Waldorf und Homöopathie: Wie esoterisches Denken die Impfbereitschaft beeinflusst
Anhänger von Homöopathie und Waldorfpädagogik sind seltener gegen Covid-19 geimpft. Fördert esoterisches Denken die Impfskepsis in Deutschland?
Bestimmte Milieus der deutschen Gesellschaft stehen Impfungen skeptisch gegenüber. Dies wurde während der Corona-Pandemie sehr deutlich, dürfte sich aber nicht auf die Corona-Impfung beschränken. Auch bei Masern verweigern Eltern ihren Kindern immer wieder den Schutz vor der lebensbedrohlichen Krankheit.
Forscher der Universität Freiburg haben untersucht, wie die Impfbereitschaft mit esoterischen Einstellungen zusammenhängt. Dazu wurden im Jahr 2022 mehr als 7.000 Personen befragt. Die Auswertung der Daten wurde im August in der renommierten Fachzeitschrift npj Vaccines veröffentlicht.
Studie belegt Zusammenhang zwischen Esoterik und Impfbereitschaft
Das Ergebnis ist eindeutig: Wer der Schulmedizin gegenüber positiv eingestellt ist, hat auch weniger Probleme, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Wer dagegen eher der Waldorfpädagogik und der Homöopathie zuneigt, ließ sich tendenziell seltener impfen.
"Menschen mit einer positiven Sicht auf Homöopathie haben im Schnitt 0,4 Corona-Impfdosen weniger erhalten, als jene, die nicht auf Homöopathie vertrauen", erklärte Studienautor Sebastian Jäckle. "Bei maximal vier Impfdosen, die bis zum Umfragezeitpunkt möglich waren, handelt es sich hierbei um sehr substantielle Effekte."
Auch die Impfmotivation unterschied sich je nach Weltanschauung: Anhänger der Schulmedizin gaben an, dem ärztlichen Rat und den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zu folgen. Anhänger der Waldorfpädagogik und der Homöopathie ließen sich eher impfen, um am öffentlichen Leben teilnehmen und etwa wieder Restaurants besuchen zu können.
Esoterik beeinflusst auch Einstellung zu Kinderimpfungen
Die Studie zeigt zudem, dass der Hang zu Esoterik und Alternativmedizin dazu beitragen kann, dass Eltern auch andere Impfungen für Kinder skeptisch betrachten. Denn frühere Untersuchungen etwa aus den USA zeigten, dass Eltern sehr wohl unterscheiden können zwischen dem Nutzen von Kinderimpfungen und einer Spritze gegen Covid-19.
Für den Co-Autor der Studie, James Timmis, liefert die Studie wichtige Erkenntnisse für die Zukunft. "Dieses Wissen kann dazu beitragen, die Impfwilligkeit in der Bevölkerung besser messen und Impfkampagnen zielgerichteter planen zu können", erklärte er.
Esoterisches Denken und der Rechtstrend in der Gesellschaft
Aber – und dies wäre ein weiteres Forschungsfeld für die Politikwissenschaft – nicht nur die Auswirkungen esoterischen Denkens auf die Impfskepsis, sondern auch auf den allgemeinen Rechtstrend in der Gesellschaft sollten in Zukunft berücksichtigt werden.
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass esoterische Glaubensrichtungen aller Art teils offen, teils subtil Elemente rechtsextremer Ideologien transportieren. Je populärer Esoterik in der Gesellschaft wird, desto weiter driftet die Gesellschaft letztlich nach rechts.
Etwa jeder vierte Deutsche glaubt an Wunderheiler. Gut ein Drittel glaubt an die Aussagekraft von Horoskopen. Begriffe aus der esoterischen Mottenkiste wie "Achtsamkeit" und "Ganzheitlichkeit" sind wieder en vogue.
Angesichts dieser Zunahme irrationalen Denkens ist es nicht verwunderlich, dass auch die Skepsis gegenüber der Schulmedizin und Institutionen zunimmt.