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Wagenknecht erneuert Kritik an Sanktionspolitik, Debatte in Linkspartei

Wagenknecht, 2021. Bild: DIE LINKE, CC BY 2.0

Kritik an Strafmaßnahmen und Kurs ihrer Partei. Interne Konflikte spitzen sich zu. Prominente Linken-Abgeordnete führt Ranking von Baerbock.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht hat ihre Kritik an der Sanktionspolitik westlicher Staaten gegenüber Russland erneuert. Auf einer Veranstaltung der "Arbeitsgemeinschaft Friedenspolitik der Linkspartei" verwies sie unlängst auf die "verheerende Bilanz" der bisherigen Politik der Bundesregierung auf diesem Gebiet.

Die Strafmaßnahmen gegen Russland hätten im Westen katastrophale Auswirkungen auf die Preise, darunter litten vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen [1], so Wagenknecht laut einer Mitschrift, die Telepolis vorliegt.

Sollte auch das Comeback der Kohle so weitergehen wie derzeit, könne man zudem "den Kampf gegen den Klimawandel vergessen". Auch der Umstand, dass die Verknappung und Verteuerung des Rohstoffs Erdgas [2], und die Verknappung von Getreide und Düngemitteln auf dem Weltmarkt viele Länder des Globalen Südens in Not stürzt [3], müsse der Sanktionspolitik angelastet werden.

Mit der Führung ihrer Partei, die auf dem vergangenen Parteitag durchgesetzt hatte, dass sich Die Linke teilweise zu Sanktionen gegen Russland bekennt, ging Wagenknecht ebenfalls hart ins Gericht: "Die Linke gibt hier zurzeit keine Orientierung und damit verpasst sie auch in dieser Frage die Chance, sich als politische Alternative zur Ampel zu profilieren."

Als Hauptreferent der Veranstaltung machte Nahost-Experte Michael Lüders bei der parteiinternen Veranstaltung deutlich, wie sehr die Zielvorgaben von Sanktionen und ihre tatsächlichen Folgen auseinanderklaffen: "In keinem einzigen Fall haben verhängte Sanktionen tatsächlich zu dem Ziel geführt, für welches sie erlassen wurden." Die Beispiele des Irak und Iran zeigten, dass sogar eine Solidarisierung mit der jeweiligen Regierung zu verzeichnen gewesen sei. Dies sei genau das Gegenteil von dem gewesen, was die sanktionierenden Staaten beabsichtigt hatten.

Die Mitglieder der "Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik" wollen nun die politische Linie der Partei in dieser Frage neu ausloten. Dafür sollten auch die Debatten im Rahmen der Programmdiskussion dienen, die die Parteiführung momentan plant. Mehr als 200 Zuschauer folgten der Veranstaltung online.

Wagenknecht steigt in Umfrage

Damit dürften sich die Debatten in der Linkspartei weiter zuspitzen. Parteichef Martin Schirdewan hat seine Partei bei Protesten gegen den Ukraine-Konflikt zuletzt zur Abkehr von mutmaßlichen AfD-Positionen aufgerufen. Als Vorsitzender spreche er sich für "für höchste Sensibilität und konsequente Abgrenzung" aus, sagte Schirdewan dem Nachrichtenmagazin Spiegel.

Er nahm damit auch Bezug auf die Teilnahme des Linke-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko an Protesten in Aachen gegen die westliche Politik gegenüber der Ukraine und Russland. Hunko hatte nach Medienberichten an einer Demonstration gegen Waffenlieferungen in die Ukraine teilgenommen, auf der auch Vertreter der AfD auftraten.

"Wir dürfen und werden den Rechten nicht die Straße überlassen. Aber dafür ist eine klare Kante wichtig", sagte Schirdewan in dem Interview [4]. Zwar gestand er ein, man könne nicht im Voraus überprüfen, wer zur Demonstration gehe. Jedoch sei Die Linke eine antifaschistische Partei, so Schirdewan, der sich damit implizit gegen das Engagement Hunkos aussprach.

"Alle Umfragen zeigen ein großes Bedürfnis nach einer friedenspolitischen Stimme aus dem demokratischen Spektrum. Diese Stimme sind wir", so Schirdewan weiter.

Hinter der Debatte steht ein schon länger schwelender Streit um die Positionierung der Linken gegenüber friedenspolitischen Forderungen und der Nato.

Die Umfragen aber scheinen der Linie von Wagenknecht recht zu geben. Sie führte zuletzt das Politikerranking des Meinungsforschungsinstituts Insa an [5]. Dort konnte die 53-jährige Wagenknecht zuletzt zwei Punkte aufholen. Zugleich stürzte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Wählerzuspruch vom vormals vierten Rang auf Position acht ab. Baerbock steht für eine Politik, die auf eine weitreichende politische, finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine setzt.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7488316

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.telepolis.de/features/Die-Armut-der-Mitte-7253502.html?seite=all
[2] https://www.telepolis.de/features/Waere-die-Oeffnung-von-Nord-Stream-2-ein-Beitrag-gegen-Verarmung-7263181.html
[3] https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Was-viele-Laender-der-Welt-jetzt-fordern-7283419.html?seite=all
[4] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-linke-chef-martin-schirdewan-ich-bin-kein-pazifist-a-fac333a4-59fa-4190-b0d1-76ec2d662f9f
[5] https://www.focus.de/politik/deutschland/insa-meinungstrend-sahra-wagenknecht-legt-ueberraschend-zu_id_185153594.html