden, auf denen ... in Parolen die 'internationale Solidarität' beschworen wird, aber doch nur die Solidarität mit den Machteliten im Kreml gemeint ist …
Hier wird die Friedensbewegung mit einer Unterstellung in die Nähe des russischen Präsidenten gerückt, und damit werden aus Pazifisten zu Unterstützern eines grausamen Krieges. Diese Desinformation wirkt bis in die Friedensbewegung spaltend.
Der Ukraine-Krieg verändert auch Aktionen, die für den Frieden aufrufen, wie die Berliner Demonstration von Hunderttausenden am 27. Februar 2022, über die die Süddeutsche Zeitung schrieb: Man "hört (...) in Gesprächen mit Demonstrierenden, dass es gut sei, dass Deutschland nun Waffen an die Ukraine liefert. (...) Ws sei nun geboten, der Ukraine militärisch zu helfen. "Wir waren ja alle naiv".
Buhrufe für Werbung für Deeskalation
Von einigen Friedensdemonstrationen wird berichtet, dass dort Pazifisten, die sich gegen eine Friedenserzwingung mit militärischen Mitteln aussprechen, ausgebuht worden seien.
Das kann man verstehen, wenn Menschen aus der Ukraine auf jede nur erdenkliche und schnelle Hilfe gegen den Aggressor hoffen. Sie wünschen sich, dass der Feind schnell von der Bildfläche verschwindet, und das können sie sich nur als Ergebnis einer schnellen militärischen Niederlage vorstellen. Die damit verbundenen Gefahren, etwa infolge der Atomanlagen in der Region, die Gefahr eines Dritten Weltkriegs blenden sie aus.
In dieser Stimmung wächst auch in der Bevölkerung in den Nato-Staaten die Zustimmung zu militärischen Mitteln, zum einen als Waffenlieferung an die Ukraine und zum anderen als milliardenschwere Aufrüstung der Nato-Kräfte, darunter die Bundeswehr, wie ein Bericht über die sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Kaweh Mansoori und Armand Zorn zeigt. Kaweh Mansoori erklärt:
"Seit ich politisch denken kann, habe ich Waffenlieferungen in Kriegsgebiete abgelehnt", wird Mansoori zitiert. In diesem Fall unterstütze er das aber, "weil es moralisch nicht anders vertretbar ist".
"Wir tun uns schwer damit aufgrund unserer Historie", so Zorn: "Aber daraus ergibt sich auch eine besondere Verantwortung für Frieden." Man werde aber darauf achten, dass es bei der Investition von 100 Milliarden Euro nicht allein um mehr Waffen und Kampfhubschrauber gehe, sondern eine Reform der Bundeswehr auf den Weg gebracht werde."
Der Meinungsumschwung sei bei Ukrainern, die sich militärische Hilfe für die Abwehr der Aggression erhoffen, nachvollziehbar, schreibt die Frankfurter Rundschau. Friedenskräfte niederzumachen, weil sie statt auf Militär auf Diplomatie setzen, sei für Friedensdemonstrationen aber neu.
Auf einer "Friedensdemo" (...) in der Frankfurter Innenstadt hatte es (...) Diskussionen über die Reaktion auf Putins Angriffskrieg gegeben. Alexander Wagner, stellvertretender Vorsitzender des DGB, war ausgepfiffen worden, nachdem er (...) für Deeskalation geworben hatte.
Der Umschwung in der öffentlichen Meinungsbildung zeichnet sich auch im Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen ab:
Wurden Waffenlieferungen an die Ukraine vor dem Angriff Russlands noch mehrheitlich abgelehnt (Feb. II: 74 Prozent), so finden es jetzt 67 Prozent richtig, dass Deutschland der Ukraine Waffen geliefert hat (nicht richtig: 29 Prozent).
Dies ist unter anderem ein Ergebnis des Nachrichtenmanagements der Militärlobby.
Als Beispiel dafür sei der von der UNO 2019 als "größte humanitäre Krise der Welt" bezeichnete Jemen-Krieg mit bisher fast 400 000 Toten und über zehn Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen sowie mehreren Millionen Flüchtlingen erwähnt.
In diesem Krieg kämpfen Erdölstaaten mit westlichen Waffen; die Tatsache, dass dieser Krieg in den Medien und in der Politik kaum vorkommt, drückt doppelte Standards in der Beeinflussung der Menschen aus.