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Wagenknecht und Abgeordnete treten aus Linkspartei aus. Hier ihre ErklÀrung

Redaktion Telepolis

Karl-Liebknecht-Haus in Berlin. Nun hat Wagenknecht einen Punkt gesetzt. Bild: SK49, CC BY 3.0

Ehemalige Fraktionsvorsitzende und gut ein Dutzend Politiker verlassen die Partei. Linke verliert damit Fraktionsstatus. Hier die ErklÀrung in voller LÀnge.

Sahra Wagenknecht und 15 weitere Politiker haben ihren Austritt aus der Linkspartei erklÀrt. Das geht aus einer gemeinsamen Stellungnahme hervor, die Telepolis und der Berliner Zeitung vorliegt. Unterzeichnet ist das Dokument von zehn Abgeordneten der Linken sowie weiteren Politikern der Partei.

Die Linke wird damit im Bundestag ihren Fraktionsstatus verlieren. Auch Wagenknecht und ihre Mitstreiter werden nur als Parlamentariergruppe in Parlament vertreten sein. Damit haben beide Gruppen bis zum Ende der Wahlperiode deutlich weniger Ressourcen und Beteiligungsrechte als die Fraktionen des Hauses.

"Wir haben uns entschieden, DIE LINKE zu verlassen und eine neue Partei aufzubauen", heißt es in dem Brief, den Telepolis im Folgenden dokumentiert. Dieser Schritt sei ihnen nicht leichtgefallen, schreiben die 16 Unterzeichner: "Denn DIE LINKE war jahre- oder sogar jahrzehntelang unser politisches Zuhause."

"All dies hinter uns zu lassen, fĂ€llt uns schwer – politisch wie persönlich", heißt es weiter in dem Brief, den Telepolis und die Berliner Zeitung am Morgen aus dem Unterzeichnerkreis erhalten haben. Zwei der Unterzeichnenden bestĂ€tigten unabhĂ€ngig voneinander die AuthentizitĂ€t des Dokumentes.

"HĂ€tte es einen besseren Weg gegeben, wir wĂ€ren ihn gerne gegangen. Weil wir uns mit vielen von Euch verbunden fĂŒhlen, möchten wir unsere Entscheidung begrĂŒnden", schreiben die nun Ex-Linken-Politikerinnen und -Politiker. Hier ihre komplette ErklĂ€rung:

Wagenknecht und Mitstreiter treten aus: "Warum wir DIE LINKE verlassen"

Liebe Mitglieder der Partei DIE LINKE,

wir haben uns entschieden, DIE LINKE zu verlassen und eine neue Partei aufzubauen. Dieser Schritt ist uns nicht leichtgefallen. Denn DIE LINKE war jahre- oder sogar jahrzehntelang unser politisches Zuhause. Hier haben wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter kennengelernt, von denen viele zu WeggefÀhrten und einige zu Freunden wurden.

Mit ihnen gemeinsam haben wir Abende und Wochenenden bei Parteiveranstaltungen verbracht und in WahlkĂ€mpfen Sonderschichten eingelegt. All dies hinter uns zu lassen, fĂ€llt uns schwer – politisch wie persönlich. HĂ€tte es einen besseren Weg gegeben, wir wĂ€ren ihn gerne gegangen. Weil wir uns mit vielen von Euch verbunden fĂŒhlen, möchten wir unsere Entscheidung begrĂŒnden.

Die Konflikte der letzten Jahre wurden um den politischen Kurs der LINKEN gefĂŒhrt. Immer wieder haben wir argumentiert, dass falsche Schwerpunkte und die fehlende Konzentration auf soziale Gerechtigkeit und Frieden das Profil der Partei verwĂ€ssern.

Immer wieder haben wir angemahnt, dass die Fokussierung auf urbane, junge, aktivistische Milieus unsere traditionellen WĂ€hler vertreibt. Immer wieder haben wir versucht, den Niedergang der Partei durch eine Änderung des politischen Kurses aufzuhalten.

Damit hatten wir keinen Erfolg – und im Ergebnis hatte die Partei bei den WĂ€hlerinnen und WĂ€hlern immer weniger Erfolg. Die Geschichte der LINKEN seit der Europawahl 2019 ist die Geschichte eines politischen Scheiterns.

Die jeweiligen ParteifĂŒhrungen und die sie stĂŒtzendenden FunktionĂ€re auf Landesebene waren entschlossen, dieses Scheitern auf keinen Fall kritisch zu diskutieren. Es wurde weder eigene Verantwortung dafĂŒr ĂŒbernommen, noch wurden inhaltliche Konsequenzen daraus gezogen.

