Warnsignal Meer in Zeiten des Klimawandels
Wissenschaftler zweifeln an Erfolg des Klimagipfels in Durban
Beim Symposium zum Thema: Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken im Geomatikum in Hamburg diskutierten internationale Meeres- und Klimaforscher über die Folgen der Erderwärmung. Kurz vor der UN-Klimakonferenz in der südafrikanischen Stadt Durban vom 28.11. bis 9.12.2011 ging es um Signale der Wissenschaft an die Politik.
"Es passiert nichts im internationalen Klimaschutz", erklärt Mobjib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel auf der Pressekonferenz des Hamburger Symposiums. Auch bei der anstehenden Weltklimakonferenz Ende November in Durban, auf der ein Nachfolgeregime für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll gefunden werden soll, werde es keine Klimagerechtigkeit geben, so die Prognose Latifs. Latif erwartet vielmehr eine Zuspitzung der Gegensätze zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern.
Verhärtung der Fronten zwischen Entwicklungs- und Industrieländern
Drei Punkte haben bereits im Vorfeld zur Verhärtung der Fronten geführt:
- Der Lebensstil der Industrieländer ist nicht für den Rest der Welt übertragbar. Es kann nicht darum gehen, dass alle gleich verschmutzen dürfen, um wirtschaftliche Entwicklung zu forcieren. Wissenschaftler sind sich längst darüber einig, dass der 2005 eingeführte Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten nicht berechenbar ist. Die Klimabörse, das Recht, das schädliche Treibhausgas CO2 in die Luft zu blasen, führt nicht zur globalen Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Zwischenzeitlich gibt es zu viele Zertifikate und die Kontrollen reichen nicht aus, um das Klima zu schützen, so das Ergebnis einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Anita Engels, Sprecherin des Exzellenzclusters und Direktorin am Zentrum für Globalisierung und Governance in Hamburg.
- Aufgrund der langanhaltenden Wirkung und Lebensdauer des CO2 in der Atmosphäre müssen auch die größten Verschmutzer wie China umdenken, was auf dem nächsten Klimagipfel kaum zu erwarten ist.
- Der Gipfel wird keine Klimagerechtigkeit schaffen können, weil die Umweltprobleme nicht mit wirtschaftlichen Maßstäben zu messen und zu lösen sind.
Dennoch sind die Zeichen des Klimawandels alles andere als rosig. Seit Beginn der Satellitenaufnahmen vor dreißig Jahren ist die Meereisreduzierung der Arktis im Sommer bei einem Minimum angelangt. Mittlerweile sind die Nord-Ost- und Nord-West-Passagen im Sommer eisfrei.
Wenn das Meereis zurückgeht, fällt dieses gleichzeitig als Sonnenlichtspiegel aus, das die Sonnenstrahlen zurück ins All reflektiert. Stattdessen erwärmt sich die Meeresoberfläche, so dass die Erderwärmung am Nordpol doppelt so schnell voranschreitet wie beim Rest der Erde.
Utopisches 2-Grad-Ziel
Wenn auch das 2-Grad-Ziel bei der letzten Weltklimakonferenz im mexikanischen Cancun als Messlatte zum Schutz des Klimas anerkannt wurde, scheint eine Erreichung des Ziels eher utopisch.
"Die Politiker haben zwar das 2 Grad-Ziel anerkannt, allerdings nicht wissend, wie schwer es um die Erreichung des Zieles steht, " erklärt Hartmut Graßl vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Demnach dürfen noch bis 2050 750 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre emittiert werden, wobei die Industrieländer heute schon 40 Milliarden Tonnen davon freigesetzt haben.
Druck der zivilen Gesellschaft
Deshalb hoffen die Klimaforscher Graßl, Latif und Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, der aktuell über die Eisschmelze in der Arktis forscht, auf eine Energiewende der Staatengemeinschaft mit der Unterstützung der zivilen Gesellschaft. Unter dem Druck der Bevölkerung müsse die Einsicht der Politiker folgen und dann sollten daraus wirtschaftliche Anreize resultieren.
Die Wissenschaftler sehen sich dabei in der Relaisfunktion, indem sie die Politiker mit Fakten, Zahlen und aktuellen Forschungs- und Messergebnissen unterrichten. Graßl berät die Bundesregierung seit 23 Jahren. Latif gibt über die Medien Orientierung und sein Wissen weiter. "Die Wissenschaft ist verlässlich, da sie über Jahrzehnte sicheres Wissen transportiert", bekräftigt Mobjib Latif vom Leibnitz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel die Rolle der Klimaforscher.
Fischleerer blauer Planet?
Doch jetzt schon ächzen die Meere unter dem doppelten Belastungsdruck, infolge des exponentiell steigenden, anthropogenen Eintrags von CO2, aber auch durch die Überfischung der Meere. Seit 1850 ist nach Ansicht der Meteorologen statistisch belegbar, dass jedes Jahrzehnt wärmer geworden ist als das vorherige.
Die Meere fungieren hierbei als wichtige CO2-Senken, wobei sich ein Teil des atmosphärischen CO2 im Oberflächenwasser auflöst und hierüber langfristig zur Versauerung der Meere beiträgt.
Zudem leidet das Meer unter der Überfischung. Die wissenschaftlichen Untersuchungen des Meeresforschers Daniel Pauly vom Sea Around US Project belegen zwar, dass die Fischfänge mit Beifang nach unten gehen, die Hauptgründe aber in der globalen Ausdehnung der Fischerei liegen.
