Wann ist ein Mensch tot – und wann darf er wie sterben?
Die Debatte um Sterbehilfe ist verfahren. Dazu tragen nicht nur moralische Fragen bei, sondern auch die juristische Lage. Hier die Hintergründe.
Das Ringen um eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe geht weiter. Im Bundestag fand keiner der beiden vorgelegten Gesetzentwürfe die erforderliche Mehrheit der Abgeordneten.
Die beiden im Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe wollten im Betäubungsmittelgesetz verankern, dass tödliche Medikamente für einen assistierten Suizid legal verschrieben werden dürfen. Die Vorschläge sahen jedoch unterschiedlich hohe Hürden vor.
Den Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Diskussion um die Sterbehilfe bildet eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020. Da hatten die Karlsruher Richter das in Paragraf 217 Strafgesetzbuch (StGB) festgeschriebene Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt.
In der aktuellen Diskussion über die Sterbehilfe geht es um den sogenannten assistierten Suizid. Damit sind zwei Problemfelder angesprochen.
Problemfeld 1: Suizid
Der Suizid selbst ist in Deutschland – anders als in anderen Ländern, etwa Kenia – zwar straflos. Über seine moralische Bewertung wird jedoch heftig gestritten.
Dabei fließen in die Diskussion nicht selten Begriffe wie Selbstmord oder Freitod ein. Sie sind wertend und drücken eine bestimmte Haltung zum Suizid aus. So ist der Selbstmörder begrifflich eben ein Mörder, wenn auch an sich selbst, und damit geächtet.
Ein Mensch, der den Freitod wählt, wird hingegen als selbstbestimmtes Wesen dargestellt und in gewisser Weise heroisiert. Befeuert wurde diese Diskussion nicht zuletzt durch die Rechtsprechung, namentlich den Bundesgerichtshof, der in einem Beschluss von 1954 (Az. GSSt 4/53 = NJW 1954, 1049) Folgendes ausgeführt hat:
Da jeder Selbstmord – von äußersten Ausnahmefällen vielleicht abgesehen – vom Sittengesetz streng mißbilligt ist, da niemand selbstherrlich über sein eigenes Leben verfügen und sich den Tod geben darf (…).
Einen zumindest rechtlichen Schlusspunkt unter diese Diskussion dürfte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 (Az. 2 BvR 2347/15 ua = NJW 2020, 905) gesetzt haben. Abgeleitet aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Menschenwürde räumte es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein. Somit wird der Suizid zumindest rechtlich nicht mehr missbilligt.
Problemfeld 2: Assistenz
Bei der aktuellen Diskussion steht aber vor allem die Assistenz im Fokus. Hier wird um eine gesetzliche Neuregelung gerungen. Zwar ist seit der Entscheidung aus Karlsruhe klar, dass Paragraf 217 StGB keine Anwendung mehr findet.
Dennoch bleibt für Menschen, die Sterbehilfe leisten, eine Strafbarkeit nach Paragraf 216 StGB (Tötung auf Verlangen) bestehen. Zudem hat das Verfassungsgericht darauf hingewiesen, dass auch legale Sterbehilfe weiterhin Probleme verursachen kann.
Das gilt in Fällen, in denen nicht sichergestellt ist, dass der sterbewillige Mensch seine Entscheidung wohlüberlegt und aus freien Stücken getroffen hat. Außerdem besteht die Gefahr, dass Sterbehilfeorganisationen Druck auf Betroffene ausüben. Diese Gefahr wird umso größer, je stärker die Organisation wirtschaftlichen Interessen folgt.
Beide in den Bundestag eingebrachten Regelungsvorschläge eint, dass sie mit diesen Problemen umgehen müssen. Die Besonderheit dabei: Der Fraktionszwang wurde aufgehoben.
Die Abgeordneten sollten allein ihrem Gewissen folgen. Die eine Gruppe um den Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) setzte eher auf das Strafrecht als Mittel zur Problemminimierung und forderte in ihrem Entwurf insbesondere die Einführung eines Paragrafen 217a StGB "Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung".
Der Gesetzesentwurf der zweiten Gruppen um die Abgeordnete Katrin Helling-Plahr (FDP) war liberaler ausgerichtet und rückte die Beratungssituation in den Fokus. Der Vorschlag forderte den Aufbau eines bundesweiten Beratungsnetzes. Im Bundestag gescheitert sind beide Entwürfe. Die Suche nach einer Neuregelung geht also weiter.
Zum Lebensende des Menschen
Die Politik sollte die Diskussion um den assistierten Suizid auch zum Anlass nehmen, weitergehende Überlegungen zum Lebensende des Menschen anzustellen. Beklagenswert ist etwa, dass es im deutschen Strafgesetzbuch nach wie vor an einer Regelung zum menschlichen Todeszeitpunkt fehlt.
Das bedeutet: Das StGB gibt nicht vor, wann ein Mensch als tot gilt. Prominente Straftatbestände wie Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB), aber auch die oben erwähnte Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) setzen den Tod eines Menschen dagegen schlicht voraus.
Zugegeben: Den Tod eines Menschen festzustellen, ist häufig – medizinisch wie juristisch – keine schwierige Sache. Dennoch gibt es Grenzfälle. Das gilt vor allem dann, wenn Menschen einen Hirntod erleiden, wichtige Organe aber weiterhin in Takt bleiben.
Sind diese Menschen wirklich tot? Ja, sagt indirekt das Transplantationsgesetz. Denn Paragraf 3 Transplantationsgesetz gestattet in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen die Organentnahme zu Spendenzwecken. Und an diesen Regelungen im Transplantationsgesetz orientiert sich auch das Strafrecht.
Da fragt man sich doch: Soll das wirklich so sein? Wäre es nicht besser, wenn das Strafrecht eine Todesdefinition vorgibt? Das erscheint schon deshalb sinnvoll, weil das Strafrecht dem Schutz des Lebens besondere Priorität einräumt. Definitorische Klarheit ist aber auch und gerade für den Laien als Rechtsanwender wichtig, da ihm bei Tötung ja qua Gesetz staatliche Sanktionen drohen.
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