Wahldebakel: Spanische Sozialdemokraten setzen schnelle Neuwahlen an
- Wahldebakel: Spanische Sozialdemokraten setzen schnelle Neuwahlen an
- Wenn Linke keine linke Politik machen, dann kommen die Rechten
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Niederlage der Linken, Sieg der Rechten. Die Regierung Sánchez hat fast alle Regionen an rechte Parteien verloren. Was das für linke Politik in der Abgrenzung nach rechts bedeutet. Kommentar.
Es kam, wie es kommen musste, bei den Kommunalwahlen in ganz Spanien und den Regionalwahlen in 12 von 17 autonomen Gemeinschaften, die den deutschen Bundesländern ähneln. Wie an dieser Stelle erwartet, hat die rechtskonservative Volkspartei (PP) am vergangenen Sonntag abgeräumt.
Die Onlinezeitung Público, die der Zentralregierung aus Sozialdemokraten (PSOE) und dem Linksbündnis Unidas Podemos (UP) unter Pedro Sánchez nahesteht, spricht von einem "Debakel für die Linke". Sie macht deutlich, wie viel Gelände verloren wurde: Aragón, Kantabrien, die Kanarischen Inseln, die Baleareninseln, Valencia, Extremadura und die Rioja.
Die PSOE-Sprecherin, die vor dem Wahlgang noch die PP zum "Verlierer" abgestempelt hatte, versuchte sich nach den Wahlen plötzlich in Bescheidenheit. Pilar Alegría erklärte nach der kalten Dusche:
"Wir haben die Botschaft der Wähler verstanden."
Man werde sich sofort an die Arbeit machen, um Fehler zu korrigieren. Benannt hat sie diese natürlich nicht.
Zeit zur Fehlerkorrektur hätten die Sozialdemokraten mehrere Jahre lang gehabt. Die Sánchez-Partei wurde in den beiden letzten Jahren bereits in Andalusien, Kastilien-León, Madrid, Galicien und dem Baskenland abgestraft.
Gelernt haben sie daraus aber nichts. Linke Politik wurde weiterhin nicht gemacht, dafür Waffen an die Ukraine geliefert, statt eine Friedenslösung zu suchen. Wahlversprechen wurden nicht eingelöst. Das Maulkorbgesetz wurde genauso wenig gestrichen wie die Arbeitsmarktreform der PP.
Das Gesetz, das die Meinungsfreiheit einschränkt, wurde sogar verschärft und auf das Internet ausgeweitet.
Jetzt wollen die Sozialdemokraten sogar die Verschlüsselung von Messenger-Diensten verbieten. Progressiv ist das nicht, auch wenn Sánchez gerne von der "fortschrittlichsten Regierung der spanischen Geschichte" spricht.
Aussichten für die Neuwahlen am 23. Juli
Das Ruder nun vor den Parlamentswahlen noch herumzureißen, scheint ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Sánchez versucht wieder einmal einen Befreiungsschlag. Der Ministerpräsident hat nach dem Wahldebakel die Konsequenzen gezogen und die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen für den 23. Juli angekündigt.
"Ich habe diese Entscheidung angesichts der Ergebnisse der gestrigen Wahl getroffen", erklärte Sánchez. Der Sozialdemokrat interpretierte die Wahlen als Fingerzeig für seine Zentralregierung, wofür er "Verantwortung" übernehmen will. Der Wahlkampf war tatsächlich vor allem mit nationalen Themen geführt worden.
Sánchez überrascht mit seinem Schritt seine Unterstützer, allen voran die Vize-Ministerpräsidentin Yolanda Díaz. Für sie wird es besonders schwierig, da sie noch an ihrem Projekt Sumar (Summieren) als Konkurrenz zur Podemos-Partei strickt. Von der will sich die Chefin der Linkskoalition Unidas Podemos (UP) lösen.
Ihr bleiben aber nur noch zwei statt sechs Monaten zur Vorbereitung. Sumar ist zu keiner der Regional- und Kommunalwahlen angetreten. Díaz steht eine Herkulesaufgabe bevor. Sie muss auch schnell überlegen, ob sie Podemos nicht doch noch einbindet oder wieder getrennt wie in vielen Regionen antritt, was die rechten Kräfte weiter gestärkt hat.
In dieser Richtung zeichnet sich Bewegung ab, nachdem Díaz die Podemos Führungsfrauen bisher komplett aus dem Projekt ausgegrenzt hatte. Nun sucht man eilig nach einer Lösung, um doch noch zu addieren, statt zu spalten.
"Man muss die Sachen in einer anderen Form machen", kritisierte Díaz auch die einseitige Entscheidung zu schnellen Neuwahlen.
Wegen der fatalen Ergebnisse für die Parteien weiter links von der Mitte versucht sie sich Mut zu machen: "Ich nehme die Herausforderung an", twitterte sie. "Fortan arbeiten wir daran, am 23. Juli zu gewinnen."
"Selbstmörderischer Schachzug"
Beobachter bezeichnen Sánchez als "unvorhersehbar". Der Politologe Paco Camas sprach im Fernsehen davon, dass der Schachzug "selbstmörderisch" sei. Sánchez setze alles auf eine Karte und will nach dem Dauerstreit mit den Partnern eine weitere Abnutzung verhindern.
Wie die Sumar-Chefin Díaz setzt er auf eine Mobilisierung linker Wähler mit der Warnung vor dem Wolf, um auch eine rechte-rechtsradikale Zentralregierung zu verhindern, wie sie in vielen Regionen ansteht. Die Wähler müssten entscheiden, ob sie in Spanien eine Regierung der rechtskonservativen Volkspartei (PP) mit der rechtsradikalen Vox wollen, sagte Sánchez.
Der Sieg der Rechten
Die rechte PP konnte ihre Positionen ausweiten. Sie kann nun neben Andalusien auch in der Hauptstadtregion Madrid und anderen Regionen sogar mit absoluter Sitzmehrheit regieren. Normalerweise gibt das bevölkerungsreichste Andalusien vor, wie die Parlamentswahlen danach in Spanien ausgehen. Nun wurde der Trend aus Andalusien auch im bevölkerungsstarken Madrid bestätigt.
Die PP-Präsidentin Isabel Díaz Ayuso, die auch als "Trump von Kastilien" bezeichnet wird, hat zwar wegen der geringeren Wahlbeteiligung etwa 50.000 Stimmen gegenüber den vorgezogenen Neuwahlen vor zwei Jahren verloren, doch jetzt kommt sie mit weniger Stimmen sogar auf 47 Prozent.
Auch der bisherige PP-Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida kann in Madrid weitermachen, ebenfalls mit absoluter Mehrheit. Auch dieser Rechtspopulist hat wie Ayuso kein Problem damit, wenn man die PP als "Faschisten" bezeichnet.
Almeida kann jetzt ohne die ultranationalistische Ciudadanos (Cs) regieren, die praktisch im ganzen Land aus den Parlamenten verbannt wurde. Ayuso kann nun die Hauptstadtregion ohne die bisherige Unterstützung ihrer ultrarechten Abspaltung regieren.
Die Strategie von Ayuso ist aufgegangen, sie hat Vox nicht nur in den Schranken gehalten. Die Rechtsradikalen kamen statt auf neun nur noch auf sieben Prozent und die Stimmen der Cs gingen kehrten komplett zur PP zurück, gingen ab und an aber auch an Vox.
Die Beschränkung von Vox geschah allerdings zu dem Preis, dass der radikale Diskurs von Vox fast vollständig von Leuten wie Ayuso übernommen und damit weiter normalisiert wurde.