Wandelndes Eis
Rätsel um Südpol-Eis auf dem Mars gelöst
Der bei den Griechen und Römern als Kriegsgott bezeichnete Rote Planet weckt schon deswegen das starke Interesse der Wissenschaft, da er unter all den Planeten in unserem Sonnesystem der Erde bezüglich Rotationsdauer, Jahreszeiten, Atmosphäre und Entfernung zur Sonne am ähnlichsten ist.
Er besitzt eine dünne Atmosphäre, die zu etwa 95% aus CO2 besteht und sehr oft durch Staub getrübt wird. Ähnlich der Erde unterliegt der Mars Klimaschwankungen, dis resultiert größtenteils daraus, dass sich die Umlaufbahn des Mars um die Sonne in den letzten Jahrmillionen leicht verändert hat. Eine Änderung konnte auch bezüglich der Rotationsachse festgestellt werden, die sich in den letzten 5 Millionen Jahren stetig zwischen 15° und etwa 35° verändert. Dadurch sind die Polarregionen unterschiedlicher Sonneneinstrahlung ausgesetzt, die zu einem großen Teil aus gefrorenem Kohlendioxid (CO2) bestehen.
Um die Marsatmosphäre genauer unter die Lupe zu nehmen, startete am 2. Juni 2003 die europäische Sonde Mars Express vom Raumfahrtzentrum Baikonur, Kasachstan. Ziel dieser Mission ist es, die Geschehnisse rund um das Wasser auf dem Mars zu klären, um somit eventuell Rückschlüsse auf eine mögliche Entstehung von Leben auf dem Mars ziehen zu können.
Etwa ½ Jahr nach Missionsbeginn machte das an Bord befindliche Instrument OMEGA-Infrarotspektrometer (Visible and Infrared Mineralogical Mapping Spectrometer) eine spektakuläre Entdeckung: permanente Wassereis-Ablagerungen am Südpol des Mars. Diese befinden sich auf Millionen von Jahre alten überlagernden Gesteinsschichten und lieferten auch Hinweise auf Gletscheraktivitäten. Fragen nach Alter und Entstehung blieben aber offen.
Mars-Sonnen-Konstellation lässt Wasser von Nord nach Süd „fliegen“
Nun konnten Wissenschaftler Dank neuester Daten von OMEGA und mit Hilfe aufwändiger Klimamodelle eine mögliche Antwort darauf geben. Die Auswertung der OMEGA-Daten hat ergeben, dass die beständigen Ablagerungen auf dem Südpol im Wesentlichen aus drei Arten von Eis bestehen: Wassereis gemischt mit kohlendioxidhaltigem Eis, kilometerweite Bereiche aus reinem Wassereis sowie Ablagerungen, die mit einer dünnen Schicht CO2-Eis überzogen sind.
Die Entdeckung der Eisablagerungen der ersten Art bestätigte die bisherige Hypothese, dass das CO2 als Fangnetz für Wassereis dient. Aber die zwei anderen Eistypen hinterließen ein großes Fragezeichen, wie konnte es sich ansammeln und über diesen langen Zeitraum konserviert wurden?
Franck Montmessin, vom Service d'Aéronomie du CNRS/IPSL (Frankreich)und seine Kollgen fanden eine Erklärung dafür:
Wir glauben, dass die Ablagerungen des Wassereises zwischen den beiden Marspolen (Nord/Süd) hin und her lavieren, in einem Zyklus von jeweils 51.000 Jahren, einem Zeitabschnitt der der Präzession des Mars entspricht.
Als Präzession bezeichnen Astronomen das Taumeln der Rotationsachse des Planeten.
Zu diesem Ergebnis kamen F. Montmessin und sein Team, als sie in ihrem Mars-Klimamodell die Zeit zurückdrehten. Dabei wurde auch die Präzession im Bezug auf die Orbitalinformationen berücksichtigt. Die Wissenschaftler drehten die Zeit um 21.000 Jahre zurück, zu dieser Zeit stand die Nordhalbkugel des Mars am nächsten zur Sonne - eine Situation, die genau das Gegenteil von heute widerspiegelte.
Das Modell zeigte auf, das das Wasser am Nordpol verdunstete und sich am Südpol als Eis ablagerte. Jedes Jahr wurde so ein Millimeter Wasser-Eis am Südpol abgelagert, nach 10.000 Jahren stieg das Eis auf eine Dicke von 6 Metern an. Danach änderte sich die Präzession und die Rotationsachse begab sich langsam in die Position der heutigen Konstellation. Nun kehrte sich auch der Wassereis-Wanderungs-Prozess wieder um - das Wasser verdampfte am Südpol und kehrte zum Nordpol zurück.
Vor ungefähr 1000 Jahren aber wurde dieser Prozess aus bisher unerklärlichen Gründen gestoppt, eine Schicht von Kohledioxid-Eis legte sich über das Wassereis am Südpol und verhindert damit ein weiteres Abschmelzen.