Vielmehr wurden diejenigen, die dem Kurs der ParteifĂŒhrung kritisch gegenĂŒberstanden, als Schuldige fĂŒr die Ergebnisse ausgemacht und immer weiter ausgegrenzt.

Wir sehen vor diesem Hintergrund fĂŒr unsere Positionen keinen Platz mehr in der Partei. Als Beispiel sei an den "Aufstand fĂŒr den Frieden" vom Februar 2023 erinnert. Es war die grĂ¶ĂŸte Friedenskundgebung der letzten knapp 20 Jahre.

Zehntausende versammelten sich vor dem Brandenburger Tor. Obwohl, und gerade weil etwa die HÀlfte der Bevölkerung den militÀrischen Kurs der Regierung ablehnt, hat sich das gesamte politische Establishment des Landes gegen die Kundgebung gewehrt und sie diffamiert.

Statt uns in dieser Auseinandersetzung zu unterstĂŒtzen, stand die ParteifĂŒhrung der LINKEN Schulter an Schulter mit den anderen Parteien: Sie hat den Initiatoren der Kundgebung vorgeworfen, "rechtsoffen" zu sein und war so Stichwortgeber fĂŒr VorwĂŒrfe gegen uns.

Die politischen RĂ€ume fĂŒr uns in der Partei wurden so klein, dass wir mit geradem RĂŒcken nicht mehr reinpassen. Aus unseren LandesverbĂ€nden wissen wir: So geht es vielen Mitgliedern der LINKEN. Auch fĂŒr sie wollen wir mit der neuen Partei eine neue politische Heimat schaffen.

Dies tun wir aus innerer Überzeugung, denn eine Partei ist kein Selbstzweck. Was uns antreibt: Wir wollen die politische Entwicklung nicht lĂ€nger hinnehmen. Die sozial verheerende Politik der Ampel kostet große Teile der Bevölkerung Einkommen und LebensqualitĂ€t.

Die deutsche Außenpolitik munitioniert Kriege, statt sich um Friedenslösungen zu bemĂŒhen. International eskalieren Konflikte, die sich abzeichnende Blockbildung ist eine Bedrohung fĂŒr den Weltfrieden und wird massive ökonomische Verwerfungen mit sich bringen.

Gleichzeitig wird Widerspruch gegen diese politische Entwicklung in der öffentlichen Diskussion immer hĂ€ufiger sanktioniert und an den Pranger gestellt. Aber Demokratie braucht Meinungsvielfalt und offene Debatten. Die UnfĂ€higkeit der Regierung, mit den Krisen unserer Zeit umzugehen, und die Verengung des akzeptierten Meinungskorridors haben die AfD nach oben gespĂŒlt.

Viele Menschen wissen schlicht nicht mehr, wie sie anders ihren Protest artikulieren sollen. DIE LINKE tritt in dieser Situation nicht mehr als klar erkennbare Opposition auf, sondern als weichgespĂŒlte "Ja, aber..."-Partei. Sie ist mit diesem Kurs unter die Wahrnehmungsgrenze der Bevölkerung gesunken.

Aktuell spricht alles dafĂŒr, dass sie im nĂ€chsten Bundestag nicht mehr vertreten sein wird, wĂ€hrend die AfD in Umfragen bei ĂŒber 20 Prozent steht. Wir haben die Verantwortung, den Kampf um die Ausrichtung der Politik und um die Zukunft unseres Landes wieder ernsthaft zu fĂŒhren. DafĂŒr wollen wir eine neue politische Kraft aufbauen, eine demokratische Stimme fĂŒr soziale Gerechtigkeit, Frieden, Vernunft und Freiheit.

Wir gehen ohne Groll und ohne Nachtreten gegen unsere alte Partei. Der Konflikt ist fĂŒr uns abgeschlossen. Wir wissen: Einige von Euch haben diesen Schritt herbeigesehnt, andere werden enttĂ€uscht sein und wieder andere werden nun abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Euch allen sagen wir: Wir möchten uns wie Erwachsene trennen.

Ein Rosenkrieg wĂŒrde uns allen schaden. Die Partei DIE LINKE ist nicht unser politischer Gegner. Den vielen unter Euch, mit denen wir lange Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet haben, sagen wir auch: Wir sind bereit fĂŒr GesprĂ€che und wĂŒrden uns freuen, Euch zu einem geeigneten Zeitpunkt in unserer Partei begrĂŒĂŸen zu können.

Mit freundlichen GrĂŒĂŸen

Sahra Wagenknecht, Amira Mohamed Ali, Christian Leye, Lukas Schön, Jonas Christopher Höpken, Fadime Asci, Ali Al-Dailami, Sevim Dagdelen, John Lucas Dittrich, Klaus Ernst, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Amid Rabieh, Jessica Tatti, Alexander Ulrich, Sabine Zimmermann


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