Waffenruhe in Gaza: Der Krieg zieht weiter

Archivaufnahme: Israelische Soldaten in Ramallah
(Bild: Shutterstock.com)
Israelische Militäroperation tötet mindestens 10 Palästinenser in Jenin. UN warnt vor prekärer Lage in Gaza trotz Waffenruhe. Ein Überblick.
Während die Krise im Gazastreifen trotz der am Sonntag in Kraft getretenen Waffenruhe weiterhin akut bleibt, spitzt sich die Lage im von Israel besetzten Westjordanland zu.
Dort sind nach Berichten von Al Jazeera mindestens 10 Palästinenser im Rahmen einer Militäroperation in Jenin getötet worden. Die Vereinten Nationen haben jüngst ihre Besorgnis über die dort eskalierende Gewalt zum Ausdruck gebracht.
Lage in Gaza bleibt angespannt
Laut UN-Sprecher Farhan Haq konnten dank der Waffenruhe und des Abkommens zur Freilassung von Geiseln einige Vertriebene zurückkehren. Hunderttausende im gesamten Gazastreifen seien jedoch weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen, wie er auf einer Pressekonferenz in New York erklärte.
"Nach Inkrafttreten der Waffenruhe sind vertriebene Palästinenser auf dem Weg zurück in ihre Häuser, wobei viele bei ihrer Rückkehr Berge von Schutt vorfinden", so Haq. Ihm zufolge wurden Partnerorganisationen zufolge in den letzten 15 Monaten über 90 Prozent der Wohneinheiten in Gaza beschädigt oder zerstört.
Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung und der Bedürfnisse in Gaza arbeite man daran, die lebenswichtige Hilfe so schnell wie menschenmöglich zu den Menschen zu bringen.
"Wir fordern die Mitgliedstaaten und Partner auch dringend auf, sicherzustellen, dass unsere Hilfseinsätze finanziert werden, um den überwältigenden Bedürfnissen gerecht zu werden", appellierte der UN-Sprecher.
Dem UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten zufolge fuhren am Dienstag 897 Lastwagen in den Gazastreifen ein, basierend auf Informationen aus Gesprächen mit israelischen Behörden und anderen Gesprächspartnern.
Luftangriffe und Planierraupen in Jenin
Haq äußerte zudem tiefe Besorgnis über die Lage im Westjordanland, insbesondere über die Sicherheit der Palästinenser in der Stadt Jenin und ihrem Flüchtlingslager, wo bei israelischen Militäroperationen am Dienstag 10 Menschen getötet und viele weitere verletzt wurden.
"Ersten Berichten zufolge haben Luftangriffe, schweres Planieren und der Einsatz verdeckt operierender Kräfte zu mehreren Toten und Dutzenden Verletzten geführt – auch unter medizinischem Personal", sagte er.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte die Angriffe mit dem Ziel an, "den Terrorismus auszurotten". Die Operation folgt auf wochenlange Zusammenstöße zwischen israelischen Streitkräften und bewaffneten Palästinensern. Die vorherige Gewalt hatte rund 2.000 Familien aus dem Lager von Jenin vertrieben.
Das israelische Militär setzte am Mittwoch seine groß angelegte Militäroperation in und um die Stadt Jenin im Westjordanland, die als Hochburg militanter Palästinenser gilt, fort.
Das Militär erklärte, dass mehrere "Terrorinfrastrukturstätten" ins Visier genommen und Straßenbomben entschärft worden seien. Die Kämpfe in Jenin finden nur wenige Tage nach Inkrafttreten einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas in Gaza statt.
Netanjahu kündigt "umfangreiche Kampagne" in Jenin an
Netanjahu sagte, die Kampagne in Jenin werde "umfangreich und bedeutsam" sein und sei Teil einer breiteren Strategie, Israels Erzfeind Iran "überall dort zu widerstehen, wo er seine Waffen hinschickt". Die israelische Regierung hat den Iran beschuldigt, zu versuchen, Waffen und Gelder an Militante im Westjordanland zu liefern.
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Jenins Gouverneur Kamal Abu al-Rub sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass die "Situation sehr schwierig" sei.
"Die [israelische] Besatzungsarmee hat alle Straßen, die in das Lager von Jenin und zum staatlichen Krankenhaus von Jenin führen, mit Bulldozern bearbeitet [...] Es gibt Schüsse und Explosionen", fügte er hinzu. Abu al-Rub zufolge haben israelische Streitkräfte mehrere Personen aus Dörfern in der Nähe der Stadt festgenommen.
Die israelische Operation wurde nur wenige Stunden gestartet, nachdem eine Reihe israelischer Siedler Häuser und Fahrzeuge in zwei palästinensischen Dörfern in Brand gesetzt und dabei mehr als 20 Menschen verletzt hatte, wie das palästinensische Rote Kreuz mitteilte.
Dem in Ramallah ansässigen palästinensischen Gesundheitsministerium zufolge haben israelische Soldaten oder Siedler seit Beginn des Gaza-Konflikts mindestens 847 Palästinenser im Westjordanland getötet.
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