In den fünfziger Jahren haben die Spanier noch auf den Nordatlantik begrenzt, fast vor der Haustüre, gefischt. Heute fischen die Spanier, die Franzosen, die Japaner in den Weltmeeren. Die Fischerei dehnt sich auf rund 1 Millionen Quadratkilometer Meeresoberfläche global aus. Dabei geht die Expansion auch in die Tiefe und nach Süden, so Pauly. Der Fischfang kann also nicht weiter zunehmen, sondern nur abnehmen.
Dazu kommen die Wanderbewegungen der Fischarten aufgrund der Erwärmung der Meere. Wärmeliebende Fischarten ziehen in den Norden, während kälteliebende Arten aus diesen südlichen Arealen abwandern. Der Makrele wird es im Nordatlantik zu warm. Der Kabeljau zieht weiter nach Norden und die Scholle driftet weiter in die Tiefe ab. Dabei zeigt sich, dass ganz bestimmte Staaten in der Fischerei die Gewinner im Zuge der Fischmigration sind, wozu Norwegen, die USA und Island gehören, während vor allem tropische Staaten aufgrund der Abwanderung wärmeliebender Arten in nördlichere Breiten die Verlierer im Fischfang sind. Auch in der Fischerei gibt es keine Klimagerechtigkeit.
Nordsee: Massenvermehrung von Quallen
In der deutschen Bucht kann man je nach Strömung und Windrichtung die Ohren-, Haar-, Kompass- oder Blumenkohlqualle am Uferrand betrachten.
In jahrzehntelangen Forschungen hat jedoch Medusenforscher Gerhard Jarms von der Universität Hamburg festgestellt, dass die Quallenpopulation parallel zur Verschmutzung der Nordsee zugenommen hat. In Reagenzgläsern hat er beobachtet, dass diese besonders schnell wachsen und sich vermehren, wenn Plastik und Kunststoff im Wasser vorhanden sind. Bei Schlamm- und Sanduntergründen sei das Wachstum allerdings ganz normal.
Da der Mensch aber mehr immer Abfall und Hartsubstrate wie Ölplattformen und Windparks in die Meere und an die Küsten baut, sind ideale Wachstumsbedingungen für die Qualle gegeben. Die Folge: die Fischpopulation, besonders die der Heringe geht zurück, da die Fischeier und Larven von den Quallen gefressen werden. Jarms Prognose: Wenn nichts geschieht, landet statt des Herings oder der Streifenbarbe bald die Qualle auf dem Teller des Verbrauchers.
Korallenbleiche- Korallensterben
Besorgniserregend ist auch der Zustand der Korallenriffe. Pilzkorallen, hunderte Arten von Steinkorallen, Tischkorallen und Geweihkorallen sorgen für Arten- und Nährstoffreichtum im Meer. Sie bieten zudem Schutz für große Meeresbewohner wie Haie oder Barracudas und kleine Fische und Tiere wie den Nasendoktorfisch, Muscheln, Schwämmen, Haarsternen und Seegurken. Die Korallen säumen die Küste von 109 Staaten und bieten 25 Prozent aller marinen Arten einen idealen Lebensraum.
Der CO2-Anstieg jedoch, den das Meer zunehmend aufnimmt, führt zur Versauerung des Meeres, indem der PH-Wert sinkt. Gute Wachstumsbedingungen liegen bei einem PH-Wert von 8,3 bis 8,2 vor. Augenblicklich liegt der PH-Wert bei 8,1, bis 2050 soll er auf 8,0 sinken und bis 2100 bei 7,8 angelangt sein. Korallen gedeihen im sauren Wasser schlecht, da sie keine Kalkskelette mehr bilden können. Die Folge: Mit zunehmender Versauerung der Wassersäulen geht die Kalkskelettdichte zurück, bis die Korallen ganz ohne Gerüst wachsen. Das CO2 gefährdet die Schönheit und den Nahrungs- wie Artenreichtum der Korallenriffe.
Ein weiteres Problem ist die Korallenbleiche bei ansteigender Meerestemperatur. Bei einem Anstieg der Temperatur von 1 bis 2 Grad Celsius stößt die Koralle ihren Symbionten aus. Daraus folgt die Bleiche oder weiße Farbe der Koralle. 1982 wurde die erste große Bleiche entdeckt. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre lag zu dem Zeitpunkt bei 300 ppm. Heute ist er bereits auf 390 ppm gestiegen, sagt Korallenspezialist Helmut Schumacher von der Universität Essen. Die Malediven waren 1997 zu 70 Prozent von Korallen bedeckt. Als die Bleiche 1998 das Riff absterben ließ, war noch eine Lebendbedeckung von 6 bis 7 Prozent übriggeblieben. Dazu kam eine Bioerosion von 150 Prozent, bei der Bakterien über die Korallen herfielen und Bohrschwämme diese zermürbten, bis sie schließlich zu Sand zerfielen.
Auch Sedimenteintrag führt langfristig zum Korallensterben. Holzeinschlag in Neuguinea, der Abbau von Bodenschätzen, das Abholzen der Mangrovenwälder als Sedimentfilter tragen zur Verschleimung der Korallen bei, bis sie bei weiterer Bodenerosion in Meer ersticken. Flüsse und riesige Garnelenzuchtbecken fördern die Entwicklung über den Eintrag von Schmutz und Schlamm auf die empfindlichen Riffe bei. Tauchtourismus und Schiffshavarien tun ein Übriges.